Viele Stormarner bekommen jetzt ihre Abrechnungen. Angesichts der hohen Preise suchen immer mehr Menschen Beratungsstellen auf.
Bad Oldesloe. Für Zekeriya Kilic sind 120 Euro eine Menge Geld. Diese Summe muss er in diesem Jahr nachzahlen. Geld, das er eigentlich gar nicht hat. Er kann seinen alten Kühlschrank nicht gegen ein energiesparenderes Modell austauschen. Das wäre zu teuer. Der 48-Jährige arbeitet in einem Minijob und bezieht Hartz IV. Wenn die Energiekostenabrechnung im Briefkasten liegt, wird Zekeriya Kilic unruhig. Einen Teil der Kosten für Warmwasser und Heizöl bezahlt das Arbeitsamt. Strom zahlt er zusätzlich. Problem ist: Der wird im kommenden Jahr noch deutlich teurer, durch die gerade beschlossene Erhöhung der Umlage für erneuerbare Energien. Auch die anderen Energiekosten steigen.
Viele Stormarner, die zur Miete wohnen, bekommen in diesen Tagen ihre Nebenkostenabrechnungen für das Jahr 2011. Nach Angaben des Mietervereins Lübeck, der auch für Stormarn zuständig ist, sind sie oft so hoch, dass die Mieter finanzielle Probleme bekommen. Besonders die gestiegenen Energiekosten treiben die Rechnungen in die Höhe. Ein Ende der Preissteigerungen für Strom und Wärme ist nicht in Sicht: Die Ökostrom-Umlage wurde gerade erhöht, die Änderung wird 2013 greifen. Doch beim Lübecker Mieterverein hat man schon jetzt mit den hohen Belastungen durch die Energiepreise zu tun.
"Zurzeit kommen viele Mitglieder zu uns, die beraten werden wollen", sagt Thomas Klempau, Geschäftsführer des Mietervereins, der in Stormarn etwa 1200 Mitglieder hat. "Sie beklagen sich über sprunghaft angestiegene Kosten für Heizung und Warmwasser." Die Statistik spreche für sich: "Strompreise sind seit 2005 deutschlandweit um 44 Prozent gestiegen. Heizkosten um 31 bis 62 Prozent. Das macht sich deutlich bemerkbar."
Besonders zu spüren bekommen das Menschen wie Zekeriya Kilic, die von wenig Geld leben müssen. Monique Hoenig ist Leiterin der Schuldnerberatung im Gutshaus Glinde (Möllner Landstraße 53), das von der Sönke-Nissen-Park Stiftung betrieben wird. Sie sagt, dass das Problem in den vergangenen Jahren "auf jeden Fall" größer geworden sei. Betroffen seien alle Geringverdiener, besonders ältere Menschen, die von kleinen Renten leben müssen. Ähnliche Beobachtungen machen die Mitarbeiter der Schuldnerberatung Bad Oldesloe: "Wir stellen fest, dass immer mehr Menschen ihre Nebenkostenabrechnungen nur noch in Raten abtragen können", sagt Ute Lehmann von der Beratungsstelle der Stormarner Arbeiterwohlfahrt (Berliner Ring 12). Beim Verein Fit e.V., der ebenfalls in Bad Oldesloe ansässig ist und ehrenamtlich Mieter berät, ist das Problem ebenfalls bekannt. "Im Strom- und Heizungsbereich gab es sehr dynamische Erhöhungen, deswegen kommen viele der Betroffenen zu uns", sagt der Geschäftsführer Gerd-Günter Fink.
Vereine wie Fit. e.V. und die Schuldnerberatungen helfen Mietern dabei, ihre Außenstände Schritt für Schritt zu begleichen. "Wir versuchen, Vereinbarungen mit den Energieunternehmen zu treffen. Wenn das nicht funktioniert, können unsere Klienten auch ein zinsloses Darlehen beim Jobcenter beantragen", sagt Monique Hoenig. Indes: Die Energiekosten werden immer höher. Denn jetzt wird die Umlage, die auf den Strompreis zur Förderung erneuerbarer Energien aufgeschlagen wird, um 47 Prozent auf 5,277 Cent pro Kilowattstunde steigen. Für die Bürger bedeutet das: Die Stromkosten erhöhen sich zum Jahr 2013. Ute Lehmann betont, dass besonders Menschen betroffen sind, die Arbeitslosengeld II beziehen. Denn sie müssen mit diesem Geld auch ihre Stromrechnungen bezahlen.
Bleibt ein Weg, die Kostensteigerungen zumindest zu lindern: Mieter müssen mehr denn je Energie sparen. Der Mieterbund und die Schuldnerberatungen haben dazu Angebote. Eine Möglichkeit, die sich speziell an die Empfänger von Wohn- und Arbeitslosengeld richtet, bietet der Ausbildungsverbund Stormarn/Lauenburg an.
Die Einrichtung der Norddeutschen Gesellschaft für Diakonie hat sechs "Stromsparhelfer" im Einsatz. Sie kommen in die Wohnungen bedürftiger Menschen, berechnen den Energieverbrauch der Geräte und geben Tipps zum Heizen. Bei einem weiteren Termin tauschen sie Stromfresser wie Halogenlampen gegen sparsame Alternativen aus. Alles kostenlos. "Haushalte, die sich von uns beraten lassen, sparen im Schnitt 140 Euro jährlich", sagt der zuständige Bereichsleiter Erich Höhne.
Pro Haushalt können seine Teams bis zu 70 Euro ausgeben. Eine Förderung des Bundesumweltministeriums macht es möglich.
Aber was, wenn das Haus selbst für hohe Energiekosten sorgt - durch undichte Fenster, ungedämmte Wände und alte Heizungen? Wie Thomas Klempau sagt, bietet der Mieterbund Argumentationshilfen an, falls der Vermieter zögerlich bei Neuinvestitionen ist. Beim Eigentümerverband Haus und Grund Stormarn betont man allerdings, dass viel Geld in Energiesparmaßnahmen gesteckt werde. "Es gibt eine starke Neigung zu investieren, bei Eigenheimen und Mietimmobilien", sagt der schleswig-holsteinische Verbandsdirektor Alexander Blaschek. Ein Grund dafür sei ein neues Förderprogramm des Landes Schleswig-Holstein, das solche Investitionen bezuschusst.
"Viele investieren in neue Dächer, Fenster oder Heizungsanlagen. Diese Maßnahmen werden meistens nach und nach durchgeführt". Statistisch gesehen seien 1,5 Prozent aller Stormarner Immobilien voll saniert - das habe eine Umfrage ergeben. Der Bundesdurchschnitt liege bei einem Prozent. Nur in einem Punkt seien die Stormarner zögerlich: "Wärmedämmung ist nicht so beliebt. Wir haben hier viele Rotklinker-Gebäude, viele tun sich deshalb aus ästhetischen Gründen schwer, Dämmplatten davor zu setzen."