Bäume fielen um, Züge standen still: Verkehr der Linie U1 zwischen Hamburg-Volksdorf und Großhansdorf wurde eingestellt, auch auf der R 10 ging nichts mehr. Retter waren im Dauereinsatz.
Ahrensburg. Der erste Herbststurm dieses Jahres hat gestern auch in Stormarn zu teilweise chaotischen Zuständen geführt. Bäume knickten wie Streichhölzer um oder wurden entwurzelt, fielen auch auf die Bahngleise. Folge: Der öffentliche Personennahverkehr stand vom Nachmittag an bis in die Abendstunden quasi still. Tausende von Pendlern saßen in Hamburg fest und wussten nicht, wie sie nach Hause kommen sollten.
Ahrensburger Bahnhof, kurz vor 16 Uhr. Die auf den Anzeigetafeln angekündigten Regionalbahnen zum Hamburger Hauptbahnhof und in Richtung Lübeck sind seit Langem überfällig. Die Menschen auf dem Bahnsteig werden unruhig. Da erklingt eine Lautsprecherdurchsage: „Der Zugverkehr auf der Linie R 10 wird zunächst bis 20 Uhr eingestellt.“ Unter den Wartenden steht auch Christian Wenzel. Er möchte nach Hamburg, nun hat ihm Sturmtief „Christian“ einen Strich durch die Rechnung gemacht. „Ja“, sagt Wenzel, „gegen die Naturgewalten ist eben kein Kraut gewachsen.“ Während der 57-Jährige noch kurz überlegt, was er nun machen soll, verlassen die meisten Menschen den Bahnhof im Laufschritt – in Richtung Taxistand.
Die Stormarner Taxibetriebe verzeichnen steigende Fahrgastzahlen. Ein Sprecher von Tele-Taxi in Ahrensburg sagt: „Während wir sonst fast keine Anfragen für Fahrten aus Hamburg nach Ahrensburg haben, hatten wir allein von 14 bis 17 Uhr rund 30. Die Zahl der Fahrten von Stormarn nach Hamburg hat sich verdreifacht.“
„Ein Taxi ist ja jetzt die letzte Möglichkeit, von hier wegzukommen“, sagt Christiane Kolat, auch sie möchte eigentlich in die Hansestadt. Es ist schon ihr zweiter Versuch. „Eigentlich nehme ich immer die U-Bahn“, sagt sie. Aber auch die U 1 ist gesperrt worden, sowohl zwischen Hamburg-Volksdorf und Großhansdorf als auch zwischen Hamburg-Volksdorf und Ohlstedt. „Es sind mehrere Bäume auf die Gleise gefallen“, sagt Hochbahn-Sprecherin Maja Weihgold, die auch von starken Verspätungen im Busverkehr berichtet. „Im Busverkehr ist die Lage sehr angespannt, da aufgrund von Entwurzelungen und Ästen der Straßenverkehr stark beeinträchtigt ist. Die Busse stehen leider im gesamten Stadtbereich mit im Stau.“ Alle verfügbaren Kräfte seien im Einsatz, berichtet Weihgold. Das gilt ebenso für die freiwilligen Helfer der Feuerwehren. „Es gibt eigentlich keine Wehr, die nicht gerade ausgerückt ist“, sagt ein Mitarbeiter der Rettungsleitstelle Süd in Bad Oldesloe. Dann schnappt er zwischen zwei Telefonaten kurz nach Luft.
Seine Ohren glühen: Die Telefone klingeln ununterbrochen. „Die Wehren versuchen, alles geordnet abzuarbeiten“, sagt er. Einen genauen Überblick über die Zahl der Einsätze hat er zu diesem Zeitpunkt längst nicht mehr. Die Polizei erlangt indes nur von einem Bruchteil der Einsätze Kenntnis. Innerhalb kürzester Zeit sind es in den Kreisen Stormarn und Herzogtum Lauenburg knapp 30.
„Es herrscht Chaos im Kreis“, sagt auch Ahrensburgs Wehrführer Florian Ehrich, der alle verfügbaren Helfer in die Wache am Weinberg beordert hat. Von dort aus brechen sie auf zu Rundfahrten durchs Stadtgebiet. Längst hat das Landespolizeiamt die Helfer aufgefordert, Prioritäten zu setzen: Zuerst müsse dort geholfen werden, wo Menschen in Gefahr seien. In Stormarn ist das bis Redaktionsschluss dieser Ausgabe zum Glück nicht der Fall. Im Timm-Kröger-Weg entdecken die Ahrensburger Helfer einen umgestürzten Baum, der quer über der Fahrbahn liegt. Für etliche Autofahrer hat er schon ein unüberwindbares Hindernis dargestellt. Die Feuerwehrleute verschaffen sich einen Überblick von der Lage. Auch hier ist niemand verletzt worden, offenbar, das ergibt ein erster Blick, ist es auch nicht zu größeren Schäden gekommen. Sekunden später schon heulen die Motorsägen auf, an mehreren Stellen gleichzeitig machen sich die Männer daran, den Baum zu Kleinholz zu verarbeiten. Sie wirken hektisch, alles muss ganz schnell gehen, der nächste Einsatz wartet schon: 21 Anrufe – das ist die Bilanz des Wehrführers Florian Ehrich nach zwei Stunden. „Und wir haben noch nicht sehr viele davon abarbeiten können.“ Er ahnt: Seine Leute und er haben eine lange, arbeitsreiche Nacht vor sich.