Jeder zweite Viertklässler hat Probleme, sich über Wasser zu halten. Kinderschutzbund fordert verpflichtenden Unterricht an allen Grundschulen. Hamburg ist das Vorbild.
Ahrensburg. Der Deutsche Kinderschutzbund (DKSB) fordert Schwimmunterricht als Pflichtfach für die gut 8000 Kinder in den 35 Stormarner Grundschulen. Anlass ist eine Umfrage, nach der nahezu jeder zweite Viertklässler nicht sicher schwimmen kann. „Hamburg macht es uns vor“, sagt Ingo Loeding, hauptamtlich Kreisgeschäftsführer des DKSB Stormarn und ehrenamtlich stellvertretender Landesvorsitzender.
In der Hansestadt haben alle Kinder der dritten und vierten Klassen jeweils ein halbes Jahr Schwimmunterricht. Am Ende sollen alle Viertklässler das Bronze-Abzeichen (200 Meter Schwimmen in höchstens sieben Minuten) oder wenigstens das Seepferdchen-Abzeichen (Sprung vom Beckenrand und 25 Meter Schwimmen) haben.
„Das ist vorbildlich“, sagt Ingo Loeding, der eine ähnliche Vorgabe für Schleswig-Holstein befürwortet. „Es geht ja beim Schwimmen um mehr, denn auch der Gesundheitsaspekt und der kommunikative Aspekt spielen eine Rolle.“ Das unterstützt die Landesvorsitzende des Kinderschutzbunds, Irene Johns: „Die Fähigkeit zu schwimmen stärkt auch das Selbstbewusstsein von Kindern – sie haben Spaß und sind mit dabei.“ In Hamburg gebe es für Kinder mit besonders großer Angst vorm Wasser sogar zusätzliche Förderkurse.
Schwimmunterricht ist nicht vorgeschrieben
In Schleswig-Holstein hängt es bisher im Wesentlichen von den einzelnen Grundschulen ab, ob sie überhaupt jemals ein Frei- oder Hallenbad besuchen. Auf dem Sport-Lehrplan steht zwar der Themenbereich „Sich im und auf dem Wasser bewegen“. Als Beispiele sind Schwimmübungen und Sprünge genannt. „Viele Schulen bei uns in Stormarn bieten das an, andere aber auch nicht“, sagt Kirsten Blohm-Leu, Schulrätin in der Kreisverwaltung in Bad Oldesloe. Das hänge zum einen davon ab, ob Sportlehrer die entsprechende Ausbildung haben, zum anderen auch von der Entfernung. Blohm-Leu: „Wenn man eine Stunde mit dem Bus unterwegs ist, um eine halbe Stunde im Wasser zu sein, ist das wenig sinnvoll.“
Ähnlich argumentiert das Bildungsministerium in Kiel. „In einem Flächenland wie unserem sind die Bedingungen nicht an jedem Ort gleich gut“, sagt Ministeriumssprecher Thomas Schunck. Nicht in allen Städten und Dörfern gebe es Bäder in der Nähe, die mit vertretbarem Aufwand zu erreichen seien. Verbindlich steht der Unterricht erst ab der fünften Klasse auf dem Lehrplan. „Außerdem kann das Schwimmen-Lernen nicht ausschließlich die Aufgabe der Schulen sein“, so Schunck, „es sollte auch von den Elternhäusern gewollt und begleitet werden.“
Ingo Loeding regt Projektwochen an Seen an
Doch gerade das ist nach Ansicht des Kinderschutzbundes nicht immer einfach. „Nicht alle Eltern haben die finanziellen Möglichkeiten, ihre Kinder zu privaten Schwimmkursen zu schicken, wenn es keinen Unterricht in der Schule gibt“, sagt Irene Johns. Laut Armutsbericht des DKSB leben in Stormarn 6500 minderjährige Mädchen und Jungen in Familien, die mit Arbeitslosengeld oder Hartz IV über die Runden kommen müssen.
Wenn Ingo Loeding aus dem Fenster seiner Kreisgeschäftsstelle in Bargteheide blickt, hat er ein positives Beispiel direkt vor Augen: die Albert-Schweitzer-Schule. Das Förderzentrum fährt das ganze Schuljahr über dienstags mit allen Schülern der ersten bis vierten Klassen ins Ahrensburger Hallenbad Badlantic. „Das ist eine Herausforderung, die schon beim Transport anfängt“, sagt Schulleiter Karl-Heinz Dahlke, „aber bisher haben wir das noch immer geschafft.“ Gut acht Kilometer ist die einfache Strecke lang.
„Wenn man es wirklich will, gibt es bei uns in Stormarn aber auch viele andere Möglichkeiten“, sagt Ingo Loeding. So gibt es neben den Freibädern auch etliche Seen vom Bredenbeker Teich zwischen Ahrensburg und Ammersbek über Großen- und Lütjensee bis zum Oldesloer Poggensee und Reinfelder Herrenteich. „Die eignen sich hervorragend für Projektwochen im Sommer“, sagt Loeding, „das muss ja nicht immer um Themen wie die Wikingersiedlung Haithabu gehen.“
In Ansätzen geht der Kinderschutzbund das Problem auch selbst an. So gab es in Bad Oldesloe mit finanzieller Unterstützung aus dem Spendenparlament einen Kursus für Kinder, deren Familien die Gebühr nicht zahlen konnten. Und in Bargteheide verteilt das Kinderhaus kostenlose Jahreskarten für das Freibad, die ebenfalls über Spenden finanziert werden.
Für den Kinderschutzbund ist Schwimmunterricht genauso wie Verkehrserziehung unverzichtbar. Die Landesvorsitzende Irene Johns sagt: „Land und Kommunen müssen gemeinsam und gegebenenfalls mit weiteren Partnern für die Schwimmkompetenz aller Kinder sorgen.“