Ahrensburg . Abbruch des Gebäudes an Manhagener Allee hat begonnen. Investor kritisiert Vorgabe der Politik. Nachbau der Front wäre günstiger.
Auf dem Gelände der ehemaligen Ahrensburger Klinik steht ein großer Bagger. Vor und neben dem grauen Gebäude türmen sich Schuttberge. Polier Mike Hodam koordiniert die Arbeiten am ehemaligen Krankenhaus. Und er sagt dem Baumaschinenführer Siegmund Reddig, was er tun soll. Das Gebäude wird weitgehend abgerissen, ebenso die angrenzende ehemalige Rettungswache. Die Reste beider Häuser werden in das Bauvorhaben „Fasanenhof“ der Sparkassen-Immobilien-Gesellschaft Holstein (SIG) integriert.
Denn damit das Straßenbild erhalten bleibt, hat die Ahrensburger Politik die Bebauung nur unter der Auflage genehmigt, dass die Fassaden der alten Rettungswache und der ehemaligen Klinik – früher einmal das Ausflugslokal „Fasanenhof“ – erhalten werden. „Die Fassaden sind so marode, dass der Erhalt extrem aufwendig ist“, sagt Bauleiter Reinhard Niegengerd. Bevor mit dem eigentlichen Abriss begonnen werden kann, muss die Außenmauer abgestützt werden, damit sie sicher steht und nicht beschädigt wird oder gar einstürzt. Außerdem muss ein Fledermausspezialist kommen und Tiere, die eventuell noch in dem Gebäude hausen, vertreiben.
Niegengerd rechnet damit, dass am Mittwoch oder Donnerstag mit dem Abbruch hinter der Fassade begonnen werden kann. „Die Fassade muss tiefer gegründet werden“, sagt der Bauingenieur. Das Mauerwerk, das sonst durch Decken und Seitenwände gehalten wird, ist während der Zeit des Abrisses und Neubaus Wind und Wetter ausgesetzt. „Auf sie wirken enorme Kräfte durch Winddruck und Windsog“, erklärt Fachmann Niegengerd.
Mauer muss 14 Tonnen Windkraft und 80 Tonnen Eigengewicht aushalten
Das knapp 20 Meter lange Stück Mauerwerk muss der Windkraft von etwa 14 Tonnen standhalten, dazu kommt noch sein Eigengewicht von rund 80 Tonnen. Niegengerd: „Um die Standsicherheit zu gewährleisten, verklammern wir die Risse und bauen eine Stützkonstruktion.“ Dazu werden alte, rostige Stahlstangen parallel zur Fassade in etwa 50 Zentimeter Abstand vor das Mauerwerk gesetzt. Befestigt werden sie mit Stahlhalterungen, die durch die Wand gebohrt und fixiert werden. An diese Stangen werden schräg weitere Stahlstangen gesetzt, die die Fassade abstützen. Untergründig sorgt ein Schwerlastfundament aus Beton, das extra zu diesem Zweck gelegt wird, für Halt. In diesem Fundament werden die Stahlstangen verankert.
„Das Problem bei der Fassadenerhaltung ist, dass das Mauerwerk innen und oben nie der Witterung ausgesetzt war“, sagt Niegengerd. „Das wird jetzt freigelegt und muss geschützt werden.“ Daher werden die Mauern mit Schutzfolien abgedeckt. Dem 62-Jährigen macht das Bauen, Planen und Koordinieren Spaß, gerade wenn es besondere Herausforderungen gibt. Er sagt: „Die größte Herausforderung bei dieser Baustelle ist die Fassadensicherung und die Logistik der An- und Abfahrt der Lastwagen.“ Bis voraussichtlich Ende März kommenden Jahres wird der Fuß- und Radweg vor der Baustelle komplett gesperrt. Der Straßenverkehr soll weiter normal fließen. „Aber durch ein- und ausfahrende Lastwagen kann es zu Behinderungen kommen“, räumt Niegengerd ein.
Das Gesamtprojekt wird nach Angaben von Matthias Bernhard, Geschäftsführer der SIG, rund elf Millionen Euro kosten. Allein der Erhalt und die Sicherung der Fassade machten Kosten in Höhe von mehreren Hunderttausend Euro aus. „Es wäre viel günstiger gewesen, wenn wir die Fassaden abgerissen und genau so, wie sie jetzt aussieht, wiederhergestellt hätten“, sagt Bernhard. Auch aus energetischen Gründen wäre diese Vorgehensweise sinnvoller gewesen, sagt er. Dann hätten die Mauern nach neuestem technischen Stand gedämmt werden können. Nun müsse das von innen geschehen, was aufwendiger und teurer sei. „Die Fassaden sind total brüchig“, sagt der SIG-Chef, „ein Plagiat wäre besser gewesen.“
Bis August 2016 sollen auf dem Gelände 29 Eigentumswohnungen entstehen. Zehn seien bereits verkauft, sagt Matthias Bernhard. Der Quadratmeterpreis der 53 bis 169 Quadratmeter großen Wohnungen liege bei etwa 3500 Euro. Ein Tiefgaragenplatz koste 17.500 Euro, 29 werde es geben. Anfang Juni soll mit dem Rohbau begonnen werden.
Mehr als 100-jährige Geschichte
Die beiden Villen wurden um 1900 erbaut. Das linke Haus, der 1899 errichtete „Fasanenhof“ mit Türmchen und Erkern, war in den ersten Jahren ein Ausflugslokal. Während des Ersten Weltkrieges war es zunächst Lazarett und wurde später zur Klinik ausgebaut.
1986 pachtete Klaus Frenzel die Klinik und leitete sie bis 2005. Er baute das Krankenhaus zu der Größe aus, die es bis zu seiner Schließung vor vier Jahren hatte. Das seinerzeit moderne Ambulante Zentrum, das unter anderem Chirurgie, Anästhesie, Orthopädie und Allgemeinmedizin vorhielt, war mit 37 Betten im Krankenhausplan des Landes verzeichnet.
1976 kam die Klinik durch einen prominenten Patienten in die Schlagzeilen. Der Bundesaußenminister und FDP-Vorsitzende Hans-Dietrich Genscher hatte während eines Wahlkampfauftritts einen Schwächeanfall erlitten und wurde in die Ahrensburger Klinik eingeliefert. Das Abendblatt schrieb auf Seite 1: „Sorge um Genscher: Zu dem geplanten Auftritt in Ahrensburg erschien der Minister nicht.“
2005 kaufte Hans-Heinrich-Rüschmann, der Gründer der Park Klinik Manhagen, das Gelände. Nachfolger von Dr. Frenzel wurde als neuer Pächter und alleiniger Betreiber der Orthopäde und Unfallchirurg Martin Zellner. Im Juni 2011 wurde der Klinikbetrieb eingestellt, als der Pachtvertrag auslief. Daraufhin lag das Grundstück brach, die Gebäude verfielen.