Nach dem Erfolg in Berlin sieht sich die Partei vor der Landtagswahl im kommenden Jahr im Aufwind. Wahlkampf am Stammtisch.

Reinbek. Das Licht ist gedämpft, die Stimmung irgendwie konspirativ, und das Bier perlt in großen Gläsern. In solch einem Ambiente fühlen sich Piraten offenbar wohl. Sie sitzen in der Kneipe John ò Groats in Reinbek zusammen. Hans-Jörg Haase ist einer von ihnen. Der 50-Jährige soll bei der kommenden Landtagswahl im Wahlkreis Stormarn-Süd auf Stimmenfang gehen - für die Piratenpartei.

Hans-Jörg - Piraten reden sich mit Vornamen an - und Dieter, genannt Didi, Wöhrmann, Frank Hansen und Silvia Haase plaudern über Grundsätzliches. "Durch die Subventionierung der Biogas-Branche gehen immer mehr landwirtschaftliche Nutzflächen verloren", sagt Siliva. Hans-Jörg nimmt den Ball auf: "Und wir sind stärker auf Importe aus Afrika angewiesen. Dort aber hungern die Menschen." Um auf diese Missstände hinzuweisen, seien Parteimitgliedern auch auf der Landwirtschaftsmesse Norla in Rendsburg vertreten gewesen, um ihre Positionen zum Thema Landwirtschaft darzustellen.

Frank meint, dass es nicht stimme, dass die Ölreserven der Erde endlich seien. Er beklagt: "Es kann doch nicht sein, dass wir Lebensmittel verfeuern, anstatt sie über Tafeln Bedürftigen zukommen zu lassen." Frank hat lange Haare und eine tiefe, laute Stimme - wie man sich einen echten Piraten vorstellt. Doch er ist "nur" Sympathisant und noch kein Mitglied. Hans-Jörg zückt einen Zettel und reicht ihn Frank. "Hier hast du gleich einen Mitgliedsantrag." Ein fremder Mann kommt aus dem Dunkel der Kneipe an den Tisch. Er möchte auch einen Antrag haben. Hans-Jörg reicht ihm den Zettel und blickt zufrieden in die Runde. "Die Berlin-Wahl hat uns schon frischen Wind gebracht", sagt er. "Wir sind die erste Partei, die gleich bei der ersten Wahl direkt den Einzug ins Parlament geschafft hat. Das ist den Grünen zu Beginn nicht gelungen."

Auch Didi glaubt, dass der unerwartete Erfolg die Partei weitaus bekannter gemacht hat. "Wir werden von den anderen jetzt sicherlich ernster genommen", sagt er. Er finde es schade, dass viele Wähler ihre Entscheidung stark von der Bundespolitik abhängig machten. Dabei habe die Landes- und Kreispolitik doch ganz andere Themen und Gestaltungsmöglichkeiten. Didi hat bereits den Wahlkampf 2009 mitgemacht. "Damals kamen schon ein paar komische Kommentare", erinnert er sich. Viele sähen in den Piraten nach wie vor die jungen Computer-Nerds. "Das stimmt doch nicht, wenn man sich hier mal umschaut", sagt Haase.

Mittlerweile ist auch Torsten Krahn zur Runde gestoßen. Er trägt einen schwarzen Pullover. In orangefarbenen Lettern steht Piratenpartei vorne drauf. Torsten ist Pressesprecher und kommt aus der Nähe von Lübeck. Er zückt, kaum dass er sich gesetzt hat, einen Laptop und eine kleine Funkmaus. Er organisiert das weitere Vorgehen auf Landesebene mit. "Am 9. Oktober stellen wir bei einem Parteitag in Kiel die Landesliste auf", berichtet er. "Es werden definitiv mehr als 15 Namen darauf stehen", sagt er mit Blick auf die Berliner Parteifreunde und lacht. Dort hatte die Partei 15 Personen aufgestellt, die alle ins Abgeordnetenhaus der Hauptstadt einzogen. "Wir haben bereits über 20 Leute auf der Liste", sagt Torsten, zählt aber vorsichtshalber noch einmal auf dem Bildschirm seines Laptops nach.

Einer von ihnen wird voraussichtlich Hans-Jörg sein. Er will für den Wahlkreis Stormarn-Süd ins Rennen gehen. "Reinbek wird eine harte Nuss, weil hier viele ältere Menschen wohnen", sagt er. Eines seiner Themen werde die gesundheitliche Versorgung der Patienten im ländlichen Raum sein, sagt Hans-Jörg. "Wir müssen vom Facharztzentrum-Wahn wegkommen", fordert er. Es könne nicht sein, dass die gute ärztliche Versorgung sich in den Großstädten balle, "während man auf dem Land Tumore mit Quarkmasken behandelt".

Hans-Jörg arbeitet als freier Berater in der Gesundheitsversorgung. Er ist erst im vergangenen Juni zum Pirat geworden. "Mein Sohn hat mir die Partei nahegebracht", sagt er. Als es um das Verbot der Internet-Plattform Kino.to ging, machte er den Schritt. "Da habe ich mir gesagt, dass ich jetzt meine Stimme erheben muss." Mithilfe der Staatsgewalt hätten sich große Unternehmen wie Amazon durch das Verbot den wachsenden Markt von Video-Downloads erschlossen.

Die etablierte Politik verteufele das Medium Internet. Didi sagt: "Nach dem Amoklauf von Erfurt 2002 wurden Jugend und Internet als böse abgestempelt." Dabei seien die Probleme des Täters ganz andere gewesen. Das Internet ist und bleibt ein zentrales Thema der Piraten. "Für uns ist es ein Arbeitsmittel, um effizienter zu kommunizieren. Für andere Parteien ist es nur eine Werbeplattform", sagt Hans-Jörg. Über das Netz habe er mittlerweile Kontakt zu einem französischen Sympathisanten hergestellt. Man habe sich um die gesundheitliche Versorgung vor Ort ausgetauscht. "Die Partei ist anders als beispielsweise die FDP eine paneuropäische Partei."

Doch nun müssen Hans-Jörg, Didi und Torsten und ihre Mitstreiter die Brücke in die Kommunalpolitik schlagen. Durch den Stammtisch will Hans-Jörg nun den Kontakt zur traditionellen Wählerschaft erschließen. "Ich möchte so am Puls der Stadt fühlen und nahe an der Bevölkerung sein."