Ladenbesitzer in Glinde lässt sich Einbruchsschutz-System vorführen, das immer beliebter wird. Dabei werden die Einbrecher vernebelt.
Glinde. Die Täter hatten vermutlich auf schnelle Beute gehofft: Zigaretten und Schnaps aus den Auslagen der Tankstelle. Doch nachdem sie um kurz nach 4 Uhr früh im Dezember vergangenen Jahres die Glastür der HEM-Tankstelle an der Möllner Landstraße (Oststeinbek) eingeschlagen hatten, ließen sie schnell von ihrem Vorhaben ab. Dichter Nebel füllte in Sekundenschnelle den kompletten Verkaufsraum. Nur wenige Wochen später erging es den Tätern an einer Star-Tankstelle an der Holsteiner Chaussee in Hamburg-Schnelsen ebenso. Kaum hatten sie einen Gullydeckel in die Schiebetür zum Verkaufsraum geworfen, löste die Alarmanlage aus – und die brachialen Tankstelleneinbrecher sahen sich mit einer scheinbar undurchdringlichen weißen Wand konfrontiert. Sie flüchteten ohne Beute – und ohne den Verkaufsraum überhaupt betreten zu haben.
Angesichts überschaubarer Erfolge der Polizei im Kampf gegen Einbrecher setzen immer mehr Ladenbesitzer auf diese Vernebelungstaktik. Vor allem Tankstellen, die von den Gullydeckel-Banden bequem mit dem Fluchtauto angefahren werden können, werden zunehmend so geschützt. Aber auch Elektronikfachgeschäfte und Juweliere setzen die Technik immer häufiger ein, die es laut Hersteller Bandit schon seit gut 20 Jahren gibt. Dieses Unternehmen hat seine Anlage europaweit bereits 80.000-mal verkauft.
Die Polizei Glinde ließ sich jüngst die Technik vorführen. „Das System hat mit Sicherheit eine abschreckende Wirkung“, sagt Polizeikommissar Bernd Jürgens, der sie selbst erlebt hat. „Man steht tatsächlich wie vor einer Wand und sieht nichts mehr.“
Bei den Anlagen löst ein Sensor für Bewegungen oder Glasbruch den Nebelgenerator aus. Der versprüht aus mehreren Düsen unter Hochdruck und großer Hitze ein Aerosol, ein Gemisch aus festen oder flüssigen Schwebeteilchen und einem Gas. Das Gemisch bindet immer mehr Feuchtigkeit in der Luft, und binnen Sekunden entsteht eine dichte Nebelwand. Der Sicherheitsnebel ist farblos, hinterlässt keine Spuren und ist auch gesundheitlich unbedenklich. Um Verwechslungen mit Rauch zu vermeiden, wird ihm Minzduft beigemengt.
Einbrechern die Sicht vernebeln – das ist auch Nils Olbrichts Ziel, der als Geschäftsführer des DWA Sicherheitsdienstes Nebelgeneratoren als Einbruchsschutz vertreibt. Der Glinder will die Anlage an diesem Tag Dariusch Pasdar in dessen Telefonladen am Markt vorführen. Mein Ziel als Redakteurin: ein Foto vom Ausbreiten des Nebels im Innern des Geschäfts und eines von außen durch die Schaufensterscheibe des Telekom Shops. Soweit der Plan. Doch Nils Olbricht grinst, als ich dies ankündige. „Das schaffen Sie nicht“, stellt er fest. „Sie werden gleich die Tür nicht mehr finden.“ Ich glaube ihm kein Wort.
„Ich finde das System interessant“, sagt Pasdar. „Mein Laden ist allein aus Versicherungsgründen bereits alarmgesichert. Aber neulich habe ich eine ähnliche Anlage gegen Pkw-Aufbrüche in einem Auto gesehen.“
Nils Olbricht zeigt ein Video auf seinem Laptop: Dort wird eine Lagerhalle eingenebelt – zugegeben: ziemlich schnell. „Wir schaffen 500 Kubikmeter in 18 Sekunden“, erklärt er. Na gut. Ich stelle mich etwa einen Meter vor der Tür auf. Der Verkaufsraum ist ja überschaubar – vielleicht 14 Quadratmeter, ein schmaler Schlauch mit einer Glasfassade direkt zum Marktplatz.
Olbrichts Einsatzleiter Sven Peters bittet um ein Blatt Papier, das er unter und vor den Generator legt. „Es kann sein, dass sich auf dem Tisch sonst Nässe niederschlägt“, erklärt er. Dann geht’s los: Mit 19 Bar zischt das Aerosol aus drei Düsen aus dem Generator. Einmal kommt der Blitz meiner Kamera noch mit, dann dauert es Bruchteile von Sekunden, bis dichte Wolken auf mich zuschießen, links ist noch kurz eine karierte Schulter zu erkennen, nach vier Sekunden bin ich von waberndem Weiß eingehüllt – und sehe nichts.
Mit einem leichten Minzgeschmack auf der Zunge taste ich mich nach draußen und bin erleichtert, als die Orientierungslosigkeit allmählich wieder bunten Bildern weicht: Auf dem Markt eilen Passanten herbei. Sie wollen wissen, was passiert ist. Die Schwaden ziehen über den Platz. Der Laden aber ist immer noch mit weißem Nebel gefüllt.
45 Minuten dauert es, bis er abgezogen ist, erklärt Sven Peters. Der Nebel sei gesundheitlich unbedenklich, auch für Asthmatiker. 2600 Euro inklusive Umsatzsteuer kostet die Anlage. Dariusch Pasdar hat sich noch nicht entschieden.