Ahrensburger Grundschule Am Reesenbüttel lehnt Verordnung von Bildungsministerin Waltraud Wende ab. Schüler der dritten und vierten Klasse erhalten weiterhin Noten. Neuer Passus verärgert Landeselternbeirat.
Ahrensburg. Es herrscht nicht immer Einigkeit zwischen Anne-Katrin Koch und ihrem Sohn Maximilian, doch in diesem Punkt passt kein Blatt Papier zwischen beide: Sie wollen, dass die Leistungen des Neunjährigen, der nach den Sommerferien in die vierte Klasse der Grundschule Am Reesenbüttel in Ahrensburg kommt, auch weiterhin mit Noten bewertet werden. Mit dieser Meinung stehen sie nicht allein da. „Ein Großteil der Eltern und der Lehrerschaft sowie die Schulleitung denken auch so“, sagt Koch, die Vorsitzende des Schulelternbeirats ist. In der Konsequenz bedeutet das: Die Ahrensburger Einrichtung lehnt die notenfreie Grundschule ab, die seit Freitag per ministerieller Verordnung obligatorisch sein soll. Demnach sollen Lehrer in Schleswig-Holstein die Zeugnisse nun auch für Schüler der dritten und vierten Klasse in Berichtsform schreiben. Es sei denn, eine Schule beschließt, weiterhin Noten zu geben.
Von dieser Möglichkeit wird die Ahrensburger Einrichtung Gebrauch machen. „Und zwar auf unbestimmte Zeit“, sagt Koch. Sie hatte bereits im Mai eine Umfrage unter allen betroffenen Eltern gestartet – mit dem Ergebnis, dass die Mehrheit so weitermachen will wie bisher. „Die anschließenden Gespräche mit der Schulleitung waren sehr konstruktiv. Wir arbeiten gut zusammen“, sagt die 41-Jährige. Noch ist nichts offiziell. Der Beschluss soll auf einer Schulkonferenz Anfang September erfolgen.
Anne-Katrin Koch, Frau des Stormarner CDU-Landtagsabgeordneten Tobias Koch, begründet ihre ablehnende Haltung gegenüber der Verordnung von Bildungsministerin Waltraud Wende (parteilos) so: „Noten sind eindeutiger als Kompetenzraster und Berichte, da ist eine bessere Vergleichbarkeit gegeben. Ich finde es wichtig, dass Kinder wissen, wo sie exakt stehen und nicht nur so ungefähr.“ Kompetenzraster seinen für Schüler der ersten und zweiten Klasse in Ordnung, danach aber nicht mehr. Ihr Sohn Maximilian, der sowohl in Deutsch und Mathe eine Zwei hat und aufs Gymnasium gehen will, sagt: „Ohne Noten wüsste ich ja nicht, wie gut ich bin. Das möchte ich aber.“
SPD-Politiker Habersaat: Berichte liefern Eltern mehr Informationen
Eine von Kochs Mitstreiterinnen ist Christine Reinking. Sie ist ebenfalls Vorstandsmitglied im Schulelternbeirat Reesenbüttel. Ihr Sohn Constantin, 7, besucht demnächst die zweite Klasse. Seine Leistung wird noch mithilfe von Kompetenzrastern bewertet. Damit hat die 40-Jährige so ihre Probleme, sagt: „Ich versuche immer, die Bewertung in Noten zu übersetzen. Es gelingt aber nicht. Das beunruhigt.“
Martin Habersaat, bildungspolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, hat eine andere Sicht der Dinge. Der Barsbütteler: „Eltern erfahren aus einem aussagekräftigen Bericht mehr über ihr Kind als nur durch das Betrachten einer Ziffer. Als Deutschlehrer kann ich berichten: Eine Drei in Deutsch beispielsweise muss nicht für durchschnittliche Leistungen im Lesen, Schreiben und Diskutieren stehen und sagt wenig über die Stärken und Entwicklungspotenziale des Kindes aus.“
Lernen ohne Noten – es ist ein Thema mit jeder Menge Zündstoff. Auch der Landeselternbeirat der Grundschulen und Förderzentren (LEB) lehnt die Reform ab und echauffiert sich genauso wie der Schleswig-Holsteinische Elternverein (SHEV) über einen Passus in der neuen Grundschulverordnung, der die Elternrechte einschränkt und laut der beiden Organisationen erst im Nachhinein hinzugefügt wurde.
Denn jetzt reicht in der Schulkonferenz, bestehend aus der gleichen Anzahl an Lehrkräften und Eltern, die mehrheitliche Zustimmung der Pädagogen, um Noten abzuschaffen. Zuvor wurden Beschlüsse an Grundschulen immer nach dem Mehrheitsprinzip wirksam, wobei Eltern und Lehrer gleichberechtigt waren. „Es ist ein Unding, wie hier der Elternwille mit Füßen getreten wird, und ein Paradebeispiel dafür, was die Landesregierung unter Dialog versteht“, sagt die SHEV-Vorsitzende Astrid Schulz-Evers. Das Ministerium für Bildung und Wissenschaft in Kiel will die Vorwürfe so nicht stehen lassen. Pressesprecher Thomas Schunck: „Es wurde keinem im Nachhinein etwas untergejubelt. Das Ergebnis ist auch Folge einer Anhörung.“ Außerdem seien Lehrer die Fachleute.
Noten abschaffen, ohne die Eltern einzubeziehen? Christian Naterski, Leiter der Gertrud-Lege-Schule in Reinbek, hält davon wenig: „Wenn es hart auf hart kommt, werden wir die Reform nicht durchdrücken.“ Auch im kommenden Schuljahr erhalten die Dritt- und Viertklässler Ziffernnoten. „Wir werden uns jetzt alle an einen Tisch setzen und darüber nachdenken, ob wir das umsetzen“, sagt der 40-Jährige. Erste Gespräche mit den Eltern habe es bereits gegeben. Die Tendenz gehe aber in Richtung Abschaffung der Noten.
Konsens zwischen Eltern und Pädagogen zu schaffen, das ist auch in Zarpen das oberste Ziel. Alexandra Hälig, stellvertretende Leiterin der Dörfergemeinschaftsschule Am Struckteich: „Wir wollen uns noch in den Ferien mit dem Elternbeirat zusammensetzen, um zu Beginn des Schuljahres einen Infoabend zu veranstalten.“ Hälig ist es wichtig, dass die Eltern in den Entscheidungsprozess einbezogen werden. Die Lehrkräfte in Zarpen wollen die Noten im kommenden Schuljahr beibehalten und sich in Ruhe über das Thema informieren.
Der Informationsbedarf ist offenbar vielerorts groß. „An zahlreichen Schulen ist nicht klar, wie man mit diesem Thema umgeht“, sagt Dirk Seiffert. Der 48-Jährige ist Vorsitzender des Elternbeirats an der Grundschule Wiesenfeld in Glinde. Er unterstützt die neue Verordnung nicht: „Solange es auf dem Gymnasium Noten gibt, sollte das auch auf der Grundschule der Fall sein.“ In seinem Umfeld gebe es nur wenige Eltern, die kein Problem mit dem notenfreien Lernen hätten.