Jugendschöffengericht in Reinbek verurteilt einen Täter zur Bewährungsstrafe. Zwei weitere kommen mit Geldstrafe und Sozialstunden davon. Im April überfielen sie eine Tankstelle in Reinbek.
Reinbek. „Ich wollte nicht als Feigling dastehen.“ Mit diesen Worten versucht Jam C. (alle Namen geändert)vor dem Jugendschöffengericht in Reinbek, um Verständnis zu werden. Verständnis für einen schweren Raubüberfall im April auf eine Tankstelle an der Möllner Landstraße in Reinbek. Und seine Worte finden offenbar Gehör. Die Richterin spricht ein mildes Urteil, neun Monate Haft, zur Bewährung ausgesetzt. Zudem muss Jam C. 100 Arbeitsstunden in einer gemeinnützigen Einrichtung leisten. Regungslos nimmt der 18-Jährige das Urteil an. Genauso wie die beiden Mitangeklagten Vitali J. und Ali L. Der 19-Jährige J. muss 150 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten, der gleichaltrige L. hat eine Geldstrafe von 600 Euro bekommen.
Es ist der 4. April 2012: Jam C. sitzt bei einem Freund in Reinbek. „Wir wollten chillen“, sagt der arbeitslose Oststeinbeker. Sein „Kollege“ Tobias G. sei dann auf die Idee gekommen die Tankstelle zu überfallen. „Er hat das auch schon ein paar Wochen zuvor vorgeschlagen, aber ich habe ihn nicht für voll genommen“, sagt der gebürtige Türke, der im Gerichtssaal immer wieder sein Kopf senkt. Dass es Tobias G. aber ernst meint, merkt C., als sein Freund einen schwarzen Revolver, ein Beil und schwarze Mützen mit Schlitzen hervorholt. „Zu diesem Zeitpunkt konnte mein Mandant nicht mehr zurück“, so der Verteidiger C.s in seinem Plädoyer. Genauso hätten sich die beiden Mitangeklagten Vitali J. und Ali L. mitreißen lassen. „Ich war rein zufällig in der Wohnung und ließ mich überreden“, so der gebürtige Kasache J. Er spricht mit leiser Stimmte und zieht immer wieder sein Kinn in den Ausschnitt seines Kapuzenpullis. Der Glinder wirkt noch sehr jugendlich.
Bei dem Überfall fährt er das Fluchtauto. „Sie sagten, ich soll zum Grenzweg fahren und dort warten“, erinnert sich der ebenfalls arbeitslose Vitali J. Auch die Rolle Ali L.s ist klar. „Ich sollte von der anderen Straßenseite die Tankstelle beobachten und Tobias und Jam Bescheid sagen, sobald keine Kunden mehr drinnen sind“, sagt der Mann mit dem glanzlosen, kurzen Haaren.
Die Täter erbeutet knapp 1000 Euro,die später aufgeteilt wurden
„Ich habe zwar angerufen, als die Luft rein war, aber ich hätte nicht gedacht, dass sie es tatsächlichen machen“, so L., der im Unterschied zu den anderen Angeklagten erwachsen wirkt. Er trägt ein hellblaues Hemd und eine beigefarbene Stoffhose, ein leichter Kinn- und Schnurrbartansatz sind zu erkennen.
Doch seine Freunde meinen es ernst. Beide stürmen in den Verkaufsraum. Jam C. hat den schwarzen Revolver, gefüllt mit zwei Gaspatronen, in der Hand und bedroht den Kassierer, während Tobias G. eine weitere Angestellte mit dem Beil in Schach hält. C. fordert den Tankwart auf die Kasse zu öffnen. „Er hat unter dem Tresen offenbar einen Knopf gedrückt und dann langsam das Geld aus der Kasse auf den Tresen gelegt“, erinnert sich C. und fügt hinzu: „Das ging mir zu langsam, also griff ich selbst in die Kasse.“
Der 18-Jährige schätzt, dass der Überfall etwa zehn Sekunden gedauert hat. Er und G. stürmen danach aus der Tankstelle, laufen zum Grenzweg. Dort wartet J. mit dem VW Passat seines Vaters. Gemeinsam flüchten sie in die Wohnung eines Bekannten.
Eigentlich sollte die Beute von knapp 1000 Euro gleich unter allen aufgeteilt werden. „Aber Tobias und ich dachten, das wäre nicht fair“, so Jam C. Deswegen bekamen Ali L. 100 Euro und Vitali J. nur 80 Euro. „Ich wollte die Waffe eigentlich gar nicht nehmen, aber ich hatte Angst, dass Tobias damit jemanden verletzen könnte“, sagt C. vor Gericht zu seiner Verteidigung. Die Staatsanwältin glaubt ihm offenbar und plädierte dafür, ihn lediglich zu verwarnen und mit Sozialstunden zu bestrafen. Diesem Antrag folgte die Richtern allerdings nicht.
Tobias G. hielt den Druck nicht mehr aus und stellte sich der Polizei
Milder als von der Anklägerin gefordert fällt indes das Urteil gegen Vitali J. aus. Die Staatsanwältin schlägt ebenfalls 200 Stunden gemeinnützige Arbeit vor. 50 mehr, als die Richterin später als Strafmaß feststellen wird. Zwar ist er nicht einer der Haupttäter gewesen, jedoch hat J. gemeinsam mit G. im April und Mai diverse Einbrüche in Gewerbebetriebe in Glinde verübt.
Fünf Taten hat er vor Gericht gestanden. Bei fast allen hat er Schmiere gestanden. Unter anderem erbeuteten sie in einem Friseur Haarschneidemaschinen und einen Fön, in einem Computerladen zwei Rechner und in einer Zahnarztpraxis einen Laptop und 60 Euro.
Aufgeklärt worden waren die Taten, weil Tobias G., der vor einigen Wochen vor Gericht stand und für diese Taten sowie eine Brandstiftung zu zwei Jahre Strafe auf Bewährung verurteilt wurde, sich selbst bei der Polizei gestellt hatte. Er habe den Druck nicht mehr ausgehalten. Weitere Ermittlungen der Beamten führten dann zu den drei weiteren Tätern.