Bad Oldesloe. Jobcenter in Bad Oldesloe kürzt 35-jähriger Ex-Stripperin ihre Bezüge, weil sie angeblich weiterhin Einkommen bezieht. Lena R. fühlt sich ungerecht behandelt, zieht vor Gericht und scheitert. Jetzt soll eine Kundgebung vor der Behörde helfen

Am Donnerstag wird Lena R. zusammen mit Jürgen Weber und anderen Mitstreitern zum Jobcenter am Berliner Ring in Bad Oldesloe gehen. Häufig ist sie schon allein hier gewesen, hat sich ungerecht behandelt, schikaniert und der Willkür ihrer Sachbearbeiter ausgesetzt gefühlt. Seit Mai 2014 werden ihre Leistungen gekürzt. Sie ist vor das Sozialgericht Lübeck und vor das Landessozialgericht Schleswig-Holstein gezogen. Im Februar dann der Schock für die 35-jährige gebürtige Ukrainerin: Keinen Cent bekommt sie seitdem vom Jobcenter. Sie überlebt dank der Hilfe von Freunden und dank dem Verein „Hartz IV Betroffene“.

Im vergangenen September wendet sich Lena an den Verein und lernt dessen Vorsitzenden Jürgen Weber kennen. Weber hört sich Lenas Geschichte an und ist empört. „Was da passiert, ist unter Niveau“, sagt er. Zehn Jahre ist Weber schon als Berater tätig. Ehrenamtlich, denn Weber berät mit „Inneneinsicht“, er ist schon seit Jahren selbst auf die Sozialleistung angewiesen. Der Fall von Lena R. macht Weber besonders wütend. „Es ist eine Geschichte, die unbedingt veröffentlich werden sollte“, sagt er.

Darin geht es um einen Bescheid über Sozialleistungen vom 1. Mai vergangenen Jahres. Dort taucht nämlich auf einmal ein fiktives Einkommen von 174,06 Euro auf, das der Sachbearbeiter des Jobcenters errechnet habe. Und: Um das die Bezüge von Frau R. ab jetzt gekürzt werden. „Ich konnte kaum glauben, was da in dem Bescheid stand“, sagt Jürgen Weber. Ohne jeglichen Beweis seien Frau R. Einnahmen angerechnet worden, die sie nie hatte. Besonders delikat wird die Angelegenheit vor dem Hintergrund ihrer ehemaligen Arbeit. „Sie hatte vorher gestrippt und wollte im vergangenen Jahr raus aus dem Milieu“, sagt Weber. „Ich habe eine eidesstattliche Erklärung abgegeben, dass ich nicht mehr in dem Gewerbe arbeite“, sagt Lena R., „man hat mir aber nicht geglaubt, dass ich damit aufhöre.“ Weil sie so sparsam lebt, habe man beim Jobcenter Verdacht geschöpft, ob sie nicht irgendwo noch andere Bezüge bekäme.

Klage vor dem Landessozialgericht abgewiesen

„Gegen den Bescheid stellte Frau R. Antrag auf einstwilligen Rechtsschutz beim Sozialgericht Lübeck“, sagt Jürgen Weber. „Dass sie nicht mehr im Milieu arbeitet, interessierte aber weder das Jobcenter noch das Sozialgericht in Lübeck.“ Auch eine Klage vor dem Landessozialgericht wurde abgewiesen. Die Begründung bleibt die gleiche. „Sie könne nicht nachweisen, dass sie keine weiteren Einnahmen mehr hat“, sagt Weber, und er geht noch einen Schritt weiter: „Indirekt fordert das Jobcenter Frau Lena R. auf, sich weiter zu prostituieren.“

„Wir zwingen niemanden zu einem bestimmten Beruf“, sagt die Leiterin des zuständigen Jobcenters Doris Ziethen-Rennholz. Zu dem Fall von Lena R. dürfe sie aus datenschutzrechtlichen Gründen keine Aussagen machen, aber den Vorwurf, einer ihrer Mitarbeiter zwinge einen Kunden in die Prostitution, hält sie für nicht haltbar.

„Die Einkommens- und Vermögensprüfung ist etwas Persönliches“, sagt Ziethen-Rennholz. Grundlage seien die Kontoauszüge der Antragsteller: Werden dort Einzahlungen festgestellt oder dass kein Geld für den Lebensunterhalt abgehoben wird, dann müssen sich Leistungsempfänger rechtfertigen. „Wenn kein Geld abgehoben wird, um den Lebensunterhalt zu bestreiten“, sagt Ziethen-Rennholz, müsse man vermuten, dass es irgendwo noch andere Quellen gebe. „Wenn Zweifel aufkommen“, sagt die Leiterin, „dann wird die Leistung gekürzt.“ Jeder Kunde des Jobcenter habe jedoch die Chance, seine Ausgaben zu erklären. „Außerdem kann vor dem Sozialgericht auch Widerspruch gegen den Bescheid eingelegt werden“, sagt Ziethen-Rennholz. Damit sei die Entscheidung dann auch weiter abgesichert.

Obwohl ihr Widerspruch bereits in zwei Instanzen abgelehnt wurde, ist die Sache für Lena R. klar: „Das Jobcenter schuldet mir Geld“, sagt sie, „und zwar mehrere Tausend Euro.“ Sie geht davon aus, dass sie im Recht ist. „Seit einem Jahr bin ich mit dieser Sache beschäftigt.“ Jetzt, so hofft sie, könnte die Sache endlich zu einem Ende kommen. Dann will sie gern als Masseurin oder medizinische Bademeisterin arbeiten. „Ich habe drei Jahre lang beim Jobcenter um eine Umschulung gebeten“, sagt sie, „leider ohne Erfolg.“

Nun also eine Kundgebung am Donnerstag. Um 9 Uhr ist Treffen vor dem Jobcenter in Bad Oldesloe (Berliner Ring 8–10). Geplant sind Redebeiträge, außerdem wird Jürgen Weber übers Arbeitslosengeld II beraten. „Wir wollen Widerstand zeigen, uns organisieren und vor allem zeigen, dass wir uns wehren können“, sagt Lena R. Ähnliche Fälle gebe es genug. Nach der Kundgebung wollen sie die gesammelten Forderungen von Betroffenen an die Leitung des Jobcenters übergeben.