Vor einem Jahr starb die Tochter von Cordula Fuß und Olaf Radeloff an einer Bushaltestelle in Bargteheide. Der Vater lebt seitdem sehr zurückgezogen

Elmenhorst. "Mama, wir haben hier alle Spaß, mach' dir bitte keine Sorgen." Es sind die Worte einer Tochter, die jede Mutter nur zu gut kennt - auch Cordula Fuß. Es ist der letzte Satz, den sie von ihrer Tochter Kim-Laura hört. Kurz nach dem Telefonat wird ihre geliebte "Kimmi" überfahren. Ein betrunkener Autofahrer verliert die Kontrolle über seinen dunkelgrünen BMW, rast in eine Menschentraube und erfasst die 16-Jährige. Einige ihrer Freunde können gerade noch zur Seite springen.

"Ich habe bis heute noch nicht realisiert, was passiert ist", sagt Kim-Lauras Vater Olaf Radeloff. Fast genau ein Jahr ist seit dem tragischen Unfall an der B 75 in Bargteheide vergangen. Seitdem ist für ihn und Cordula Fuß nichts mehr, wie es vorher war. Und es wird auch nie wieder so sein. Olaf Radeloff verlässt das Haus in Elmenhorst nur selten. Er hat sich zurückgezogen. "Kimmi hat für ihr Leben gern gelacht", sagt er und blättert in einem dicken Fotoalbum. Auf Hunderten von Bildern schaut ihn seine Tochter fröhlich an. Auf einem Foto umarmt sie einen Delfin. Auf einem anderen ist sie im Taucheranzug zu sehen. "Das Tauchen war unser Hobby", sagt der Vater. Seit Kim-Lauras sechstem Geburtstag waren beide weltweit in den Taucherparadiesen unterwegs.

Vor allem Thailand hat das Mädchen geliebt. "Als beim Tsunami viele Menschen dort alles verloren hatten, ging Kimmi mit einer Blechdose von Tür zu Tür und sammelte Spenden", sagt Cordula Fuß. "400 Euro kamen zusammen. Den Durchschlag der Überweisung und einen Zettel, auf dem Danke stand, heftete sie damals ans schwarze Brett unseres Markant-Einkaufsmarktes. So war unsere Kimmi."

Doch die Freude am Reisen hat Olaf Radeloff verloren. "Es fällt mir sogar schwer, mit meiner anderen Tochter schwimmen zu gehen", sagt er, "dabei hat sie doch nichts getan und genau das gleiche wie ihre große Schwester Kimmi verdient."

Der Vater empfindet Wut und Hass gegenüber dem Menschen, der seine Tochter getötet hat. "Der hat mein Kind umgebracht", sagt Radeloff. Ganz leise fügt er hinzu: "Hätte Kimmi sterben müssen, weil ein Autofahrer beispielsweise einen Herzinfarkt erlitten hatte, würde ich nicht diesen Hass empfinden. Das könnte doch jedem von uns passieren. Mit solch einem Menschen könnte ich mich sogar an einen Tisch setzen. Aber nicht mit jemanden, der sich betrunken hinter das Steuer setzt und vorher noch die Wahl hatte, mit einem Taxi nach Hause zu fahren."

Dem Unfallfahrer wird Radeloff im Prozess vor dem Amtsgericht Reinbek erstmals begegnen. "Ich weiß, dass wir dann wieder in ein tiefes Loch fallen. Da kommt noch etwas auf uns zu", sagt er, Der Elmenhorster kann nicht nachvollziehen, warum er mehr als ein Jahr auf die Verhandlung warten musste. "36 Stunden nach dem Tod hatten wir einen Brief von der Behörde im Kasten, dass die Kindergeldzahlungen für Kimmi eingestellt werden", sagt der Familienvater und schüttelt den Kopf.

"Wir bemühen uns immer, die Verfahren schnell abzuschließen", sagt die Reinbeker Jugendrichterin Ute Schulz Hillert, die über die Strafe für den Unfallfahrer Marcel J. entscheiden wird. Der Prozess gegen den damals 20-Jährigen ist für den 16. November vor dem Jugendschöffengericht in Reinbek angesetzt. Obwohl die Staatsanwaltschaft am 18. April Anklage wegen fahrlässiger Tötung und Gefährdung des Straßenverkehrs erhoben hatte, konnte erst jetzt ein Termin gefunden werden. "Das ist ein absoluter Ausnahmefall", sagt Schulze Hillert, die im August verhandeln wollte. Doch der Sachverständige, der den BMW untersucht hatte, habe keine Zeit gehabt. Auch die Richterin weiß, dass das Warten für die Eltern unerträglich sei.

Olaf Radeloff hofft, dass der Todesraser von Bargteheide eine gerechte Strafe bekommt. Und dass er dann endlich anfangen kann, den Verlust seiner Tochter zu verarbeiten. Er sagt: "Wir tragen sie in unseren Herzen."