Während in Lütjensee die Menschen die neue Verkehrsführung befürworten, sehen Bürger in Steinburg diese kritisch. Seit Sommer 2013 werden auf drei Stormarner Kreisstraßen Schutzstreifen für Radfahrer getestet.
Lütjensee/Siek/Steinburg. Mit Tempo 70 fahren Autofahrer aufeinander zu und weichen einige Meter vor dem Zusammenstoß aus. Dieses Verkehrskonzept soll auf Stormarns Kreisstraßen für mehr Sicherheit sorgen – insbesondere für Radfahrer – und wird derzeit in Lütjensee, Siek und Steinburg getestet. Seit Sommer 2013 gibt es auf der Kreisstraße 98 zwischen Lütjensee und Oetjendorf, auf der K 97 von Siek bis Hoisdorf und auf der K 79 zwischen Eichede und Barkhorst sogenannte Fahrradschutzstreifen. Die 1,30 bis 1,50 Meter breiten Fahrradstreifen sind beidseitig am Rand der Fahrbahn mit einer gestrichelten Linie markiert. Für die Autofahrer bleibt damit nur noch eine etwa drei Meter breite Fahrspur in der Mitte der Straße. Diese Kernfahrbahn teilen sich Autofahrer beider Fahrtrichtungen.
„Ich war zunächst skeptisch, doch die Schutzstreifen werden positiv aufgenommen“, sagt Tobias von Pein (SPD), Landtagsabgeordneter und Gemeindevertreter in Lütjensee. Er habe mit mehreren Radfahrer gesprochen, die das Verkehrskonzept befürworten. „Denn die Autofahrer sind jetzt gezwungen, mehr auf Radfahrer zu achten“, so von Pein. Dies bestätigt auch Ulrike Hartleben, 44, aus Todendorf. „Ich fühle mich hier ein bisschen sicherer als Radfahrerin.“ Allerdings fährt sie die Strecke auch etwa dreimal in der Woche mit dem Auto. „Zwar hält man sich daran, in der Mitte zu fahren, doch es sind hier fast nie Radfahrer unterwegs, sodass man sich schon fragt, für wen man hier eigentlich Platz macht.“
Für Tobias von Pein hat dieser Modellversuch neben der erhöhten Sicherheit für Radfahrer auch einen positiven Nebeneffekt. Weil auf den drei Teststrecken im Kreis die Höchstgeschwindigkeit von Tempo 100 auf 70 gesenkt wurde, sind viele Autofahrer langsamer unterwegs. „Zuvor war dies eine Raserstrecke“, so von Pein.
Den gleichen Effekt beobachtet auch Arnold Trenner, Bürgermeister der Gemeinde Siek. „Tempo 70 reicht schließlich völlig aus“, so Trenner, der selbst alle zwei bis drei Tage die Strecke zwischen Siek und Hoisdorf fährt. „Zwar sind dort fast nie Radfahrer unterwegs. Aber wenn, dann sind sie besser geschützt“, so Trenner. Er hat aber auch festgestellt, dass viele Autofahrer das Konzept nicht verstanden haben und trotz der neuen Markierungen wie gewohnt auf ihrer alten Fahrspur unterwegs sind.
In Steinburg läuft neben der Fahrbahn ein Radwanderweg
Diese Erfahrung hat auch Heidi Hack, Bürgermeisterin von Steinburg, gemacht. „Das liegt aber eher daran, dass bei uns in der Gemeinde die neue Verkehrsführung alles andere als positiv aufgenommen wird“, so Hack, die diese Einstellung insbesondere damit begründet, dass den Autofahrern die Einsicht fehlt. „Direkt neben dieser Strecke verläuft ein Radwanderweg. Wieso sollen die Radfahrer dann die Straße nutzen“, fragt sich die Bürgermeisterin. Sie und viele andere Bewohner von Steinburg hoffen, dass die Schutzstreifen für Radfahrer bald wieder verschwinden und der gewohnte Mittelstreifen aufgemalt wird.
Doch dies passiert erst Anfang 2015. Dann ist das Forschungsprojekt beendet und alle Teststrecken im Kreis werden wieder in ihren ursprünglichen Zustand gebracht. Denn laut Straßenverkehrsordnung sind Fahrrad-Schutzstreifen außerhalb geschlossener Ortschaft nicht zugelassen. Damit sich dies ändern kann, müssen sie erprobt werden. Diesen Test macht jetzt die Forschungsgruppe in diversen Bundesländern. Um aussagekräftige Ergebnisse zu bekommen, sollen an den Strecken Überwachungskameras aufgestellt werden. Zudem dokumentieren Forschungsmitarbeiter mit einem Videoauto das Verhalten von Auto- und Radfahrern. Dabei soll geklärt werden, ob sich Autofahrer an die neue Verkehrsführung halten beziehungsweise das Konzept verstanden haben. Ferner wollen die Mitarbeiter des Projektes die Verkehrsteilnehmer interviewen und die Zahl der Rad- und Autofahrer festhalten, die in einem bestimmten Zeitraum die Strecken fahren. Ein wichtiger Punkt ist auch die Unfallanalyse vor und nach dem Projekt. Die Forschungsgruppe rechnet damit, dass im Frühjahr 2015 die Ergebnisse ausgewertet sind.
Danach könnten die Schutzstreifen für Radfahrer außerhalb geschlossener Ortschaften zugelassen werden. Für Lukas Kilian (CDU), den Vorsitzenden des Verkehrsausschusses im Kreis, wäre dieses Modell eine gute und vor allem günstige Variante, Radwege auszuweisen. Kilian: „Denn nicht überall können wir Straßen verbreitern um Radwege zu bauen. Beispielsweise weil es sich um Privatgrundstücke handelt.“