Serie Jeden Sonnabend stellen wir einen Stormarner Verein und dessen Mitglieder vor. Heute: Der Häkelbüdelclub aus Schmachthagen.
Pölitz. Eine Platte mit Donauwellen und eine mit Apfelkuchen stehen auf dem Tisch im ehemaligen Klassenraum der Alten Schule Schmachthagen. Frieda Dabelstein hat die Leckereien mitgebracht. "Das ist bei uns immer so", sagt Margot Heins. "Wenn eine von uns Geburtstag hatte, backt sie Kuchen für alle." Die 15 Frauen des Häkelbüdelclubs Schmachthagen machen sowieso das meiste selbst. Da ist es egal, ob es ums Kochen, Backen oder Handarbeiten geht. Auch der Schal, den Margot Heins trägt, ist selbst gestrickt.
Und auch der braune Plüsch-Elefant, der auf einem Holzschränkchen in der Ecke des Raumes sitzt, ist von Hand genäht. Aus großen, roten Knopfaugen mustert er die kleine Gemeinschaft am Tisch. Margot Heins fragt ihre Sitznachbarin, ob sie Milch für den Kaffee haben möchte. Die Porzellantassen zieren grüne Blumenranken. Dasselbe Muster findet sich auf den Kuchentellern wieder. Es ist 19 Uhr. Für die Rentnerinnen ist es die richtige Zeit für eine Tasse Kaffee und ein gutes Stück Kuchen.
Ziel war es, den Verkauf der Dorfschule zu verhindern
Schon seit 40 Jahren treffen sich die Damen des Schmachthagener Häkelbüdelclubs immer dienstags um diese Zeit. Eigentlich machen sie Handarbeiten. "Wir haben früher für den Weihnachtsbasar der Gemeinde gehäkelt und gestrickt", sagt Anita Schneider. Die 77-Jährige ist so etwas wie die Präsidentin des Clubs. Sie hat ihn am 13. September 1973 gegründet - ein Dienstag natürlich.
Alles begann in der Abschlussklasse der damaligen Dorfschule. Die Schule sollte geschlossen, das Gebäude verkauft werden. Anita Schneider wollte das unbedingt verhindern. Einen Abend in der Woche könne sie sich mit ein paar Frauen dort treffen, so dachte sie, um mit ihnen allerlei Wolle zu verhäkeln und zu verstricken. Denn die Schule durfte nicht verkauft werden, solange sie kulturell genutzt wurde. So stand es in der Satzung.
Anita Schneider beschloss, einige Frauen für ihre Idee zu begeistern. Da sie kein Auto besaß, durfte sie mit Postboten von Haus zu Haus fahren. Viele der Damen waren skeptisch. "Das muss ich erst mit meinem Mann bereden", hörte sie immer wieder.
Dann aber klingelte sie bei Ruth Lüneburg. Die damals 36-Jährige antwortete auf Plattdeutsch: "Ik mak mit. Dor frag ik gar nich erst min Mann. De goht abends to Füerwehr." Und ihr Männe könne ruhig auch einmal auf die Kinder aufpassen, wenn die Frau beim Häkeln sei. Das war damals ungewöhnlich. Aber einige Männer sahen das ein und ließen ihre Frauen gehen.
An jenem ersten Dienstag im September 1973 trafen sich 15 Frauen im Klassenraum der Alten Schule. Eine Satzung gab es nicht und auch keine Anwesenheitsliste - das hat sich bis heute nicht geändert. Wenn sich die Frauen im Häkelbüdelclub treffen, wirkt es wie ein gemütliches Kaffeetrinken unter Freundinnen und nicht wie ein Vereinsabend.
Einmal im Jahr unternehmen die Frauen eine Fahrt ins Blaue
In den Jahren nach der Gründung knüpften die Frauen Teppiche, Wandbehänge und Läufer. Die Tasse Kaffee und das Stück Kuchen gab es schon damals dazu. Modeschmuck stellten sie für die Kinder her, Manschettenknöpfe für die Männer. Mit dem Eintritt von Asta Reinert 1978 begann der Häkelbüdelclub, in die weite Welt zu reisen. Einmal im Jahr organisierte sie eine Fahrt "ins Blaue", wie sie es heute noch nennt.
Mal ging es nach Dänemark, mal nach Büsum, mal nach Celle zur Hengstparade. Probleme gab es bei der Tour nach Friedrichstadt. "Dort hat der Rotkohl schrecklich geschmeckt", erinnert sich Christa Diener. Auch ein Gasthaus in Celle war nicht nach dem Geschmack der Damen. "Bei der einen waren die Kartoffeln nicht da, bei der anderen die Bohnen, und bei der dritten war keine Soße dabei", sagt Anita Schneider. Heute kann sie darüber lachen. Selbst machen ist für sie eben die beste Lösung.
1985 brach in der Runde das hoch ansteckende Pudelfieber aus
Bei den wöchentlichen Treffen brach 1985 eine hoch ansteckende Krankheit aus: das Pudelfieber. Plüsch-Pudel für die Kinder, die Enkelkinder, die Mutter und die Oma waren der Renner. Sogar als Dekoration für das Auto wurden die Hündchen genäht. Eichhörnchen, Elefanten und Teddys folgten und wurden auf dem Weihnachtsbasar in Pölitz verkauft. Das Angebot umfasste auch Topflappen, Pullover, Socken, Mützen und Schals.
Die Damen engagierten sich sozial und richteten die Weihnachtsfeier für das Altenheim im Nachbarort Schulenburg aus. Seitdem es ein sozial-psychiatrisches Wohn- und Pflegeheim ist, machen sie das nicht mehr. Aber das Grünkohlessen in Mollhagen zweimal im Jahr wird es immer geben. "Bei Bern in der Bahnhofsgaststätte ist es immer gut und reichlich", sagt Margot Heins. Im Juni geht es jedes Jahr zum Spargelessen. Und im September steht Matjes auf dem Speiseplan. Das sind die heimlichen Höhepunkte des Jahres.
"Es ist schön, nicht jeden Abend allein vor dem Fernseher zu sitzen", sagt Christa Diener. "Das bringt Abwechslung, und alle sind sehr gesellig." Inzwischen häkelt oder strickt kaum noch eine der Damen. Sie können es aber natürlich alle noch. Nur was sie mit den fertigen Pullovern oder Plüschtieren anfangen sollen, wissen sie nicht mehr so genau. Die Kinder sind groß, genauso wie die Enkelkinder. Und Schmachthagen ist klein. Die sozialen Aufgaben in der Gemeinde haben jüngere Frauen übernommen. Die Clubmitglieder sind heute im Schnitt 73 Jahre alt.
Sie spielen jetzt lieber Karten, wenn sie sich treffen. Skip-Bo, das so ähnlich wie Uno gespielt wird, ist angesagt bei den Rentnerinnen. Nur über den optimalen Zustand der Karten sind die Frauen sich nicht einig: Ganz neu und blank oder doch lieber abgenutzt und griffig?
Schummeln tut auf jeden Fall keine. "Dann macht es keinen Spaß", sagt Christa Diener. Die 70-Jährige verbaut ihrer Nachbarin Anita alle Möglichkeiten. "Sie ist da ganz gewitzt", sagt Anita Schneider. "Ach lass mich doch in Ruhe", entgegnet die Freundin und muss schmunzeln. An diesem Abend schlägt Elke Jack die anderen um Längen. "Man muss ja auch mal Glück haben", sagt die 61-Jährige, die das Küken im Club ist.
Kurz vor zehn ist Schluss. Die Teller mit dem Blumenmuster werden gespült und in den Schrank gestellt, auf dem der braune Stoffelefant sitzt. "Bis nächsten Dienstag", schallt es durch den kleinen Klassenraum. Dann geht das Licht in der Alten Schule in Schmachthagen aus.