Interview mit Georg Fahrenschon anlässlich seines Vortrages in Ahrensburg. Der Sparkassenpräsident fordert die EZB zu einer Zinswende auf und plädiert für eine Wohnraum-Förderung für Familien und Geringverdiener.

Ahrensburg. Georg Fahrenschon ist seit 2012 Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV). Der 45-Jährige Münchener gehört der CSU an und war von 2008 bis 2011 bayerischer Finanzminister. Von 2002 bis 2007 war er Bundestagsabgeordneter. Fahrenschon studierte Wirtschaftswissenschaften in München und Augsburg. Dem Abendblatt stand Fahrenschon jetzt Rede und Antwort anlässlich seines erstens Besuchs bei der Sparkasse Holstein.

Hamburger Abendblatt: Waren Sie schon einmal im hohen Norden Deutschlands?

Georg Fahrenschon: Ich habe zweimal die steife Brise am Timmendorfer Strand genossen. Bayern haben ja eine Affinität zum Meer. In Ahrensburg beeindrucken mich besonders das Schloss und der Marstall.

Ahrensburg ist hoch verschuldet. Was raten Sie solchen Kommunen?

Fahrenschon: Verschuldungen sind nicht nur durch örtliche Gegebenheiten bedingt. Teile der Aufgaben, die der Bund hat, sind auf kommunale Ebene verschoben worden, ohne dafür Geldmittel zur Verfügung zu stellen. Ich erwarte, dass eine neue Bundesregierung das korrigiert.

Im Kreis Stormarn ist die Sparkasse Holstein aktiv, in Hamburg die Haspa. Wie hält es der DSGV mit der Konkurrenz von Instituten, die dem Verband angehören?

Fahrenschon: Im Regelfall konzentriert sich eine Sparkasse auf das Geschäftsgebiet ihres Trägers. Die wenigen Ausnahmen, die es bundesweit gibt, sind meist historisch gewachsen und aus Sicht der Verantwortlichen vor Ort auch begründbar. Solange das Einzelfälle bleiben, liegt es allein in der Verantwortung vor Ort, einvernehmliche Lösungen zu finden.

Sie treibt die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) um. Derzeit liegt deren Zinssatz bei 0,5 Prozent. Welche Folgen das für die Sparkassen?

Fahrenschon: Die Sparkassen können mit ihrer kaufmännischen Erfahrung durch eine solche ungewöhnliche Zinslandschaft navigieren. Volkswirtschaftlich gesehen, ist die Niedrigzinsphase aber risikoreich. Wenn Unternehmen und Sparer so hohe Vermögensanteile liquide halten, investieren sie weniger in langfristige Investments. Die Volkswirtschaft gerät immer stärker in eine von kurzfristigen Ausschlägen nach oben und unten bestimmte Konjunktur.

Was bedeutet die Niedrigzinspolitik für Kunden der Sparkassen?

Fahrenschon: Die niedrigen Zinsen führen de facto zu einer kalten Enteignung der Sparer. Für Deutschland bergen diese historischen Beinahe-Nullzinsen mit Blick auf die Altersvorsorge Gefahren. Es muss weiterhin einen Anreiz zum Sparen und zur Altersvorsorge geben.

Mit welchen Produkten könnten Sparkassen ihre Kunden derzeit vor Vermögensschwund schützen?

Fahrenschon: Hier sind individuelle Lösungen gefragt, die jeder Kunde im Gespräch mit seinem Berater herausfiltern sollte. Insgesamt beobachten wir jedoch, dass das Interesse an den eigenen vier Wänden und auch an breit gestreuten Wertpapieranlagen steigt.

Warum sollten Kunden noch Vertrauen in Anlagen haben, die Sparkassen anbieten? Skandale wie etwa der mit Lehman-Zertifikaten bei der Haspa haben das Vertrauen doch tief erschüttert?

Fahrenschon: Niemand ist frei von Fehlern, auch nicht die Sparkassen. Aber diejenigen Sparkassen, die Lehman-Papiere verkauft haben, haben die betroffenen Kundenberatungen einzeln sehr sorgfältig geprüft, und dort, wo man den Eindruck gewinnen konnte, dass die Beratung nicht den hohen Standards bei Sparkassen entsprach, die Kunden entschädigt. Das war ein sehr faires und transparentes Verhalten gegenüber den Kunden. So etwas schafft Vertrauen. Im Ergebnis sind die Sparkassen mit großem Abstand jene Kreditinstitute in Deutschland, denen die Bundesbürger das meiste Vertrauen entgegenbringen.

Angesichts der niedrigen Zinsen haben Sie empfohlen, der Staat sollte den Immobilienkauf besser unterstützen. Wie sollte das konkret geschehen?

Fahrenschon: Das Eigenheim – und speziell darum geht es uns – ist ein wichtiger Baustein der Altersvorsorge. Allerdings wohnt in Deutschland nur gut jeder zweite in den eigenen vier Wänden. Wir liegen damit weit hinter dem europäischen Durchschnitt einer Wohneigentumsquote von 71 Prozent. Es besteht also durchaus noch Potenzial. Unserer Meinung nach sollte in Deutschland über eine gezielte Wohnraum-Förderung für Familien und Geringverdiener nachgedacht werden.

Immobilien sind vielerorts teurer geworden. Lohnt sich der Kauf noch?

Fahrenschon: Unsere Experten von den Landesbausparkassen stellen auch fest, dass die Immobilienpreise steigen. Allerdings sind sie noch unter dem Niveau des Jahres 2000. Und im europäischen Vergleich sind Eigenheime in Deutschland relativ günstig. Das sind gute Argumente, wenn man über einen Eigenheimerwerb nachdenkt. Gleichwohl muss man das einzelne Objekt sorgfältig prüfen. Auch eine solide Finanzierung ist unerlässlich.

2015 soll es laut EZB-Chef Mario Draghi eine einheitliche Bankenabwicklung in Europa geben. Was halten Sie davon und in wessen Händen sollte sie liegen?

Fahrenschon: Die Erfahrungen aus der Finanzmarktkrise zeigen, dass große international tätige Banken ganze Volkswirtschaften mit in den Abgrund reißen können. Insofern ist es sinnvoll, über europaweit einheitliche Standards und Systematiken zur Bankenabwicklung nachzudenken. Eine europäische Lösung muss jedoch fest auf dem Boden bestehender rechtlicher Grundlagen und der Gewaltenteilung verankert sein. Aus diesem Grund plädieren wir für ein Netzwerk aus nationalen Aufsichtsbehörden. Budgetrelevante Entscheidungen, wie sie bei einer Bankenabwicklung anfallen können, müssen dabei immer von nationalen Parlamenten legitimiert werden. Wir finden es gut, wenn sich die EU bei der Etablierung eines solchen Netzwerks einen ehrgeizigen Zeitplan setzt, und noch besser, wenn sie ihn auch einhält. Bei diesen Regelungen darf man aber nicht alle Geschäftsmodelle über einen Kamm scheren. Eine Sparkasse hat nichts mit einem britischen Investmenthaus oder einer zypriotischen Auslandsbank zu tun. International ausgerichtete und grenzüberschreitend tätige Geldhäuser müssen anders behandelt werden als die regional verankerte Sparkasse oder auch die Volks- und Raiffeisenbank um die Ecke. Im Übrigen waren es vor allem die regionalen Sparkassen und Volksbanken, die entscheidend zur Stabilität der Finanzmärkte beitragen haben.

Was sollte die EZB anders machen?

Fahrenschon: Man kann der Meinung sein, dass die EZB fehlende Aktionsmöglichkeiten der Regierungen über ihre Geldpolitik auffangen musste. Langsam aber sicher müssen wir jedoch den Punkt definieren, an dem die Zinsen wieder steigen sollten. Denn die aktuelle Situation, in der eine sichere Anlage mit realem Vermögensverlust verbunden ist, ist für alle in Europa absolut ungesund. Momentan läuft weltweit eine Umverteilung von den Gläubigern zu den Schuldnern. Das kann nicht im Interesse einer Gesellschaft sein, die zurecht Wert auf Substanz und auf Stabilität legt. Zu lange zu viel billiges Geld erhöht die Risiken neuer Blasen.