Mehr als 250 Gäste kommen am Tag des offenen Denkmals ins Rathaus. Der Blick auf die architektonischen Details überzeugt fast alle, dass das Gebäude zu Recht ins Landesdenkmalbuch eingetragen wurde.
Ahrensburg. Manchmal reicht ein einziges Wort aus, um komplexe Zusammenhänge in einer Art Motto auf den Punkt zu bringen. Am Tag des offenen Denkmals im Ahrensburger Rathaus war es ein eher unbekannter Begriff aus der Architektur, der ideal passte: Allansichtigkeit. Volkshochschulleiterin Gisela Euscher erzählte, das Wort erst durch ein Gutachten kennengelernt zu haben, das sie als Vorbereitung auf den Tag des offenen Denkmals gelesen hatte. Der Begriff gefiel ihr so gut, dass sie ihn bei ihrer Führung mehrmals verwendete. Wobei Allansichtigkeit eigentlich die Qualität eines Gebäudes bezeichnet, gewissermaßen als Leuchtturm von allen Seiten her in einer Stadt erkennbar zu sein. Doch der Begriff Allansichtigkeit passte an diesem Sonntag mindestens genauso gut auf das, was den Ahrensburgern geboten wurde: die Möglichkeit, sich das Rathaus aus so gut wie jeder Perspektive von innen und außen anzusehen.
Gut 250 Bürger folgten der Einladung, ihr Rathaus zu erkunden. Etwa 80 von ihnen erschienen bereits zu den einleitenden Vorträgen am Vormittag und sorgten für eher unübliches Gedränge im Foyer. Astrid Hansen, Oberkonservatorin beim Landesamt für Denkmalpflege in Kiel, machte in ihrem Vortrag mit Bildbeispielen noch einmal auf die Besonderheiten des Hauses aufmerksam, das erst im Februar dieses Jahres ins Landesdenkmalbuch eingetragen worden war. Nachdem der Blick für viele bauliche Details geschärft worden war, stellte die Architekturhistorikerin Sibylla Schulz das Rathaus in einen größeren Zusammenhang, indem sie eine Entwicklungsgeschichte städtischer Regierungsgebäude von der Antike bis in unsere Zeit hinein skizzierte. Ihr Fazit: „Dieses Rathaus befindet sich in bester Gesellschaft mit anderen denkmalgeschützten Gebäuden, die auch international anerkannt sind.“
Astrid Hansen schloss mit einem Appell: „Lassen Sie das Gebäude auf sich wirken. Es liegt an Ihnen, das kulturelle Erbe anzunehmen und zu pflegen, nicht allein an den Behörden.“
Die weiteren Spielregeln sahen vor, dass jeder sich auf eigene Initiative durchs Gebäude bewegen durfte oder sich einer der fünf Gruppen anschließen konnte, die parallel fünf Stationen im Rathaus und außerhalb erkundeten. Letzteres unter kundiger Leitung, zum Beispiel gemeinsam mit Bauamtsleiter Ulrich Kewersun und eben Gisela Euscher von der Volkshochschule, die das Programm gemeinsam mit der Verwaltung und den Denkmalschützern organisiert hatte.
Die VHS-Leiterin Euscher bekannte, vieles erst bei der intensiven Vorbereitung richtig verstanden zu haben: „Seit 1981 kenne ich das Haus. Im Alltagsgeschäft nimmt man aber manches nicht wahr. Mir war zum Beispiel nicht bewusst, dass es auf den Etagen ein Farbleitsystem gibt. Mir war auch nicht klar, wie viele renommierte Künstler an diesem Bau beteiligt waren.“
Doppelter Überblick war im sechsten Stock zu gewinnen: zunächst anhand des Modells des Architekten Karl-Heinz Scheuermann, anschließend beim Rundgang über den Balkon. Aus der erhöhten Perspektive wurde erkennbar, in welche stadtplanerischen Achsen sich das Rathaus einfügt und dass es an eine Schnittstelle von Stadt und Land gesetzt wurde.
Bürgermeister öffnet sein Arbeitszimmer
Bürgermeister Michael Sarach empfing in seinem Arbeitszimmer („der Bürgermeister von Bad Oldesloe hat einen noch größeren Schreibtisch“). Seine Pressesprecherin zeigte das palisandergetäfelte Magistratszimmer inklusive verborgener Winkel: „Gucken Sie mal unter die Tischplatte, dann sehen Sie versteckte Ablagen für Papiere.“
Den Besuchern machten die Insiderinformationen sichtlich Spaß. Die meisten waren danach Rathaus-Fans. „Ich war skeptisch, was den Denkmalschutz für ein 70er-Jahre-Gebäude angeht – jetzt bin ich überzeugt“, lautete das Fazit von Heinz-Gerd Genz. Ehefrau Anita war nicht seiner Meinung: „Das ist eine kalte Architektur.“ Allansichtigkeit hat eben viele Seiten.