Der Astrophysiker Wolfgang Duschl hat die Gabe, komplizierte Wissenschaft so anschaulich zu erklären, dass sie auch Laien verständlich wird. Wir haben ihn gefragt, wie sich wahrhaft schwere Stoffe leicht vermitteln lassen.

Ahrensburg. Wer behauptet, dass Physik für Laien ein dröger Stoff sein müsse, hat noch nie einen Vortrag von Wolfgang Duschl gehört. Der Astrophysiker der Universität Kiel, der auch regelmäßig an der University of Arizona in Tucson arbeitet, beherrscht das Kunststück, komplizierte Sachverhalte anschaulich darzustellen, ohne dass dabei die Substanz verloren gehen würde. Heute ist der gefragte Professor mit dem Entertainment-Gen als Gast der Schleswig-Holsteinischen Universitäts-Gesellschaft in Ahrensburg zu hören. Das Abendblatt hat ihn vorab zu Schwarzen Löchern und anderen unbekannten Phänomenen wie zum Beispiel dem Publikum im Lande befragt.

Hamburger Abendblatt: Professor Duschl, was ist ein Schwarzes Loch?

Wolfgang Duschl: Ein Gebilde, dass so viel Anziehungskraft hat, dass nicht einmal das Licht genug Geschwindigkeit hat, um aus diesem Objekt herauszukommen. Ein Körper, der der Anziehungskraft der Erde entkommen will, muss 40.000 Stundenkilometer schnell sein. Eine schwer vorstellbare Geschwindigkeit, die aber, wie wir aus der Raumfahrt wissen, von Menschen erreicht werden kann, zum Beispiel von der Marssonde, an der auch die Uni Kiel beteiligt ist. Zum Vergleich: Beim Schwarzen Loch reicht nicht einmal die Lichtgeschwindigkeit von 300.000 Kilometern in der Sekunde aus, um der Schwerkraft zu entkommen.

Klingt, als würde das Vorstellungsvermögen Ihrer Zuhörer sehr gefordert.

Duschl: Ich zeige zum Beispiel einen Film, der im Zeitraffer Sterne um ein Schwarzes Loch im Zentrum der Milchstraße herumfliegen lässt. Und um das Vorstellungsvermögen des Publikums etwas anzuregen, werfe ich gern einen Tennisball hoch, um zu demonstrieren, wie rasch ein Objekt zur Erde zurückkehrt, wenn seine Geschwindigkeit zu gering ist. Wenn ich den Schwung beim Wurf erhöhe, kommt der Ball etwas später zurück. Den Rest muss man sich dann vorstellen. Trotzdem lässt sich auf diese Weise gut vorführen und plausibel machen, welche physikalischen Grenzen gesetzt sind.

Ist das ein altbewährter Vortrag, mit dem Sie nach Ahrensburg kommen?

Duschl: Ich habe schon häufiger über dieses Thema gesprochen, aber noch keine zwei Male den gleichen Vortrag gehalten. Ich lese nie aus einem Manuskript. Wenn ich merke, dass es Unklarheiten oder Freude im Publikum gibt, gehe ich gern darauf ein. Ich singe meinen Text also nicht runter wie das Libretto einer Oper. Lieber lasse ich mich von meinem Temperament tragen.

Müssen Sie vollkommen umdenken, wenn Sie vor Laien sprechen?

Duschl: Ich halte keinen recycelten Fachvortrag, sondern meine Darstellung ist speziell für diese Art von Publikum präpariert, nämlich interessierte Laien, und zwar vom Schüler bis zum Rentner. Ich verwende viele Analogien und verzichte auf Formeln. Außerdem versuche ich, auf das jeweilige Publikum einzugehen. Durch meine Vortragsreisen im Lande kenne ich die Eigenarten und Mentalitäten der Zuhörer vor Ort recht gut. Das Publikum in Ahrensburg geht überdurchschnittlich mit. Indiz dafür ist die rege Beteiligung an der anschließenden Diskussion.

Wie wichtig ist Ihnen Interaktion?

Duschl: Es macht Spaß, auf Reaktionen im Publikum einzugehen. Das fängt an mit einem klingelnden Handy, kann aber auch ein Gegenstand sein, der geräuschvoll zu Boden fällt, was selbstverständlich bei einem Vortrag, in dem Schwerkraft eine große Rolle spielt, zu einem launigen Kommentar einlädt. Grundsätzlich gilt aber: Keine Witze auf Kosten des Publikums, denn das ist unfair. Ich darf meinen Wissensvorsprung nie ausspielen. Jede Frage hat ihre Berechtigung.

Lernen Sie vom Publikum?

Duschl: Ja. Fragen von Zuhörern bringen mich darauf, dass ich manches noch besser, noch genauer darstellen könnte. Es fällt mir kein Zacken aus der Krone, wenn ich mir das eingestehe. Ich strebe schließlich danach, dem Publikum einen optimalen Vortrag anzubieten. Welchen Einfluss die Praxis hat, merke ich besonders bei meinen neuen Vorträgen: Die werden erst nach vier, fünf Malen so richtig rund.

Wird die Erde durch Schwarze Löcher bedroht?

Duschl: Nein. Bei unserer Sonne ist das nicht akut. Sie hat zu wenig Masse, um zum Schwarzen Loch zu werden. Und selbst wenn, hätte das Schwarze Loch die gleiche Anziehungskraft der Sonne. Unser Problem wäre dann eher, dass es auf der Erde dunkel und sehr kalt werden würde. Die Schwarzen Löcher im Zentrum der Milchstraße müssen uns übrigens auch keine Sorgen bereiten: Sie wirken nur in ihrer Umgebung als Staubsauger. Ahrensburg ist also nicht in Gefahr.