Ahrensburg. Das Beauftragtengremium soll in der Kirchengemeinde für Frieden sorgen. Vorsitzende Ursula Wegmann zieht nach drei Monaten eine erste Bilanz.

Die Ahrensburger Kirchengemeinde befrieden – vor dieser Herausforderung steht das Beauftragtengremium, das als Interimslösung an die Stelle des aufgelösten Kirchengemeinderats getreten ist. Bei der Gemeindeversammlung am Montag, 30. März, gibt es das erste offizielle Aufeinandertreffen mit den Gemeindegliedern, bei dem es nicht um Plaudern bei Kaffee und Kuchen, sondern zur Sache geht. Der Missbrauchsskandal und der Streit um die St.Johanneskirche haben die Atmosphäre vergiftet. Pastor Detlev Paschen ist weg, nun auch die bisherige Vorsitzende des Kirchengemeinderats, Pastorin Anja Botta. Die Verantwortung liegt jetzt beim Beauftragtengremium und seiner Vorsitzenden Ursula Wegmann. Im Gespräch mit dem Abendblatt spricht sie über ihre Friedensmission.

Hamburger Abendblatt: Wie schätzen Sie die Situation ein? Wie haben Sie sich eingearbeitet?

Ursula Wegmann: Das Vertrauen in der Kirchengemeinde ist gestört. Das ist offenkundig. Und solange noch in der Presse berichtet wird, stimmt etwas nicht. Ich habe zunächst alle Sitzungsprotokolle der vergangenen sechs Jahre gelesen. Und da wurde sofort klar: 2010 hat sich schlagartig etwas verändert. Das Bekanntwerden des Missbrauchsskandals war für alle ein Schock. Und dieser Schock ist noch nicht überwunden. Auch im Internet tobt der Streit weiter. Eine schwierige Kommunikation, die typisch ist für die Missbrauchsdynamik.

Wie kann der Riss geheilt werden?

Wegmann : Ich spreche nicht von Riss. Ahrensburg hat einfach eine riesige Kirchengemeinde mit vier Standorten. Es gab nie eine Fusion, auch wenn sich die Zusammenlegung der Gemeindebezirke so anfühlt und für einige schmerzhaft ist. 2009 wurde dann über Sparmaßnahmen diskutiert. Und in dieser Situation wurde der Missbrauchsskandal aufgedeckt. Zwei Jahre später war der Kostendruck schließlich so hoch, dass die Schließung der St. Johanneskirche kam. Das Ungünstigste, was passieren konnte. Wir müssen jetzt den Gedanken der Gesamtgemeinde wieder stärken.

Lässt sich der Konflikt jemals lösen?

Wegmann : Bei Missbrauch schieben sich die Beteiligten immer gegenseitig die Schuld zu. Dabei geht es nicht vorrangig um den einzelnen Täter oder wer was gesagt oder geahnt hat. Es geht um die Menschen und um die Strukturen, die das möglich gemacht haben. Trotz der Entschuldigung durch Bischöfin Kirsten Fehrs ist das Leiden der Menschen immer noch da. Die Traumatisierung betrifft im Übrigen die Opfer und die Pastoren gleichermaßen. Wir müssen einen Weg finden, damit umzugehen, und gleichzeitig nach vorn schauen und neue Strukturen aufbauen.

Was können Sie konkret tun?

Wegmann : In Ahrensburg haben alle eine Geschichte miteinander. Es ist schwierig für die Beteiligten, unvoreingenommen miteinander zu reden. Dass fünf Mitglieder des Beauftragtengremiums von außen kommen, so wie ich, kann helfen. Wir haben schon etliche Gespräche geführt.

Neben den fünf Externen sind auch fünf Mitglieder des aufgelösten Kirchengemeinderats im Beauftragtengremium. Dafür gab es Kritik.

Wegmann : Wir Externe haben die Möglichkeit, die Strukturen zu analysieren und neuralgische Stellen ausfindig zu machen. Aber wir haben keine Ortskenntnisse. Die bringen die ehemaligen Mitglieder des Kirchengemeinderats ein. Das ist wichtig.

Wie geht es mit St.Johannes weiter?

Wegmann : Wir haben bereits mit rund einem Dutzend Mitglieder des Fördervereins St. Johannes Kontakt aufgenommen. Ich hatte im Vorwege einiges gehört. Aber ich kann mich nicht beklagen. Die Gespräche verliefen in guter Atmosphäre. Das setzen wir fort. Aber es sind auch wieder öffentlich Vorwürfe aufgeflammt. Deswegen haben wir sofort zu einer Krisensitzung eingeladen.

Um die Schließung der Johanneskirche hat es viel böses Blut gegeben. Sie wurde nur wieder geöffnet, weil der Förderverein die Betriebskosten von 30.000 Euro übernimmt. Ein Hinweis auf die desolate Finanzlage der Kirchengemeinde.

Wegmann : Wir müssen uns dringend die finanzielle Situation genauer ansehen. Wir sind da dran. Das Gemeindehaus von St. Johannes ist ja auch nach wie vor geschlossen, auch das Pastorat. Dadurch wird es mit dem Schimmel im Gebäude nicht besser. Das Problem: Die Kirchengemeinde hat kein Geld.

Manche fürchten, dass das Beauftragtengremium so lange im Amt bleibt, bis die regulären Neuwahlen der Nordkirche kommen, also bis zum Herbst 2016.

Wegmann : Wir haben darüber geredet. Die Frage ist, ob es klug wäre, schon einen Termin festzulegen und noch in diesem Jahr zu wählen. Das würde nicht nur zusätzlich Geld kosten. Die Gemeinde wäre auch zwei Jahre lang mit nichts anderem beschäftigt als mit der Wahl. Denn der Termin in 2016 steht in jedem Fall. Außerdem könnte es sinnvoll sein, mit der Wahl zu warten, bis die Stelle von Pastorin Botta neu besetzt ist. Die Entscheidung liegt beim Kirchenkreisrat.

Wie oft tagen sie?

Wegmann : Wir treffen uns einmal im Monat. Alle 14 Tage kommt der Geschäftsführende Ausschuss zusammen, der die Leitlinien vorgibt.

Der Kirchengemeinderat tagte unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Nicht einmal die Tagesordnung wurde vorher veröffentlicht. Bleibt das so?

Wegmann : Das Beauftragtengremium hat gerade beschlossen, die Öffentlichkeit der Sitzung teilweise zuzulassen. Zum ersten Mal am 20. April. Die Sitzung beginnt um 18 Uhr im Saal Gartenholz. Wenn es keine Tagesordnungspunkte für die Öffentlichkeit gibt, kann eine Fragestunde für die Öffentlichkeit eingerichtet werden. Beides wird fünf Tage vorher in den Schaukästen bekannt gegeben. Im Übrigen gibt es außerhalb der Sitzungen einen regen Kontakt. Allein in den ersten zwei Tagen nach Amtsantritt habe ich rund 60 Mails und 25 Telefonate erhalten.

Wie schaffen Sie es, unparteiisch zu sein?

Wegmann : Als Pastorin und auch durch meine tiefenpsychologische Ausbildung habe ich gelernt, mich abzugrenzen. Allerdings bin ich immer dann parteiisch, wenn Gesetze und Regeln nicht eingehalten werden. Dann laufen die Dinge aus dem Ruder. Und das passierte nicht erst seit 2010, sondern schon seit den 70er-Jahren, als Kinder und Jugendliche Pastoren anvertraut waren, die dabei Grenzen überschritten. Aber genauso müssen die Gesetze, also die Kirchenverfassung und damit der Auftrag des Kirchengemeinderats akzeptiert werden, und zwar von allen.

Bei der Gemeindeversammlung am Montag, 30. März, wird das Beauftragtengremium Berichte über die ersten drei Monate ihrer Arbeit und über die Finanzen der Kirchengemeinde vorlegen. Beginn: 19 Uhr im Kirchsaal Hagen (Hagener Allee 116).