Fanseiten in Schleswig-Holstein müssen geschlossen werden. 13 Fragen und Antworten zu Datenschutzlücken beim Netzwerk-Riesen
Ahrensburg. Facebook-Fanseiten abschalten, "Gefällt-mir"-Buttons entfernen: Mit dieser Forderung hat der Landesdatenschutzbeauftragte Thilo Weichert für Aufsehen gesorgt. Zentraler Satz: "Das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutzschutz (ULD) erwartet von allen Webseitenbetreibern in Schleswig-Holstein, dass sie umgehend die Datenweitergabe über ihre Nutzenden an Facebook in den USA einstellen, indem sie die die entsprechenden Dienste deaktivieren." Und das geht eben nur, wenn die Seiten komplett eingestellt werden. Bis Ende September haben die Betreiber dazu Zeit. Die Stormarn-Ausgabe des Abendblatts beantwortet die wichtigsten Fragen zur Facebook-Entscheidung des Landesdatenschutzbeauftragten.
Was genau sind Facebook-Fanseiten?
Die Facebook Fanpage ist eine Möglichkeit für Künstler, Firmen und Produkte, sich in dem Online-Netzwerk zu präsentieren. Die Fanpage ist in verschiedene Bereiche aufgeteilt. Unter "Info" kann der Betreiber der Seite eine Anschrift und Telefonnummer angeben, auf die reguläre Homepage verlinken und sich selbst beschreiben.
Ein wichtiger Punkt, weshalb viele eine Fanpage einrichten, ist die einfache Kommunikation mit den Kunden. Die Facebook-Benutzer können Fragen und Kommentare einfach auf der Pinnwand der Seite "posten". Die Betreiber der Fanpage hingegen können Fotos hochladen und über spezielle Aktionen, also Konzerte, Veranstaltungen oder Gewinnspiele informieren. Wenn man als Facebook-Nutzer über diese Aktionen informiert werden möchte, kann man auf den "Gefällt mir"-Button klicken. Die Folge: Die neuen Posts des Fanpage-Betreiber erscheinen auf der Facebook-Startseite des Nutzers, zwischen den Kommentaren der Freunde. Zusätzlich erscheint das Unternehmen, das Produkt, der Künstler oder ähnliches auf dem Profil des Nutzers unter "Infos". Dort steht dann, welche Filme, Firmen, Zeitungen, Cafés oder Produkte ihm oder ihr gefallen.
Weshalb verlangt die Datenschutzbehörde, dass diese Seiten abgeschaltet werden sollen?
Weil Facebook gegen deutsche Datenschutzbestimmungen verstößt. Genannt werden das Telemediengesetz sowie das Bundes- und das Landesdatenschutzgesetz. Zentraler Vorwurf: Facebook sammelt Daten über die Nutzer ihrer Seiten und verbindet sie miteinander. Gerade diese Verbindung ist kritisch. Moritz Karg vom Unabhängigen Landeszentrum für Datenschutz: "Facebook führt die Daten ihrer Mitglieder mit den Daten der Internetnutzung zusammen. Und dass, ohne die Facebook-Mitglieder darüber zu informieren."
Im Ergebnis entstünden personenbezogenen Profile. Facebook weiß, wann ein bestimmtes Mitglied welche Seite angeklickt hat. Diese Informationen sind ungemein wertvoll. Mit ihnen kann jeder einzelne Nutzer mit Werbung für Dinge konfrontiert werden, für die er sich offensichtlich interessiert.
Was passiert, wenn Nicht-Facebook-Mitglieder irgendwo im Netz einen "Gefällt-mir"-Button anklicken?
Auch dann werden Daten an Facebook übertragen. Auch dann ist eine Profilbildung möglich, allerdings ist sie nicht so umfangreich wie bei Mitgliedern des Netzwerks.
Warum geht die Behörde gegen Fanseiten-Betreiber vor, nicht aber gegen Facebook selbst?
Facebook ist kein deutsches Unternehmen, sondern hat seinen Sitz in Kalifornien (USA). Es ist deshalb unklar, ob die deutschen Datenschutzgesetze für Facebook gelten. Klar ist für das ULD jedenfalls, dass die deutschen Betreiber von Fanseiten gegen geltendes Recht verstoßen. Kritiker sehen in dem Vorgehen gegen die deutschen Betreiber den Versuch, Facebook indirekt unter Druck zu setzen.
Wie viele Fanseiten sind in Schleswig-Holstein von dem Verbot betroffen?
Genauere Informationen sind dazu nicht erhältlich. Insgesamt dürfte es etwa 500 000 Facebook-Konten im Norden geben. Die Zahl der Fanseiten ist unbekannt. Facebook gibt solche Daten nicht heraus.
Was müssen die Fanseiten-Betreiber jetzt tun, um nicht gegen den Datenschutz zu verstoßen?
Sie müssen die Fanseiten vollständig löschen. Dafür gibt es eine Frist, die Ende September dieses Jahres ausläuft.
Was sagt Facebook zu den Vorwürfen der Datenschutzbehörde?
Laut "Spiegel online" behauptet das Unternehmen, die europäischen Datenschutzbestimmungen "vollständig" einzuhalten. Von den Besuchern der Fanseiten könne man "technische Informationen wie die IP-Adresse" sehen. Diese Daten würden "innerhalb von 90 Tage" gelöscht. Facebook wisse nicht, wer der Nutzer der Fanseiten sei. Es sei denn, er sei zugleich auch gerade bei Facebook eingeloggt.
Gilt das Verbot der Fanseiten bundesweit?
Nein, es gilt nur in Schleswig-Holstein. Zwar ist die Rechtslage im Rest der Bundesrepublik dieselbe, aber der Bundesbeauftragte für Datenschutz prüft derzeit noch, ob das Verbot bundesweit Gültigkeit hat. "Grundsätzlich begrüßt der Bundesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit den Vorstoß des ULD", sagt die Pressesprecherin Juliane Heinrich. "Wir werden das Arbeitspapier, welches im Vorfeld nicht abgestimmt wurde, nun auch mit Blick auf unseren Zuständigkeitsbereich prüfen."
Profitieren die Fanseiten-Betreiber von den Daten, die Facebook offenbar rechtswidrig sammelt?
Ja. Die Betreiber bekommen Informationen über die Menschen, die ihre Seite anklicken. Es gibt Daten übers Alter, über das Geschlecht und über die Herkunft. Sven Müller, der Kreisgeschäftsführer der CDU Stormarn, nennt ein paar Zahlen. Der Kreisverband betreibt seit einem dreiviertel Jahr die Fanseite zur CDU Stormarn. "Von denjenigen, die die Seite genutzt haben, waren elf Prozent weiblich und 89 Prozent männlich", sagt Müller, der gestern zum ersten Mal diese Informationen abgerufen hat - auf Bitten der Stormarn-Ausgabe des Hamburger Abendblatts. Nun weiß der Kreisgeschäftsführer zum Beispiel auch, dass die meisten Nutzer (47 Prozent) zwischen 35 und 44 Jahre alt sind. Und dass viele User aus Hamburg stammen, aber keiner aus Bad Oldesloe. Was überrascht, denn schließlich geht es um eine Seite, die hauptsächlich für Stormarner interessant ist. Offenbar sind die von Facebook gesammelten Daten zum Wohnort der Mitglieder nicht sonderlich präzise. Für Firmen sind derartige Informationen dennoch äußerst wertvoll. Kostenlos erfahren sie zum Beispiel, wie alt die Menschen sind, die sich für ihre Produkte interessieren - und ob es eher Frauen oder eher Männer sind.
Müssen meine Kinder ihren Facebook-Account abmelden?
Nein. Sie dürfen weiterhin Mitglied bei Facebook bleiben. Wer zugleich eine Fanseite betreibt, muss diese allerdings abschalten.
Welche Folgen drohen mir, wenn ich meine Fanpage bei Facebook und Social Plugins wie den "Gefällt-mir"-Button auf meiner Website nicht entferne?
Sollte dies bis Ende September nicht geschehen sein, drohen Untersagungsverfügungen oder ein Bußgeld. Verstöße gegen das Telemediengesetz können mit Bußgeldern in Höhe von maximal 50 000 Euro geahndet werden. Ob sie tatsächlich verhängt werden, ist noch unklar. Das ULD hat nicht das Personal, um Verstöße gegen den Datenschutz flächendeckend zu verfolgen. Offenbar hegt man in der Behörde nach die Hoffnung, dass Facebook sich nachvollziehbar verpflichtet, die Nutzerdaten von den Fanseiten nicht mehr mit den persönlichen Daten der Mitglieder zusammenzuführen. Dann wäre das Löschen der Fanseiten nicht mehr erforderlich.
Gibt es nach Einschätzung des ULD andere Netzwerke, die die datenschutzrechtlichen Bestimmungen einhalten?
Ja. Laut ULD nehmen andere Social-Media-Unternehmen den Datenschutz ernster. Moritz Karg nennt auf Nachfrage die Firma Diaspora, ein amerikanisches Netzwerk, das von vier Informatikstudenten entwickelt wurde.
Wie reagieren Stormarner Fanseiten-Betreiber?
Die Industrie- und Handelskammer zu Lübeck (IHK) hat seit einigen Monaten einen Facebook-Fanseite. Nach der Entscheidung des ULD wird nun im Haus geprüft, wie es weitergehen soll. Thomas Waldner, Geschäftsbereichsleiter Kommunikation der IHK, sagt: "Wir beobachten die Debatte aufmerksam und nehmen die Hinweise ernst. Eine Entscheidung über die Einbindung des 'Gefällt-mir'-Buttons auf unserer Homepage haben wir auch aufgrund der Datenschutzdebatte noch nicht getroffen. Wir haben Angebote auf den Social-Media-Plattformen, weil wir dort junge Menschen erreichen."
Oliver Nedden, Mitglied der Geschäftsleitung der Reinbeker Firma Lutz Aufzüge, sagt: "Facebook ist für mich ohnehin ein rotes Tuch. Ich finde die Plattform aus datenschutzrechtlichen Gründen bedenklich. Wenn entschieden ist, dass die Seite gelöscht werden soll, tue ich mich nicht schwer damit, sie raus zu nehmen. Wir haben diese Seite bei Facebook, weil unser Marketingexperte das richtig fand. Aber ich habe kein Problem damit, die Plattform nicht mehr zu nutzen.
Gerrit Söhn vom Park Hotel Ahrensburg sagt: "Da Facebook diese Plattform zur Verfügung stellt, muss sich der Gesetzgeber mit Facebook in Verbindung setzen. Bislang hat Facebook uns nicht informiert. Ich sehe keinen Handlungsbedarf."
Delara Burckhardt, die Vorsitzende der Stormarner Jungsozialisten, sagt: "Wir haben seit etwa einem halben Jahr eine Facebook-Seite und posten da regelmäßig unsere Termine. Wir haben bestimmt 20 bis 30 Klicks am Tag. Die Seite wird viel häufiger genutzt als unsere normale Internetseite. Die Leute in meinem Alter haben fast alle Facebook. Es wäre schade, wenn wir die Seite schließen müssten."