Die Alte Wache ist das größte Neubaugebiet Schleswig-Holsteins. Was zeichnet es aus? Welche Probleme verursacht das schnelle Wachstum?
Glinde. Am 14. März 2008, beim ersten Spatenstich, herrschte noch gähnende Leere auf dem ehemaligen Bundeswehrdepot. Mittlerweile ist Leben eingekehrt. Die Alte Wache in Glinde ist Schleswig-Holsteins größtes Neubaugebiet - und die Bautätigkeiten auf dem 35 Hektar großen Areal zwischen Möllner Landstraße und Oher Weg sind weitgehend abgeschlossen.
2000 Neubürger etwa, so schätzt Glindes Bürgermeister Rainhard Zug, beschert das Neubaugebiet der Kleinstadt im Süden Hamburgs. Zählte das Einwohnermeldeamt 2009 noch rund 16 200 Glinder, waren es Ende Juli dieses Jahres bereits 17 754. "Im vergangenen Jahr ist die Zahl monatlich um etwa 120 Bürger gestiegen", sagt Zug nicht ohne Stolz. Mit einem Ende des starken Wachstums rechnet er im Laufe des kommenden Jahres. "Wenn im Herbst bis Frühjahr die letzten einziehen, wird sich die Zahl bei etwa 18 000 einpendeln", schätzt der Verwaltungschef.
+++ Wachstum braucht Augenmaß +++
Im Dezember soll der letzte Bauabschnitt der Mehrfamilienhäuser, die die Neue Lübecker derzeit noch an der Möllner Landstraße errichtet, abgeschlossen sein. Spätestens innerhalb der ersten Jahreshälfte sollten die insgesamt 750 Wohneinheiten, die in der Alten Wache entstanden sind, bezogen worden sein. "Dann ist der ganz große Zuzug beendet", sagt Zug, der mit der Entwicklung des neuen Stadtteils sehr zufrieden ist.
Die Alte Wache habe sich viel schneller entwickelt als ursprünglich geplant. Innerhalb von nur 21 Monaten waren die Grundstücke für 93 Einfamilien- und 45 Doppelhäuser ausverkauft. Dabei hatte die Grundstücksentwicklungsgesellschaft An der Alte Wache mit ursprünglich sechs Jahren Verkaufszeit gerechnet. Und nicht nur, dass die Bauplätze binnen weniger Monate verkauft waren, auch die Gebäude schossen schneller aus dem Boden als gedacht.
Und somit kamen auch viele der Neu-Glinder eher, als es die Stadtverwaltung geplant hatte. Und gerade dies stellt die Stadt auch vor Probleme. "Wir arbeiten jetzt intensiv daran, auch mit der Infrastruktur nachzukommen", sagt Zug. Vor allem die Kinderbetreuung ist für die Kleinstadt ein Kraftakt geworden - planerisch, politisch und vor allem finanziell. Denn bereits mit Eröffnung der Kindertagesstätte Zwergenwache, mitten im neuen Stadtteil, wurde Anfang 2011 schnell deutlich: Die Plätze in der Kita reichen vorne und hinten nicht.
+++ Die 17 500. Glinderin +++
"Dabei haben wir vorher alles Mögliche getan, um vorbereitet zu sein. Wir haben versucht herauszufinden, wie groß die Familien sind, die die Grundstücke erworben haben. Wir haben Elternbefragungen gemacht, ob und wie viele Plätze sie brauchen werden und darum gebeten, die Kinder so schnell wie möglich anzumelden", so Zug. Doch die Zukunft sei trotz aller Statistiken nicht immer planbar.
Die Politik handelte schnell, gab ihr Okay nicht nur für die Schaffung neuer Gruppen in bereits bestehenden Kitas, sondern auch für eine weitere Kita, die im Frühjahr 2013 im Gewerbegebiet der Alten Wache fertiggestellt werden soll. 2,8 Millionen Euro kostet der Bau für 110 Kinder, die in acht Gruppen betreut werden. "Alle zusätzlichen Plätze kosten die Stadt aber auch Geld. Allein die laufenden Kosten bedeuten für Glinde eine Million Euro mehr im Jahr", sagt Zug, der im Einwohnerwachstum aber vor allem Positives sehen will. "Die neuen Bürger vermitteln viel Aufbruchstimmung für die Stadt und das in einem sehr gelungenen schönen Stadtteil. Nun hoffen wir nur noch, dass sie sich schnell in die Glinder Gemeinschaft integrieren werden."
Der Familie Pegelow ist das bereits gelungen. Thorsten und Gabriele Pegelow zogen Ende November mit Tochter Isabell-Marie in ein Einfamilienhäuschen, in dessen Garten in diesem Jahr die ersten Blumen blühen und in dem sie sich mittlerweile häufig mit neuen Nachbarn niederlassen. "Als wir einzogen, gab es schräg gegenüber ein Haus, und ein paar Meter weiter wurde noch ein anderes gebaut. Sonst war noch nichts. Und dann kamen etliche nach", sagt Thorsten Pegelow. Ein Vorteil der ersten Bewohner: Es war kein Problem, für Tochter Isabell-Marie einen Kitaplatz zu bekommen. "Das war völlig unkompliziert. Heute ist das anders", sagt Pegelow.
Auf einen Platz für ihren Sohn im neuen Kindergarten hoffen Martin und Meng Umland. Die 31 und 33 Jahre alten Ingenieure aus Hamburg, die mittlerweile in einer Doppelhaushälfte wohnen, haben ihren sechs Monate alten Maximilian schon zwei Tage nach seiner Geburt in der Kita angemeldet. Dort stehen sie auf der Warteliste. "Wir finden, dass das Wohngebiet richtig toll geworden ist. Wir fühlen uns sehr wohl, aber der fehlende Kita-Platz kann für uns ein richtiges Problem werden", sagt Meng Umland, die im Frühjahr gerne wieder arbeiten gehen möchte.
Die junge Mutter ist mit diesem Wunsch nicht allein. Eine Elternbefragung ergab, dass etwa 61 Prozent der Glinder Mütter mit Kindern unter drei Jahren erwerbstätig sind - 1996 waren es nur 22 Prozent. Meng Umland: "Wenn das jetzt noch klappt mit dem Kitaplatz, ist alles perfekt."