Trittau. Die Stipendiatin der Sparkassen-Kulturstiftung Stormarn, Lily Wittenburg, stellt ihre Werke in der Trittauer Wassermühle aus.

In der Mitte des abgedunkelten Raumes steht ein etwa 1,50 Meter hohes Metallgestell mit vier Füßen. Zwei Glasplatten sind in einem rechten Winkel zueinander in der Mitte befestigt. Sie sind mit lilafarbenem und blauem Glaslack bemalt. Die Farben fließen ineinander, ähnlich wie auf einem Aquarellbild. Sie sind längst getrocknet, doch in dem gedämpften Licht des Raumes wirken sie, als seien sie noch in Bewegung. Zwei Scheinwerfer sind auf die Installation gerichtet. Ihr Licht wirft die Farben auf den Glasplatten wie bei einem Projektor auf die Wand.

„Das ist eine skulpturale Arbeit,“ erklärt die Künstlerin Lily Wittenburg ihr Werk. „Man muss sich beim Betrachten bewegen, um die Form und Wirkung vollständig erfassen zu können“. Und tatsächlich: Aus einem anderen Blickwinkel sieht es so aus, als würden die beiden Glasplatten, die sich gegenseitig spiegeln, einen dreidimensionalen Raum bilden.

Lily Wittenburg ist die aktuelle Stipendiatin der Sparkassen-Kulturstiftung Stormarn. Seit Mai vergangenen Jahres hat die 31-Jährige in der Trittauer Wassermühle und dem angrenzenden Atelier gelebt und gearbeitet. Ab Sonnabend, 28. März, präsentiert sie hier ihre Abschlussausstellung mit dem Titel „Odessa Theda Stein“. Zu sehen sind Arbeiten auf Papier wie Zeichnungen, Fotografien, Scans und Chromatographien sowie Lichtinstallationen. Chromatographie ist ein chemisches Verfahren, bei dem Farbstoffe in ihre verschiedenen Bestandteile aufgespaltet werden. In diesem Fall sind dabei bunte Bilder mit fließenden Formen entstanden. Eröffnet wird die Ausstellung am Sonnabend um 16 Uhr im Atelierhaus von Martin Lüdiger, Vorstandsvorsitzender der Sparkassen-Kulturstiftung Stormarn.

Warum Odessa? Das verrät die Künstlerin nicht

Den Titel der Ausstellung erklärt Wittenburg so: „Odessa beschreibt einen Ort, Theda ist die mathematische Beschreibung eines Zustands in der Geometrie, und ein Stein ist ein Gegenstand.“ Damit stelle der Titel verschiedene Ebenen oder Themen dar, mit denen sie sich in ihrer Zeit in Trittau beschäftigt habe. Warum sie ausgerechnet die ukrainische Hafenstadt Odessa erwähnt, möchte die Künstlerin nicht sagen.

Im Mittelpunkt vieler Arbeiten stehen physikalische Phänomene wie Licht und die Untersuchung von Eigenschaften bestimmter Flüssigkeiten und Materialien. Wittenburg interessiert sich für die Effekte, Brechungen und Aufspaltungen, die entstehen, wenn sich zum Beispiel Lichtquellen treffen oder Flüssigkeiten miteinander in Kontakt treten. „Ich beschäftige mich viel mit Physik, habe aber eine ganz eigene Herangehensweise“, sagt Wittenburg. „Es geht mir vor allem um die philosophische Komponente. Meine Kunst ist eine Form von abstrakter poetischer Physik.“ Was in der Theorie hochphilosophisch klingt, erinnert in der Praxis an Motive aus den modernen Naturwissenschaften: bunte Lichtpunkte, geometrische Linien und undefinierbare Farben und Formen wie Bilder von einem Mikroskop.

Wittenburg möchte sichtbar machen, was sonst unsichtbar bleibt. Mithilfe eines Scanners hat sie zum Beispiel Staub und andere Partikel aufgenommen, die in der Luft enthalten sind. Das entstandene Bild sieht aus wie ein Foto aus dem Weltraum mit unzähligen kleinen Sternen.

Wittenburg arbeitet am liebsten nachts

In ihrer Zeit in der Trittauer Wassermühle hat Wittenburg täglich an ihren Werken gearbeitet. „Meistens arbeite ich nachts“, sagt die gebürtige Dannenbergerin. „Dann bin ich inspirierter, und außerdem ist es für meine Lichtinstallationen besser, wenn es dunkel ist. Am liebsten würde ich die Ausstellung auch nachts eröffnen.“ Das Stipendium habe ihr ermöglicht, sich in Ruhe und mit höchster Konzentration ihrer Kunst zu widmen. „Ich war nicht nur fokussiert, sondern geradezu fixiert“, sagt sie. Wie es nach Trittau mit ihr weitergeht, weiß Wittenburg noch nicht genau. Zunächst möchte sie in Berlin leben und dort hauptsächlich schriftstellerisch tätig sein. Einen weiteren Förderpreis hat sie bereits in Aussicht. „Das ist aber noch nicht spruchreif“, sagt Wittenburg. Auf die Frage, was sie sich von der Ausstellung und für ihre berufliche Zukunft erhoffe, sagt sie: „Ich möchte nicht unbedingt berühmt werden. Ich denke auch nicht in Erfolgskategorien. Alles, was ich möchte, ist gute Arbeit zu machen.“

Die Sparkassen-Kulturstiftung Stormarn fördert seit 1992 bildende Künstler mit dem Kunststipendiums in der Trittauer Wassermühle. Neben einem finanziellen Zuschuss zum Lebensunterhalt stellt die Stiftung den Stipendiaten die Wohnung in der Mühle und das zugehörige Atelier zur Verfügung. Zur diesjährigen Ausstellung erscheint das Buch „Der gesprengte Raum“. Die Autoren Hans-Christian Dany und Catrin Lorch beschreiben darin die Werke und die künstlerische Arbeitsweise Lily Wittenburgs. Das Buch erscheint im Starship Verlag und kostet 14 Euro.

Die Ausstellung „Odessa Theda Stein“ ist von Sonnabend, 28. März, bis Sonntag, 26. April, in der Wassermühle (Am Mühlenteich 3a) in Trittau zu sehen. Am Sonnabend, 4. April, ab 15 Uhr gibt es ein Künstlergespräch.