Bad Oldesloe. In ihrem Jahresbericht warnen die AWO-Schuldnerberater vor Altersarmut. Eine Schuldenfalle sind angesichts der niedrigen Zinsen auch Hauskredite.
Seit Jahren klagen die Sozialverbände über eine zunehmende Altersarmut in Deutschland, auch in Schleswig-Holstein. Deren Auswirkungen bekommen auch die Mitarbeiter in der Schuldner- und Insolvenzberatung der Arbeiterwohlfahrt (Awo) in Bad Oldesloe zu spüren. Wie der jetzt vorgelegte Jahresbericht 2014 zeigt, bezieht inzwischen fast jeder Zehnte der Ratsuchenden – genau 8,9 Prozent – eine Rente. Vor zwei Jahren lag der Anteil noch bei fünf Prozent. „Die Renten fallen heute immer geringer aus. Von einem Monat auf den anderen müssen die Menschen mit deutlich weniger Geld auskommen“, sagt Siegward Derlin, Leiter der Beratungsstelle. Zudem erreichten immer mehr Menschen bereits verschuldet das Rentenalter.
Seit 28 Jahren gibt es die Schuldner- und Insolvenzberatungsstelle der Awo in Bad Oldesloe. Zusätzliche Beratungen werden zweimal monatlich in Ahrensburg und einmal monatlich in Bargteheide angeboten.
Reform des Insolvenzrechts stellt Berater vor Herausforderung
Insgesamt 486 neue Anfragen von Familien, Einzelpersonen sowie Gewerbetreibenden erreichten die Beratungsstelle im Jahr 2014. Dass im Schnitt nur jede vierte Anfrage auch in eine ausführliche Beratung mündet, ist laut Schuldnerberater Derlin auf einen erfreulichen Umstand zurückzuführen: „Oft kann ein Problem bereits am Telefon gelöst werden“, sagt der 61-Jährige. Gelingt das nicht, folgen Beratungsgespräche im Büro in Bad Oldesloe. Insgesamt 1303 Gespräche führten die Stormarner Schuldnerberater im vergangenen Jahr. In komplexeren Fällen bemüht sich die Beratungsstelle um eine Vollmacht. So kann sie die Schuldner auch gegenüber deren Gläubigern vertreten.
Eine Herausforderung für die Schuldnerberater war im vergangenen Jahr die Reform des Insolvenzrechts. Seit dem Sommer kann ein Privatinsolvenzverfahren unter bestimmten Voraussetzungen von zuletzt sechs auf drei beziehungsweise fünf Jahre verkürzt werden. Das habe Hoffnungen geweckt und zusätzliche Beratungen nötig gemacht, heißt es dazu im Jahresbericht.
Im Bericht sind viele Einzelfälle geschildert
Was die Drei-Jahre-Regelung angeht, geben sich die Schuldnerberater skeptisch. In dieser Zeit müsse der Schuldner 35 Prozent der Schuldensumme sowie die gesamten Kosten des Verfahrens zahlen. Das sei „für die meisten Schuldner illusorisch“. Eine Verkürzung auf fünf Jahre, innerhalb derer lediglich die Verfahrenskosten von rund 1500 bis 3000 Euro zu zahlen sind, sei eher umsetzbar.
Neben vielen Zahlen liefern die Schuldnerberater in ihrem Jahresbericht auch Einzelbeispiele – in anonymisierter Form. So wird die Geschichte einer Familie aus Bad Oldesloe erzählt: Mutter und Vater sind Mitte 30, die Kinder vier und elf Jahre alt. Durch Gehalt und Kindergeld kommt die Familie auf rund 1300 Euro Einkommen im Monat. Die Kredite für das Auto und eine gescheiterte Selbstständigkeit der Frau drücken schwer, die Familie hat mehr als 10.000 Euro Schulden.
Hauptursache für eine Überschuldung war im vergangenen Jahr eine „unwirtschaftliche Haushaltsführung“ (28 Prozent). „Einfach ausgedrückt: Ein Mensch kann nicht mit Geld umgehen und kauft Dinge, die er sich nicht leisten kann“, erklärt Siegward Derlin von der Beratungsstelle.
Auch niedrige Zinsen beim Hauskauf können zur Schuldenfalle werden
Auch mit der Oldesloer Familie setzen sich die Schuldnerberater zusammen und erstellen einen Haushaltsplan. Überflüssige Versicherungen werden gekündigt, das Budget für Alkohol und Zigaretten gekürzt. Die Eltern des Mannes erklären sich schließlich bereit, die fälligen Kredite zu übernehmen. Auch um die Rückzahlung innerhalb der Familie kümmert sich die Beratungsstelle.
Bei den Hauptursachen für eine Überschuldung folgen laut Jahresbericht an zweiter Stelle eine Trennung, Scheidung oder der Tod des Partners (19,7 Prozent). Wenn ein Mensch plötzlich allein leben müsse, sei oft die veränderte Wohnungssituation Ursache der Schulden, so Derlin.
Immobilien hält der langjährige Schuldnerberater momentan für eine besondere Schuldenfalle. „Angesichts der niedrigen Zinsen schauen die Menschen nur noch auf die monatlichen Raten und nicht mehr auf den Kaufpreis“, warnt Derlin. Er rät daher, gründlich zu kalkulieren und die Zinsen für einen langen Zeitraum festzuschreiben.