Bundesweit haben sich 13.000 weniger Menschen beworben. Vor allem die über 27-Jährigen haben offenbar keine Lust oder Zeit mehr, sich zu engagieren. Das gilt auch für Stormarn.
Ahrensburg. Immer weniger Menschen in Stormarn entscheiden sich für den Bundesfreiwilligendienst (BFD). Laut Initiative für Jugendförderung ist die Zahl der sogenannten Bufdis im Vorjahr bundesweit auf 37.900 gesunken – 13.000 weniger als im Vorjahr. Bei den über 27-Jährigen hat sich die Zahl auf 9500 mehr als halbiert. Im Gegensatz zum Freiwilligen Sozialen Jahr (FSJ) gilt für den BFD keine Altersbeschränkung.
„Anfragen von über 27-Jährigen haben wir bislang nicht feststellen können“, sagt Stefan Schröder, Sprecher der Arbeitsagentur Bad Oldesloe. Im dortigen Berufsinformationszentrum liege Info-Material, außerdem gibt es Veranstaltungen zum Thema. Die besuchen in erster Linie junge Menschen, die die Zeit bis Ausbildung oder Studium überbrücken wollen. Schröder vermutet, dass es zu wenig bekannt sei, dass der Dienst keine Altersgrenze hat. „Hinzu kommt, dass bei Älteren der finanzielle Aspekt, Einkommen und Lebensunterhalt, weiter im Vordergrund steht.“
Auch bei Torsten Bierbach, Produktionsleiter der Stormarner Werkstätten in Ahrensburg, hat sich noch kein älterer BFD-Bewerber gemeldet. „Vor 2011 hatten die Werkstätten bis zu 16 Zivis“, sagt der Betriebswirt, der seinen Zivildienst ebenfalls in einer Behinderteneinrichtung absolviert hat. In diesem Jahr konnte er gerade einmal sechs von zehn BFD-Stellen besetzen.
Damit ist die Behindertenwerkstatt keine Ausnahme in Schleswig-Holstein. Nach aktuellen Zahlen sind 86 Prozent aller Bufdis im Land unter 27. Dieser Trend ist in allen alten Bundesländern zu beobachten. Einen Kontrast dazu bilden die neuen Bundesländer: In Thüringen sind aktuell 80 Prozent der Freiwilligen über 27 Jahre alt, die Hälfte davon im Alter von 51 bis 60. In Schleswig-Holstein macht diese Altersgruppe gerade mal vier Prozent aus.
„Einen Bedarf für zusätzliche Werbung im Personenkreis der über 27-Jährigen sehen wir zur Zeit nicht“, sagt Antje Mäder, Sprecherin des verantwortlichen Bundesamts für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben. Sie relativiert auch die Statistik. „Die reinen Antrittszahlen sind wenig geeignet, um den Verlauf und die Entwicklung des Bundesfreiwilligendienstes zu beurteilen“, sagt Mäder.
Die Jahresdurchschnittszahlen, die aktive Freiwillige berücksichtigen, seien im vergangenen Jahr auch für die höhere Alstergruppe gestiegen. „Die Nachfrage ist nach wie vor sehr hoch“, sagt Mäder, „es gibt mehr Bewerber für einen Bundesfreiwilligendienst, als Haushaltsmittel zur Verfügung stehen.“ Wie sich die stark gesunkenen Zahlen bei den Anfängern auf den nächsten Jahresdurchschnitt auswirke, bleibe abzuwarten.
Die Schwestern Larissa und Luisa Hirsch sowie Florian Reichelt sind Bufdis in Ahrensburg. Sie betreuen Mitarbeiter mit Behinderung in den Stormarner Werkstätten, übernehmen Pflegearbeiten und bekommen dafür ein kleines Taschengeld sowie Frühstück und Mittagessen in der Einrichtung. „Das Wichtigste ist für mich, dass es einfach Spaß macht zu helfen“, sagt Luisa. Florian stimmt zu: „Und selbst wenn man mal einen schlechten Tag hat, wird man sofort von der puren guten Laune auf den Gängen begrüßt. Das ist einfach ansteckend.“ Am Anfang fand er es ein wenig irritierend, von fremden Menschen umarmt zu werden, aber er habe sich schnell an die Geflogenheiten der Mitarbeiter dieser besonderen Werkstatt gewöhnt. „Die direkte Art ist für viele wie eine neue Welt“, sagt Bierbach. Luisa ergänzt: „Man bekommt direkte Rückmeldung über das, was man tut und wie man das tut. So ehrliche Leute findet man sonst nicht.“
Die Stormarner Werkstätten beschäftigen insgesamt 300 Menschen mit Behinderungen. Sie haben die Möglichkeit, am Arbeitsleben teilzunehmen. Nach einer hausinternen Ausbildung, die mit einem Zertifikat abgeschlossen wird, fertigen die Mitarbeiter je nach individueller Eignung zum Beispiel Holzkästen für Bier, Brettchen und Deko-Artikel in der Schreinerei an. Sie setzen Magneten in Namensschilder ein, verschrauben Rauchmelder, verpacken Filzstifte und Textmarker. „Wenn man in Deutschland ein Etui Textmarker der Firma Edding kauft, kann man sich sicher sein, dass es aus Ahrensburg kommt“, sagt Produktionsleiter Bierbach. Ein Teil der Produkte wird im hauseigenen Shop angeboten.
Larissa Hirsch will wie ihre Schwester Luisa nach ihrer Zeit als Bufdi eine Ausbildung zur Heilerziehungspflegerin beginnen. Sie arbeitet im Förderbereich. „Ich hatte vorher keine Erfahrung“, sagt Larissa. Die Kollegen hätten ihr aber schnell geholfen, sich auch mit pflegerischen Arbeiten anzufreunden. Ihr Tipp: „Einen Probetag zu machen ist nie schlecht, denn in Wirklichkeit ist alles ganz anders als in der Vorstellung.“
Infos zum BFD gibt e im Internet: www.bufdi.eu, www.bafza.de, www.fsj-schleswig-holstein.de.