„Durch dick und dünn zu mir“, das Modellprojekt der Oldesloer Frauenfachberatungsstelle, endet im Sommer kommenden Jahres. Ob es künftig weiter finanziert werden kann, ist derzeit noch ungewiss.
Bad Oldesloe. Das von dem Oldesloer Verein Frauen helfen Frauen initiierte Projekt „Durch dick und dünn zu mir“ könnte im kommenden Sommer vor dem Aus stehen. Die künftige Finanzierung des Angebotes für Menschen mit Essstörungen ist ungewiss. „Wir können noch nicht sagen, wie es ab Juli 2015 weitergeht“, sagt Therapeutin Anja Deloch, die gemeinsam mit Helke Miekley den Fachbereich Essstörungen der Frauenfachberatungsstelle im Bella Donna Haus betreut.
Deloch und Miekley nahmen ihre Arbeit in dem Modellprojekt, für das eine Laufzeit von fünf Jahren anberaumt wurde, am 1. Juli 2010 auf. Das Angebot war möglich durch die Unterstützung der Aktion Mensch, die nach Angaben der Beratungsstelle rund 195.000 Euro finanzierte. Zudem gab es finanzielle Unterstützung von anderen Seiten, wie etwa von der Ahrensburger Kroschke Stiftung, die zunächst 7000 Euro und später noch einmal 7200 Euro zahlte. „Das ist eine relativ große Summe, die auch mit dem Wunsch einer Dauerfinanzierung des Projektes verbunden war“, sagt Margret Matthies, Vorstand und Geschäftsführung der Stiftung.
47 Klienten haben die Mitarbeiter von „Durch dick und dünn zu mir“ im Jahr 2013 in der Beratungsstelle betreut. Dabei kam es zu 483 sogenannten Einzelkontakten mit den Betroffenen. „Damit ist unsere Arbeit aber nicht getan. Beispielsweise bieten wir auch noch Familieninterventionen an, bei denen wir mit den Betroffenen und ihren Angehörigen gemeinsam sprechen“, sagt Deloch. Wer sich an die Beratungsstelle wende, bekomme innerhalb von zehn Tagen einen Termin.
Die beiden Frauen teilen sich eine Vollzeitstelle. Diese koste für ein halbes Jahr, also von Sommer 2015 bis Jahresende, 38.200 Euro. Ein Zuschuss vom Kreis und von der Stadt Bad Oldesloe wurden bereits bewilligt, ein zweiter Antrag beim Kreis wurde abgelehnt. Für die Finanzierung eines halben Jahres fehlen derzeit etwa 25.000 Euro.
In der Beratungsstelle werden hauptsächliche junge Mädchen und Frauen betreut. 64 Prozent der Klienten sind jünger als 26 Jahre. Wie der Kinder- und Jugendgesundheitssurvey (KIGGS), eine Studie des Robert-Koch-Instituts, zeigt, gibt es bei jedem dritten Mädchen im Alter zwischen 13 und 17 Jahren Hinweise auf eine Essstörung, bei Jungen bei jedem Siebten.
Deloch und Miekley beraten Klienten, die an Magersucht, der Ess-Brech-Sucht Bulimie oder Binge-Eating-Disorder (BED) leiden, einer Form der Essstörung, bei der Betroffene typischerweise häufige Heißhungeranfälle haben, die Lebensmittel aber anders als bei der Bulimie nicht wieder erbrechen. Es erfolgt auch kein anderes kompensatorisches Verhalten wie Sport, sodass BED daher häufig mit Übergewicht oder Adipositas verbunden ist.
Neben der Arbeit in der Beratungsstelle besucht Anja Deloch auch Schulen in Stormarn. „Dank der Förderung konnten wir unseren Schwerpunkt auf junge Menschen legen, um Präventionsarbeit zu leisten“, sagt die Therapeutin. In das Bella Donna Haus kommen hauptsächlich Erkrankte, die bereits seit zwei bis drei Jahren an einer Essstörung leiden. „Wir wollen dahin kommen, dass wir den Klienten helfen können, bevor sich eine Essstörung manifestiert“, sagt Deloch. In den Schulen bietet sie offene Sprechstunden an. Diese würden allerdings nur genutzt, wenn Betroffene von Lehrern oder Freunden geschickt würden. „Eine Essstörung ist eine autoaggressive Erkrankung, mit der eine mangelnde Krankheitseinsicht einhergeht. Daher kommen Betroffene nicht von sich aus in die Sprechstunde“, sagt Deloch. Sie arbeitet daher auch direkt mit einzelnen Klassen, Jungen und Mädchen voneinander getrennt.
Wie wichtig ihre Arbeit mit jungen Leuten ist, wird der Therapeutin während der Arbeit an den Schulen immer wieder vor Augen geführt: „An jeder weiterführenden Schule gibt es in jedem Jahrgang jemanden, der Hinweise auf eine Erkrankung zeigt“, sagt sie. „Unsere Gesellschaft ebnet mit ihrem Schönheits- und Schlankheitsideal den Weg in die Essstörung.“ Deshalb betreut Deloch nicht nur Betroffene, sondern bietet auch Lehrerworkshops an, informiert Klassensprecher und stellt ihre Arbeit in Schülervertretungen vor. Deloch: „Je mehr Menschen um die Krankheitsbilder wissen, desto besser gelingt es, präventiv zu arbeiten.“