Polizei weist Gefahrengebiete aus. Doch Politiker sehen Personalmangel als Ursache für die schlechte Aufklärungsquote. Stormarns Landrat spricht sich für eine Überprüfung durch das Ministerium aus.
Ahrensburg/Kiel. An die Tatsache, dass Stormarn im Landesvergleich die Hochburg der Einbrecher ist, dass die Polizei im Verhältnis zu allen anderen Kreisen bei der Aufklärung dieser Verbrechen mit 4,3 Prozent die schlechtesten Quote abliefert, daran haben sich offenbar mittlerweile viele Bürger und Politiker gewöhnt. Aber die Tatsache, dass seit Jahren heimlich, still und leise Gefahrengebiete ausgewiesen werden, um der wachsenden Kriminalität Herr zu werden, provoziert Widerspruch. Politiker verlangen Aufklärung über diese Praxis. Bürger wollen Klarheit über die Hintergründe. Stormarns Landrat fordert Konsequenzen: „Wenn die Polizei tatsächlich zu wenig Personal hat, um die Sicherheit zu gewährleisten, muss das Innenministerium in Kiel für Abhilfe sorgen“, sagt Klaus Plöger. Die hohen Einbruchszahlen halte er für „beunruhigend, weil sie den Bürger am Nerv treffen“.
In den Kreisen Pinneberg, Segeberg und im Herzogtum Lauenburg sehen die Bilanzen der Ordnungshüter besser aus. Dort wurden in 2013 mehr als doppelt so viele Delikte aufgeklärt. Warum tut sich die Polizei hier so schwer? Dazu sagt Hans-Jürgen Köhnke, Chef der Stormarner Kripo: „Hier gibt es nicht nur viele Einbrüche, sondern auch viele Einbruchsversuche.“ Das seien etwa 50 Prozent aller Taten. „Professionelle Täter suchen sich meist wertvolle Immobilien aus, die gut gesichert sind. Das führt dazu, dass selbst Profis häufiger scheitern.“ Verwertbare Spuren hinterließen die Verbrecher bei gescheiterten Versuchen selten. Auch das begünstige eine hohe Fallzahl und schlechte Aufklärungsquoten. Dieser Zusammenhang sei durch eine Studie des Landeskriminalamtes Nordrhein-Westfalen aus dem Jahr 2012 belegt. 1018 Einbrüche wurde 2013 in Stormarn gezählt. Köhnke kennt die Gründe: „Der Kreis ist beliebt bei Einbrechern. Ein Großteil der Taten wird von Profis begangen. In Stormarn gibt es überdurchschnittlich viele reiche Gemeinden und Städte mit hochwertigen Immobilien.“ Und die Täter kennen den Vorteil guter Fluchtwege, sagt Vize-Polizeidirektor Holger Meincke: „Viele Orte liegen verkehrsgünstig an Autobahnen.“
Solche Erklärungsversuche stellen viele Politiker nicht zufrieden. Sie hinterfragen Sinn und Zweck der Strategie, zu bestimmten Zeiten Gefahrengebiete auszuweisen. „Sie sind nur billiger Ersatz für ordentliche Personalplanung“, sagt FDP-Landeschef Wolfgang Kubicki. Der FDP-Kreistagsabgeordnete Thomas Bellizzi stützt diese These: „Man muss nur einen Blick in die Wachen werfen, um zu sehen, dass die Polizei unterbesetzt ist. Ich erwartete, dass der Innenminister den Kreistag und Städte und Gemeinden darüber informiert, wie Einbruchsdelikte ohne solche Maßnahmen bekämpft werden können.“ Wie berichtet, hat die Piraten-Partei Stormarn Kiel aufgefordert, die Praxis umgehend zu beenden. „Gefahrengebiete sind ein erheblicher Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Bürger. Den Nutzen kann die Polizei nicht ausreichend belegen“, heißt es.
Tobias Koch, CDU-Landtagsabgeordneter und Fraktionschef seiner Partei in Ahrensburg, geht einen Schritt weiter. „Eine Bankrotterklärung“, nennt er die Praxis. „Dass zu diesem Mittel gegriffen wird, zeigt, dass es bei der Polizei zu wenig Personal gibt.“ Ein CDU-Antrag im Landtag, den Stellenabbau zu stoppen, wurde am Freitag mit den Stimmen von SPD, Grünen und SSW abgelehnt. Innenminister Andreas Breitner (SPD) sagte, die Landespolizei könne als zweitgrößter Personalkörper nicht komplett vom Stellenabbau ausgenommen werden. „Das Kunststück, für den Bildungsbereich mehr Lehrer und in der Innenpolitik mehr Polizisten zu fordern und gleichzeitig keine Neuverschuldung zu wollen, gelingt nur der Opposition.“
Polizei-Vizechef Meincke sagt, Gefahrengebieten stünden in keinem Zusammenhang mit der Personalsituation: „Sie sind eine notwendige polizeiliche Schwerpunktsetzung.“ Sein Kollege Köhnke ergänzt, Einbrüche seien prinzipiell schwer aufzuklären, weil es meist keine persönliche Beziehung zwischen Täter und Opfer gebe. Selten gebe es Zeugenaussagen. Also bleibe der Polizei oft nur, Spuren am Tatort auszuwerten. Dass einigen Bürgern unwohl bei dem Gedanken daran ist, in Gefahrengebieten zu leben, dafür hätten die Beamten Verständnis. Der Polizeidirektion sei es aber wichtig zu betonen, „dass die Daten unbescholtener Bürger nicht gespeichert werden“, versichert Sprecherin Sonja Kurz. „Die Maßnahme ist streng zweckgebunden.“ Auf die Frage, warum die Öffentlichkeit nicht informiert wurde, sagt Holger Meincke: „Das hätte die Wirkung der Maßnahme beeinträchtigen können.“
Fakt ist, dass die hohe Zahl der Einbrüche die Menschen in Stormarn nicht kalt lässt. Auch Landrat Plöger nicht: „Das ist ein sehr sensibler Bereich, anders als bei Autoaufbrüchen.“ Zwar sehe er Gefahrengebiete „weniger kritisch, wenn das der Sache dient“. Doch habe er Verständnis dafür, „dass die Bürger von der Polizei mehr Erfolge bei der Bekämpfung dieser Kriminalität erwarten“. Der Landrat reagiert damit auch auf Äußerungen eines ehemaligen Polizeidirektors in dieser Zeitung. Der Bargteheider Jens Herrmann hatte kritisiert, „dass die polizeiliche Hierarchie und ihre Abhängigkeit von der Politik eine selbstkritische Auseinandersetzung mit den Fakten verhindert“. Sprich: In Kiel habe niemand Interesse daran, dass die Polizei die wahren Gründe für die schlechte Aufklärungsquote benenne. Und die sind auch aus Sicht von Jens Herrmann eindeutig: „Die Ordnungshüter haben zu wenig Personal, um im ursprünglichen Sinne Streife zu fahren.“ Landrat Plöger formuliert eine klare Botschaft nach Kiel: „Wenn tatsächlich Personalmangel das Problem ist, dann muss sich dass Ministerium nachdrücklich darum kümmern.“