Ahrensburg/Bad Oldesloe. Im Jahr 2014 sind in Stormarn 1480 Menschen aus der Kirche ausgetreten. Ein Grund dafür sind unter anderem die Missbrauchsskandale.

Immer mehr Menschen treten aus der Kirche aus. Besonders im vergangenen Jahr habe die Zahl „dramatisch zugenommen“, meldete die Evangelische Nachrichtenagentur Idea. Der Negativtrend zeichnet sich auch in Stormarn ab. Im vergangenen Jahr kehrten 1480 Mitglieder der Kirche den Rücken. Eine deutliche Zunahme gegenüber den Vorjahren.

2005 wurden in Stormarn 725 Ausritte registriert – also nur rund halb so viele wie im vergangenen Jahr. 2010 waren es bereits 972. Auch wenn der Wegzug von Gemeindemitgliedern statistisch nicht extra erfasst wird und daher in den Zahlen enthalten ist: Der Anstieg ist klar erkennbar. Man könne daher durchaus von einem Trend sprechen, sagt der Oldesloer Pastor Diethelm Schark. Seine Erklärung dafür: „Die Leute binden sich nicht mehr.“

Allein in Ahrensburg kehrten 2014 343 Mitglieder der Kirche den Rücken

Allein in Zarpen beendeten im vergangenen Jahr 34 Menschen ihre Kirchenmitgliedschaft. Zehn Jahre zuvor waren es noch zehn gewesen. Auch in Bargteheide stieg die Zahl der Austritte deutlich an. 2005 waren es 103, im vergangenen Jahr bereits 130. In Ahrensburg sieht die Entwicklung noch dramatischer aus. Hier ist die Abkehr extrem hoch: 2005 traten 156 Mitglieder aus. 2014 war es mit 343 mehr als doppelt so viele Menschen, die ihre Kirchenmitgliedschaft in der Schlossstadt beendeten. Gleichzeitig traten immer weniger in die Kirche ein. So ist die Zahl der evangelischen Kirchenmitglieder in Ahrensburg innerhalb von zehn Jahren um mehr als 2700 Mitglieder gesunken – auf 12 272 in 2014. Auf Anfrage dieser Zeitung wollte sich keiner aus der Ahrensburger Pastorenschaft zu der Entwicklung äußern.

„Die verstärkten Austritte 2014 haben wohl auch mit der Verunsicherung in Bezug auf die Kirchensteuer zu tun“, vermutet Daniel Havemann, Propst des Kirchenkreises Plön-Segeberg und damit für Kirchengemeinden im Norden Stormarns zuständig. Havemann: „Die Kirche hätte klarer sagen müssen, dass die Steuer nicht erhöht wurde, sondern nur anders eingezogen wird.“

Zum Hintergrund: Bisher konnten Kirchenmitglieder entscheiden, ob ihre Kirchensteuer auf Kapitalerträge bei ihrer Einkommenssteuererklärung nach der Kapitalertragssteuer eingezogen oder direkt von ihrer Bank an das Finanzamt gezahlt werden sollte. Die Wahlfreiheit existiert nicht mehr. Seit dem 1. Januar wird das Geld automatisch von den Kreditinstituten an das Finanzamt überwiesen. Es gehe darum das Verfahren zu vereinfachen, heißt es dazu aus der Nordkirche.

Die Vorjahreszahlen lassen sich damit allerdings nicht erklären. Hans-Jürgen Buhl, Propst des Kirchenkreises Hamburg-Ost und damit für Süd-Stormarn zuständig, geht davon aus, dass es mehrere Erklärungen für den Trend gibt. „Kirchenmitglieder treten selten aus nur einem Grund aus“, sagt Buhl. Es könne auch vorkommen, dass ein Vorfall in der katholischen Kirche Protestanten zum Austritt bewege – und umgekehrt. Buhl vermutet allerdings auch, dass die Missbrauchsfälle, sowohl in der katholischen als auch der evangelischen Kirche, für viele Mitglieder Anlass war, die Kirche zu verlassen.

Propst Daniel Havemann, geht ebenfalls von „vielfältigen“ Gründen dafür, aus, dass die Zahl der Kirchenmitglieder sinke. „Die Menschen sind weniger bereit, sich langfristig zu binden“, sagt Havemann und bekräftigt die These seine Oldesloer Kollegen. Havemann: „Aber die Sehnsucht nach Sinn und Segen ist ungebrochen.“ Deshalb sei es Aufgabe der Kirche, „zu zeigen, wie christlicher Glaube Antwort auf diese Fragen“ gebe. Buhl stimmt ihm zu: „Kirche ist mehr als das Gebäude und der Sonntagsgottesdienst.“ Das müsse seiner Meinung nach deutlicher gemacht werden.

Dieses „Mehr“ benennt Christoph Schroeder, Pastor in der Auferstehungskirche in Großhansdorf-Schmalenbeck. „Die diakonische Arbeit ist wichtig“, sagt er. „Kirche kann Menschen in ihren Höhen und Tiefen unterstützen.“

Die Oldesloer Pastorin Eva Rincke ist davon überzeugt, dass Kirche den Menschen viel bieten könne. „Kirche gibt den Menschen einen Rahmen. Das Vertrauen, dass sie gehalten sind“, sagt sie und erinnert sich an ein Erlebnis.

Das Kerzenanzünden wurde bei einer Konfirmandenfahrt zum Erlebnis

„Bei einer Konfirmandenfahrt nach Ratzeburg. haben drei Mädchen Kerzen im Ratzeburger Dom gekauft. Mit leuchtenden Augen sind sie ganz graziös nach vorn gegangen und haben ihre Kerzen aufgestellt“, erzählt Rincke. Wie die Gesichter der Mädchen angeschienen worden seien, hätte etwas ganz Besonderes und Heiliges gehabt. „Die drei haben hinterher gesagt, das war das Beste der Freizeit“, sagt die Pastorin voller Freude.

Für Propst Havemann machen solche Erlebnisse Segen und Lebenssinn erfahrbar. „Dennoch muss sich die Kirche kritisch prüfen. Sind wir da, wo wir gebraucht werden? Sprechen wir die Sprache der Leute von heute?“, fragt der Propst und fügt hinzu: „Kirche wird sich neu auf das besinnen müssen, was wesentlich ist.“