Trittau. Bei der 32. ADAC Stormarn Rallye fuhr Walter Röhrl als Ehrengast mit. Anlass für ein paar Fragen rund ums Autofahren und Antworten zum Tanzen.
Wenn eine Rallye-Legende nicht Rallye fährt, dann fährt sie Tretroller. Allerdings nur, wenn sie überredet wird. „Zuletzt bin ich als Kind mit so einem Gefährt unterwegs gewesen“, sagt diese Rallye-Legende dann und zieht eine schwungvolle Rechtskurve. Die Tretroller-Abstinenz ergibt natürlich Sinn. Hätte Walter Röhrl die vergangenen 50 Jahre seines Lebens mit den beinkraftbetriebenen Zweirädern verplempert, dann wäre der 68-Jährige heute wohl nicht diese Rallye-Legende, die in Trittau ausnahmsweise Tretroller fährt. Am Sonnabend war Röhrl zudem Ehrengast bei der 32. Stormarn Rallye des MSC Trittau.
Dass er trotzdem sofort gut mit dem Roller kann, mag daran liegen, dass die Kombination aus Perfektion und Geschwindigkeit den Mann fasziniert. „Das Auto war zu meinen guten Zeiten ein Körperteil von mir, so wie mein kleiner Finger“, sagt er und wedelt mit demselbigen. Das war wohl in den 80er-Jahren, da feierte Röhrl mit seinem Beifahrer Christian Geistdörfer große Erfolge: Zweifacher Rallye-Weltmeister ist das Team geworden, viermal haben die beiden das Rennen in Monte Carlo gewonnen. Röhrl wurde von Kollegen zum „besten Rallyefahrer des Millenniums“ gewählt.
55 Teams fuhren bei der 32. Stormarn Rallye mit
nullUnd wie es sich für einen Star der Szene gehört, ist Röhrl kurz vor dem Start der Rallye in Trittau nicht zu sehen. Denn auf dem Parkplatz des Autohaus Opel Rohlf umzingeln rund 200 Fans ihr Idol und den 500 PS starken Audi Quattro S 1 (Baujahr 1985), den Röhrl fahren wird. Jeannot Guth, Gründer des einzigen Walter-Röhrl-Fanclubs, und Freundin Marianne Schwartz recken die Hälse, um einen Blick auf Röhrl zu werfen. Vergebens. Sie sind extra aus Luxemburg angereist.
Kurz darauf verschwindet der 68-Jährige aber sowieso im Audi. Langsam steuert Röhrl das gelb-weiße Auto an die Startlinie. Der Motor röhrt, knattert und dann rollt der Audi Quattro um die Kurve und auf die Straße – ganz gemütlich. Noch einige Kilometer muss er mit dem Sportwagen zurücklegen, bis das eigentliche Rennen beginnt.
„Wo ich nun älter bin, versuche ich mich zeitweise zu entschleunigen“, sagt Röhrl. Das sei ja auch modern momentan, das Entschleunigen. „Aber viele Menschen, die Sachen bewusst langsamer erledigen, waren wohl auch nie schnell“, sagt er und ist einfach ein bisschen neidisch. Das Entschleunigen fällt Röhrl nämlich schwer. „Golf sollte man langsam machen, deswegen bin ich daran auch gescheitert“, sagt er und lacht.
nullBei der Stormarn Rallye muss Röhrl niemanden etwas beweisen. Er fährt in dem sogenannten Vorabwagen, nimmt an der Wertung nicht teil. Sein Beifahrer, Klaus Hartjen, Ehrenpräsident des MSC Trittau, ist dennoch vor dem Rennen mächtig aufgeregt. „Ich freue mich sehr, mit Walter Röhrl mitfahren zu dürfen“, sagt er. Und trotz aller Geschwindigkeit – auf dem Beifahrersitz sitzt es sich neben Röhrl am gemütlichsten. „Ich bin ein ganz miserabler Beifahrer“, sagt der. Nur bei einigen seiner Freunde nimmt er auf dem Beifahrersitz Platz – und bei seiner Ehefrau Monika. Da gebe es dann auch eine klare Rollenverteilung. „Meine Frau fährt in der Stadt, das kann sie besser. Ich fahre alle Strecken außerorts und auf der Autobahn. Aber das ist langweilig, weil es keine Kurven gibt.“ Mit Fremden fahre er nicht mit, nicht mehr. „Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die dann besonders schnell und riskant fahren. Sie wollen mir wohl imponieren“, sagt Röhrl. Und so ein Satz hört sich bei Walter Röhrl erstaunlicherweise ziemlich bescheiden an.
Röhrl fährt außerhalb der Wertung als sogenannter Vorabwagen
nullAuch bei der Rallye will er nicht auftrumpfen. „Es macht einfach Spaß, ab und zu mitzufahren.“ Insgesamt geht es über 160 Kilometer über Stormarns Straßen. An vier Orten sind Parcours für die Rallye abgesperrt. Dort, in Trittau, Finkhorsterberg, Steinburg-Mollhagen und Barsbüttel-Stemwarde, geht es auf Zeit. 35 Kilometer sind es. „An einigen Streckenabschnitten kann man schon so um die 200 km/h fahren“ sagt Röhrl und meint mit „man“ natürlich sich und die anderen 55-Profi-Teams, die teilnehmen.
Völlig angstfrei sollten die Profis nicht mit ihren Autos über den Asphalt brausen. „Angst ist ganz gut beim Rallye-Sport“, sagt er, „deswegen bin ich so alt geworden.“ Heute arbeitet Röhrl bei Porsche. Er ist Testfahrer und in der Entwicklung. „Jetzt, wo die Restlaufzeit nicht mehr so lange ist, da hänge ich mehr an meinem Leben. Früher habe ich nicht soviel darüber nachgedacht.“
Der Angstpegel einiger Zuschauer in der Spitzkurve am Stemwarder Streckenabschnitt unterdessen liegt bei Null. Noch nachdem die Strecke geschlossen wurde rennen Fans über die Straße – trotz der Rügen der Damen vom Streckenposten. Und die sind nach fünf Minuten, die sie mit Meckern verbringen mussten, entsprechend genervt. „Ich mache mir da jetzt keine Sorgen mehr, die sind doch selbst schuld,“, sagt eine der Damen, ihre Stimme ist betont kraftlos.
Es gebe die Momente, sagt Walter Röhrl, in denen sich das ganze Leben noch einmal vor dem geistigen Auge abspult. „Das ist kein Mythos.“ Er hat das erlebt – zwei Mal. „Beide Unfälle waren bei der Rallye in San Remo. Einmal sind wir (Geistdörfer und Röhrl, Anm. der Red.) mit dem Wagen abgehoben und auf einem Hausdach gelandet.“ Das andere Mal haben die beiden sich mit dem Wagen mehrfach überschlagen, an einem Berghang. „Es war pures Glück, dass wir nicht Berg hinab, sondern hinauf gerollt sind“
Sieger der Rallye sind Jan Becker und Beifahrer Matthias Ahlers
In Stemwarde haben mittlerweile alle Zuschauer, die risikobewussten wie die vorsichtigen, einen Platz an den Absperrungen ergattert. Rund 200 Menschen sind es und sie warten. Tatsächlich sind dann die Rallyewagen, als sie vorbeiflitzen, länger zu hören, als zu sehen. Wenige Sekunden brauchen die Fahrer für die Spitzkurve und verschwinden mit ihrem PS-Boliden wieder. Keiner gerät mit seinem Wagen ins Schleudern, keiner lässt die Räder durchdrehen oder den Motor unnötig aufheulen. „Einen guten Autofahrer macht aus, dass er sich nur aufs Autofahren konzentriert“, sagt Röhrl. Ein guter Autofahrer tippe nicht auf seinem Handy oder sei in den Gedanken bei der oder dem Liebsten. Die besten Autofahrer des Tages nach Punkten sind übrigens Jan Becker und Beifahrer Matthias Ahlers (Startnummer 2).
Doch auch gute Autofahrer haben mal Pech: Bei dem letzten Wertungsparcours der Stormarn Rallye sind Röhrl und Beifahrer Hartjen nämlich nicht mehr dabei. Kein Unfall, sondern ein Defekt an der Hinterachsbremse des Audis ist der Grund für das verfrühte Aus der Legende. Das wird Röhrl, der sich mächtig geärgert hat, nicht aufhalten. Und dafür gibt es einen gewichtigen Grund: „Ich habe meiner Frau versprochen, dass ich mit ihr einen Tanzkursus besuche, wenn ich ganz mit den Rallyes aufhöre. Das kann ich nicht riskieren.“