Die Wirtschaft boomt, wenig Arbeitslose. Im Kleinen Theater Bargteheide schauen Künstler wie Ulrich Tukur oder Konstantin Wecker vorbei.
"Ich glaube an das Pferd. Das Automobil ist nur eine vorübergehende Erscheinung." Wenn Kaiser Wilhelm II. heute den Kreis Stormarn sehen könnte, dürfte er sich in seiner Ende des 19. Jahrhunderts gemachten Prognose zumindest teilweise bestätigt sehen. Rund 20.000 Pferde stehen nach Schätzungen des Kreispferdesportverbands in den Ställen zwischen Ahrensburg und Zarpen.
"Wir bieten für jeden etwas", sagt Klaus Thormählen, Vorsitzender des Verbands und 2011 Dressur-Landesmeister, "vom Ponyreiten übers Voltigieren bis zum ambitionierten Dressur- und Springsport." Es gebe viele gute Ausbilder und engagierte Vereine in allen Bereichen. Thormählen: "Und mit unserem neuen Perspektivkader fördern wir gezielt talentierte Jugendliche." Sein persönliches Lieblingsrevier teilt er mit vielen Freizeitreitern: die Hahnheide.
Größer als Hamburg
Ganz ohne Autos kommen die Menschen in den ländlichen Gebieten selbstverständlich nicht aus. Schließlich ist der Kreis mit seinen 766 Quadratkilometern größer als Hamburg (755), hat aber nur ein Achtel der Einwohner. 512 Quadratkilometer sind der Landwirtschaft vorbehalten, auf weiteren 117 Quadratkilometern sind Wald und Wasser zu finden.
Um mobil zu sein, brauchen die 230.000 Menschen meistens mehr als eine Pferdestärke: 130.000 Pkw haben das OD-Kennzeichen, das für Bad Oldesloe steht. Die heutige Kreisstadt war bis Mitte des 20. Jahrhunderts vor allem für ihre Salzgewinnung bekannt. 1910 bekam das Sol-, Moor- und Schwefelbad Oldesloe dann auch den Zusatz "Bad". An diese Zeit erinnern viele herrschaftliche Villen und der mitten in der Stadt gelegene Kurpark.
Für Landrat Klaus Plöger strotzt Stormarn nur so von positiven Eigenschaften. "Wir sind ein wirtschaftsstarker Kreis", sagt er, "der trotzdem unheimlich viel Idylle und Natur bietet." Beides werde in Zukunft so bleiben. Plöger sagt selbstbewusst: "Einer unserer Vorteile ist, dass man sowohl von Hamburg als auch von Lübeck aus schnell bei uns ist." So gibt es nicht nur 48.000 Stormarner, die täglich zu Arbeitsplätzen außerhalb des Kreises pendeln, sondern auch fast 39 000 Pendler, die den umgekehrten Weg nehmen.
Wachsende Städte
Wegen der zentralen Lage an der Vogelfluglinie nach Skandinavien, der Achse Hamburg-Berlin und der Nähe zu den Häfen in Hamburg und Lübeck haben sich große Industrie- und Handelsunternehmen niedergelassen. Die Arbeitslosenquote ist die niedrigste in Schleswig-Holstein. Zeitweise sinkt sie sogar unter die Vier-Prozent-Grenze - auch bundesweit ein Spitzenwert. Entsprechend hoch ist die Kaufkraft, die um fast 50 Prozent über dem Bundesdurchschnitt liegt.
Kein Wunder, dass der Kreis bei Neubürgern sehr beliebt ist. Städte wie Ahrensburg und Bargteheide sind in den vergangenen Jahren schnell gewachsen. Das größte Neubaugebiet Schleswig-Holsteins kann allerdings die 16.000-Einwohner-Stadt Glinde vorweisen. Auf dem ehemaligen Bundeswehrgelände An der Alten Wache entstehen Häuser und Mietwohnungen für bis zu 3000 Menschen. Im Gegensatz zu fast allen anderen Kreisen in Schleswig-Holstein soll die Einwohnerzahl in Stormarn auch in den nächsten Jahrzehnten weiter wachsen. Ein Großteil der Neubürger kommt aus Hamburg. Die guten Straßen- und Bahnverbindungen lassen die Großstadt und das Umland zusammenwachsen. So bringt der Regionalexpress Pendler aus Ahrensburg in 14 Minuten zum Hamburger Hauptbahnhof, von Bad Oldesloe sind es 24 Minuten. Von Reinbek aus ist die S-Bahn in 25 Minuten in der City.
Die Stormarner können zwar schnell von zu Hause wegkommen, müssen es aber nicht. Fast überall liegen Wasser - vom Bredenbeker Teich bei Ammersbek über den Großen- und Lütjensee bis zum Reinfelder Herrenteich - und Wald quasi vor der Haustür. Einer dieser Wälder, das Naturschutzgebiet Hahnheide bei Trittau, bietet vom 27 Meter hohen Aussichtsturm auf dem 99 Meter hohen Großen Hahnheider Berg den besten Blick über Felder und Wiesen: Bei gutem Wetter sind im Westen die Kirchtürme von Hamburg und im Nordosten die von Lübeck zu sehen. Am besten ist die Natur mit dem Fahrrad zu erkunden: Zahlreiche Wanderwege mit einer Gesamtlänge von 670 Kilometern sind ausgeschildert.
Das Kleine Theater als Starmagnet
Hoch hinaus geht es auch im Klettergarten Lütjensee. Der Natur-Hochseilgarten bietet 99 Hindernisse, die zwischen eineinhalb und 20 Meter über dem Waldboden liegen. Im Norden des Kreises liegt das zehn Hektar große Naturerlebnis Grabau, das die Sparkassen-Kulturstiftung Stormarn eingerichtet hat. Jährlich fahren rund 7000 Kinder aus Kindergärten und Grundschulen dorthin, um mehr über Pflanzen und Tiere im Wald zu erfahren. Der Lehr- und Erlebnispfad sowie der große Waldspielplatz stehen allen Besuchern offen - bei freiem Eintritt.
Kulturell hat der Kreis in den vergangenen Jahrzehnten ebenfalls mächtig aufgeholt. Im Kleinen Theater Bargteheide schauen Künstler wie Ulrich Tukur, Konstantin Wecker, Dominique Horwitz oder Gustav Peter Wöhler immer wieder gern vorbei. Regisseur Detlev Buck, der in der Stadt aufs Gymnasium ging, kommt regelmäßig zu den Premieren seiner Filme.
"Mein Herz hängt aber vor allem an der Arbeit mit den Kindertheatergruppen", sagt Kirsten Martensen, die das Theater seit 1991 aufgebaut hat. Viele heute bekannte Film- und Theaterschauspieler haben bei ihr die allerersten Schritte auf der Bühne gemacht - so wie David Kross, der in "Der Vorleser" mit Kate Winslet im Bett lag und in "Gefährten" mit Steven Spielberg gedreht hat. Das Programmkino wurde 1997 als das beste in Deutschland ausgezeichnet und heimst seitdem alljährlich weitere Preise ein.
Andere Orte müssen sich ebenfalls nicht verstecken, schließlich engagieren sich mehr als 160 Vereine und Gruppen kulturell. Ahrensburg punktet mit Ausstellungen, Theater, Lesungen und Konzerten im Marstall und im Schloss, Trittau mit Wassermühle und Altem Bahnhof. In Reinbek steht ebenfalls das Schloss im Mittelpunkt, in Glinde das Gutshaus.
Bei den Musiknächten in Ahrensburg und Bad Oldesloe sind Tausende Menschen unterwegs, ebenso bei der Reinfelder Kulturnacht. Der von der Kreiskulturreferentin initiierten Aktion "Der Kreis Stormarn liest ein Buch" mit 80 Veranstaltungen in mehr als 20 Orten sollen weitere Großprojekte folgen.
Und sogar für den schönsten Tag des Lebens hat Stormarn etwas Besonderes zu bieten. Hochzeitspaare können sich in den Schlössern in Ahrensburg, Reinbek und Tremsbüttel, dem Bargteheider Jagdschloss Malepartus, dem Gutshaus Glinde, dem Kloster Nütschau, der Braaker Mühle und dem Stormarnschen Dorfmuseum in Hoisdorf ganz stilvoll trauen lassen. Die passende Pferdekutsche sollte schnell zu finden sein.
In der nächsten Folge am 19.12.: Kreis Segeberg
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