Politiker Klaus-Peter Puls stellt infrage, ob die Stadt zur Finanzierung der geplanten Aufstiegsanlage in der Bille verpflichtet ist. Laut schleswig-holsteinischem Umweltministerium ist sie es.
Reinbek. Teurer ist sie schon jetzt, da tauchen auch noch neue Zweifel am Millionenprojekt Reinbeker Fischtreppe auf: Nachdem der Kreis im August grünes Licht für den Bau des rund 1,7 Millionen Euro teuren Projekts am Mühlenteich-Wehr gegeben hat (wir berichteten), stellen Reinbeker Kommunalpolitiker den Sinn des Vorhabens infrage.
Nun verlangt der Stadtverordnete Klaus-Peter Puls (parteilos) Antworten von Reinbeks Bürgermeister Björn Warmer. Puls: „In den gewählten Gremien gab es nie eine Beschlussvorlage darüber, ob die Fischtreppe kommen soll. Im Oktober 2010 haben die Stadtverordneten lediglich eine Informationsvorlage darüber erhalten, dass nach EU-Richtlinien eine Treppe eingerichtet werden muss.“ Dieses Schreiben habe ihn zunächst nicht zu Nachfragen veranlasst.
Als Puls genauer nachforschte, entdeckte er Fehler. Puls: „Das Land ist fälschlicherweise davon ausgegangen, dass die Bille ein Gewässer zweiter Ordnung ist. Sie ist aber ein Gewässer erster Ordnung. Damit ist das Land Eigentümer.“ Daher hinterfragt der Stadtverordnete jetzt, warum Reinbek das Millionenprojekt überhaupt mitfinanzieren sollte. Die EU hat zugesagt, für die Reinbeker Fischtreppe 90 Prozent der Kosten zu übernehmen. Rund 170.000 Euro müssten bei aktuellem Kostenstand von der Stadt getragen werden. „Es geht nicht nur um die Bau-, sondern auch um die Unterhaltungskosten“, sagt Puls. „Es kommen erhebliche Kosten auf uns zu, selbst wenn von den eigentlichen Baukosten nur zehn Prozent gezahlt werden müssen.“
Reinbek muss einen angemessenen Teil der Finanzierung übernehmen
Diesen Aussagen entgegnet Hans Helmut Enk, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Reinbeker CDU: „Es ist nicht entscheidend, ob die Bille ein Gewässer erster oder zweiter Ordnung ist. Reinbek ist Eigentümer der Stauanlage, nämlich des Mühlenteich-Wehrs. Daher denke ich, dass wir zur Finanzierung verpflichtet sind.“ Das bestätigt auch das Umweltministerium des Landes Schleswig-Holstein. Auf Abendblatt-Anfrage heißt es in einer schriftlichen Mitteilung: „Die Wiederherstellung der Durchgängigkeit für Wanderfische wird in der EU-Wasserrahmenrichtlinie gefordert. Der Inhaber oder Betreiber einer Stauanlage ist gesetzlich verpflichtet, die Durchgängigkeit für Fische an einer Stauanlage wiederherzustellen. In diesem Fall ist das die Stadt Reinbek, weil ihr der Reinbeker Mühlenteich gehört. Die Kosten für die Wiederherstellung der Durchgängigkeit sollen angemessen sein. Daher wird der Betreiber durch Fördermittel der EU, des Bundes und des Landes unterstützt, die in etwa 90 Prozent der Gesamtsumme ausmachen.“
Die Kostenfrage um die Reinbeker Fischtreppe beschäftigt außer Klaus-Peter Puls auch andere Kommunalpolitiker. „Wir können nicht so ein Projekt anschieben, wenn wir nicht die Höhe der Folgekosten kennen“, sagt Heinrich Dierking, Fraktionsvorsitzender der Wählergemeinschaft Forum 21. Innerhalb der Fraktionen von SPD und CDU herrscht ebenfalls Verunsicherung. „Die Stadt hat für Gutachten und Bodenuntersuchungen rund 200.000 Euro ausgegeben. Wenn wir abbrechen, besteht die Gefahr, dass wir die Zuschüsse verlieren“, sagt Volker Müller, SPD-Fraktionsvorsitzender. Auch Hans Helmut Enk fürchtet um das Fördergeld: „Im Moment tendiere ich dazu, die Fischtreppe zuzulassen, weil sie uns von Brüssel womöglich auferlegt werden könnte“, sagt Enk. „Es sind Zweifel aufgetaucht, und jetzt liegt es an der Verwaltung, diese zu klären.“ Die Verwaltung selbst möchte sich erst in der kommenden Woche äußern.
Die Stadtverordneten hatten den Beschluss über den Bau während ihrer August-Sitzung vertagt. Nachdem die Fischtreppe im September gar nicht auf der Tagesordnung stand, hofft Klaus-Peter Puls darauf, dass sie bei der kommenden Sitzung am Donnerstag, 30. Oktober, zur Sprache kommt. Ohne die zugesagten Fördermittel gefährden zu wollen schlägt Puls vor, den geplanten Baubeginn – Sommer 2015 – weiter nach hinten zu schieben.
Dies hält Bauamtsleiter Sven Noetzel allerdings für nur schwer realisierbar. „Gegenüber der EU muss man stichhaltige Gründe angeben, warum ein Bauvorhaben verschoben werden soll“, sagt Noetzel. Da die in diesem Fall nicht gegeben seien, rechnet er mit einem pünktlichen Baubeginn. Dass das Land für die Unterhaltung zuständig sei, weist Noetzel ebenfalls zurück: „Das Stauwehr, das die Fische beim Aufstieg stört, gehört der Stadt Reinbek. Insofern trägt die Stadt die Kosten.“ Das Staurecht für die Bille habe die Stadt vor Jahren für eine D-Mark erworben.
Klaus-Peter Puls zweifelt am Nutzen der geplanten Fischtreppe
Neben der Frage, wer die Reinbeker Fischtreppe finanzieren muss, sind für Puls noch weitere Aspekte ungeklärt. „Es ist zu hinterfragen, ob das Projekt nicht einen Eingriff in das Naturschutzgebiet Billetal bedeutet“, sagt er. Momentan tummeln sich Elritzen, Flussbarsche, Hechte und sechs weitere Fischarten im Billelauf oberhalb des Reinbeker Mühlenteich-Wehrs.
Ebenfalls will Puls erst abwarten, wie nützlich die Fischtreppe am Serrahn-Wehr in Hamburg-Bergedorf tatsächlich ist, bevor nur wenige Kilometer entfernt in Reinbek gebaut wird. „Zählungen haben ergeben, dass an 26 Tagen nur etwa 130 Fische die Treppe am Serrahn-Wehr passiert haben“, sagt Puls. „Da muss man auch nach der Verhältnismäßigkeit des Projektes fragen.“
Im Juni vergangenen Jahres wurde im Hamburger Stadtteil Bergedorf für rund 1,65 Millionen Euro eine 95 Meter lange Stahltreppe eingebaut. Wie bei der geplanten Reinbeker Fischtreppe soll damit Meerforellen, Aalen, Fluss- und Meerneunaugen der Aufstieg in den Oberlauf der Bille erleichtert werden, um die dortigen Laichgewässer zu erreichen. In Bergedorf müssen die Fische einen Höhenunterschied von 1,70 Meter überwinden. Bislang ist am Reinbeker Mühlenteich-Wehr für die Fische jedoch Endstation. Drei Meter sind für sie ohne Treppe unüberwindbar. „Die Arten, denen der Aufstieg erleichtert werden soll, sind Langdistanzwanderfische. Sie haben sowohl eine Lebensphase im Meer als auch in Binnengewässern“, sagt Matthias Brunke vom schleswig-holsteinischen Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume.
„Wir haben im oberen Bereich der Bille ausreichend Fischarten“, sagt auch Lothar Weise, der stellvertretender Vorsitzender der Reinbeker FDP-Fraktion ist.
Dass plötzlich ein Grundsatzproblem über die Fischtreppe besteht, kann der Grünen-Politiker Michael Zietz nur schwer nachvollziehen. „Die Fragen, die Herr Puls gestellt hat, sind berechtigt. Aber für den gesamten Oberlauf könnte die Qualität des ökologischen Zustands verbessert werden.“