Seit einem Jahr hat Ahrensburg einen neuen Bahnhof, Züge durften dort bislang aber nicht halten. Jetzt soll er endlich genutzt werden.
Ahrensburg. Ahrensburg bekommt einen neuen Bahnhof - er heißt Gartenholz, hat 6,7 Millionen Euro gekostet und ist eigentlich schon ein Jahr alt. Gleise, Bahnsteige, Treppen, Brücke, Anzeigentafeln, Automaten - all das steht dort schon seit November 2009. Bisher durften dort aber keine Züge halten. Die rund 10.000 Pendler, die im benachbarten Gewerbegebiet arbeiten, mussten weiterhin mit Auto oder Bus zur Arbeit fahren. Zum Start des Winterfahrplans am 12. Dezember soll der Bahnhof nun endlich in Betrieb genommen werden. Ein teils kurioser Streit zwischen Ahrensburg, der Deutschen Bahn und dem Eisenbahn-Bundesamt würde damit ein Ende finden.
Angefangen hatten die Quereleien im November vergangenen Jahres. Damals verweigerte das Eisenbahn-Bundesamt die Inbetriebnahme des kleinen Bahnhofs mit Verweis auf die "technische Spezifikation für die Interoperabilität bezüglich eingeschränkt mobiler Personen im konventionellen transeuropäischen Eisenbahnsystem und im transeuropäischen Hochgeschwindigkeitsbahnsystem".
Diese Richtlinie der EU beschreibt im Detail, wie ein behindertengerechter Bahnhof auszusehen hat. Ob sie überhaupt auf den kleinen Haltepunkt Gartenholz zutrifft, der niemals die Ehre haben wird, irgendetwas anderes als einen Nahverkehrszug stoppen zu sehen, blieb bis zum Ende strittig. Es spielte aber auch keine Rolle. Das Eisenbahn-Bundesamt wandte diese Richtlinie an, weil niemand eine Ausnahmegenehmigung beantragt hatte, und die Stadt Ahrensburg erfüllte sie brav, als ginge es bei Gartenholz um einen Verkehrsknotenpunkt von europäischer Bedeutung.
Vorgeschrieben ist in der EU-Richtlinie so ziemlich alles, was vorschreibbar ist. So darf auf dem Bahnhof der "Kraftaufwand zum Öffnen und Schließen einer manuell bedienten Tür bei Windstille 25 Newton nicht überschreiten". Ferner schreibt die EU vor, dass ein Bahnhof, der Toiletten hat, auch einen Wickeltisch haben muss. Und "wenn der Wickeltisch in den erforderlichen Bewegungsraum der Toilette hineinragt, muss die Möglichkeit gegeben sein, den Wickeltisch mit einer Kraft, die 25 Newton nicht überschreiten darf, einzuklappen."
Auch Hinweisschilder auf dem Bahnhof unterliegen besonderen Beschränkungen. Keinesfalls kann hier irgendeine Schrifttype gewählt werden, findet die EU. "Für alle schriftlichen Informationen müssen serifenlose Schriften in Groß- und Kleinschreibung (d. h. nicht ausschließlich Großbuchstaben) verwendet werden. Unterlängen sind deutlich erkennbar darzustellen und müssen über ein Größenverhältnis von mindestens 20 Prozent der Großbuchstaben verfügen."
Selbst diese Hürde hat die Stadt Ahrensburg nun offenbar genommen. Am 12. Dezember will der Ahrensburger Bürgermeister Michael Sarach gemeinsam mit einem Vertreter der Deutschen Bahn und der Verkehrsservicegesellschaft Schleswig-Holstein mit dem "symbolischen Durchschneiden eines Bandes" die Station offiziell eröffnen.
Rund 60 Züge, am Wochenende 40, sollen jeden Tag an dem kleinen Bahnhof stoppen. Ob die Fahrgäste honorieren werden, dass er nach strengsten Richtlinien aus dem fernen Brüssel gestaltet wurde, bleibt abzuwarten.