Um gleichzeitig Mutter und Chefin sein zu können, wünschen sich Stormarner Unternehmerinnen ein Umdenken bei Arbeitgebern. Drei Frauen in Führungspositionen berichten von ihren Erfahrungen.
Ahrensburg. Rund 5000 Unternehmerinnen gibt es im Kreis Stormarn. Viele von ihnen stellen täglich unter Beweis, dass Karriere mit Kind machbar ist. Fast jeder dritte Betrieb zwischen Reinfeld und Reinbek wird laut Industrie- und Handelskammer zu Lübeck (IHK) von einer Frau geleitet. Jeanette Rouvel ist eine von ihnen. Die Geschäftsführerin der Ahrensburger Softwareschmiede SPI weiß seit 2010, was es bedeutet, als Mutter eine Firma mit rund 30 Mitarbeitern zu leiten.
Zehn Wochen nach der Geburt ihres ersten Sohnes kehrte sie an den Schreibtisch zurück. Ihr Mann übernahm in Elternzeit die Betreuung. „Beim zweiten Kind bin ich bereits nach sechs Wochen wieder eingestiegen“, sagt die 39-Jährige. „Anfangs habe ich meinen Sohn, der jetzt zehn Monate alt ist, mit ins Büro genommen.“ Heute sorgen Kita und Großeltern dafür, dass die zweifache Mutter die Firma gemeinsam mit einem Kollegen führen kann. „Klar ist die Doppelbelastung anstrengend“, sagt Rouvel, „wenn die Kinder im Bett sind, arbeite ich weiter. Eine 50-Stunden-Woche ist die Regel.“
In größeren Firmen sind Frauen in Führung indes noch immer selten. Kreisweit gibt es 791 Geschäftsführerinnen in den 6224 im Handelsregister eingetragenen Unternehmen, das sind knapp 13 Prozent. „Die gut ausgebildeten Frauen scheuen die Verantwortung im Job nicht, stellen jedoch die fürs Kind darüber“, sagt Rouvel. „Die Vereinbarkeit von Job und Familie wird immer ein Kompromiss bleiben.“ Die Verantwortung, die eine Frau gegenüber den Kindern spüre, sei eine andere als die des Mannes.
Britta Beyersdorf hat ihre Kanzlei im eigenen Haus eingerichtet
Zudem verdiene in der Regel der Mann mehr als die Frau. „Dann heißt es nach einem Jahr oft, ich bleibe noch ein Jahr zu Hause und kehre nur in Teilzeit zurück“, so Rouvel. „Ich finde es wahnsinnig wichtig, dass Frauen schnell wieder einsteigen. Je länger der Ausstieg, desto schwieriger wird die Rückkehr.“ Um Müttern diesen Schritt zu erleichtern, biete SPI Unterstützung. „Bei uns können Frauen ihre Kinder bei Bedarf mit ins Büro bringen oder von zu Hause aus arbeiten.“ Junge Mütter sollten sich weder zu schade sein, Hilfe anzunehmen, noch den Anspruch haben, alles perfekt hinzukriegen, sagt Rouvel und rät: „Auch in der Elternzeit in Kontakt mit dem Arbeitgeber bleiben und sich frühzeitig ein Netzwerk für die Kinderbetreuung aufbauen.“
Um Job und die Betreuung ihrer damals zwei und sechs Jahre alten Kinder zu vereinbaren, machte sich Rechtsanwältin Britta Beyersdorf 2005 selbstständig. Ihre Kanzlei hat sie im Haus in Bad Oldesloe eingerichtet. „Ich arbeite im Umfang einer Vollzeitstelle, kann mir aber die Zeit selbst einteilen, also auch abends oder am Wochenende arbeiten“, sagt die Fachanwältin für Familienrecht. Das Modell sei für die Kinder überwiegend positiv. „Sie sind sehr selbstständig geworden. Durch die freie Zeiteinteilung und die Anwesenheit zu Hause kann ich trotzdem für die Jungs da sein, wenn sie mich brauchen.“
Wenn Frauen sich gegen Karriere entschieden, sei das keine Scheu vor Verantwortung, sondern eher eine vernünftige Einteilung der Kräfte, meint Britta Beyersdorf. Um mehr Frauen in Führungspositionen zu bekommen, müsse es selbstverständlich werden, dass Männer sich genauso um Kinder und Haushalt kümmerten wie Frauen – beispielsweise beide nur 30 Stunden arbeiteten. „Je mehr Männer sich auf solche Modelle einlassen, desto mehr werden sich Arbeitgeber mit Teilzeit-Arbeitnehmern auch in Führungspositionen anfreunden müssen“, so die 46-Jährige. „Erst wenn ein Arbeitgeber bei Männern und Frauen gleichermaßen befürchten muss, dass sie ihm aufgrund von Kindern abhandenkommen, wird die Bereitschaft steigen, familienfreundliche Arbeitszeitmodelle auch für Führungskräfte anzubieten.“
Viele junge Mütter entscheiden sich für die Selbstständigkeit
Es sei auffällig, dass sich in Stormarn viele junge Mütter für die Selbstständigkeit entschieden, um weiterzuarbeiten, sagt Birte Kruse-Gobrecht, Gleichstellungsbeauftragte des Kreises. „Frauen in Führungspositionen stoßen als Angestellte noch immer auf Widerstände bei der Vereinbarkeit von Job und Familie.“ Gerade befasse sich der Kreis mit dem Thema „Führung in reduzierter Arbeitszeit“.
Für Nicole Marquardsen war es immer klar, dass sie den Posten als Hauptgeschäftsführerin für den Verband der Südholsteinischen Wirtschaft (VSW) übernehmen würde, als er im Januar dieses Jahres vakant wurde. Die Mutter einer zweijährigen Tochter stieg bereits zehn Wochen nach der Geburt wieder in den Job ein, während Ehemann und Mutter ihr Kind betreuten. „Die Führungsposition habe ich nie bereut“, sagt die 44-Jährige, die täglich zwischen acht und zehn Stunden arbeitet. „Von Bekannten musste ich mich allerdings fragen lassen, wie ich das tun könne.“
Die Gesellschaft tue alles dafür, Frauen Angst zu machen, ihre Karriere trotz Kind zu verfolgen. „Dabei ist es machbar. Ich empfehle besonders jungen Akademikerinnen, länger zu arbeiten und sich zu etablieren, bevor sie ein Kind bekommen. Dann hat man aufgrund des Alters auch das Selbstvertrauen, beides zu schaffen.“
Mit ihrer Tochter verbringt Nicole Marquardsen jene Freizeit, die sie früher dem Sport und Freundinnen widmete. Sie sagt: „Ich will dann für mein Kind da sein.“