Vor 250 Jahren ließ Graf Schimmelmann das Ahrensburger Schloss umgestalten. Die Stadt kann das nicht feiern

Ahrensburg. Auf der Liste des Grafen standen links die Namen der Menschen, rechts steht das Vieh, getrennt bloß durch einen dünnen Strich Tusche. Graf Heinrich Carl Schimmelmann war Pedant, er wollte den Überblick über seine Arbeitskräfte behalten. Die Menschen waren seine Untertanen, Leibeigene ohne Besitz, sie gehörten Schimmelmann wie die Tiere im Stall.

Die Liste hängt zurzeit als Fotokopie hinter Glas im Ahrensburger Rathaus, sie ist Teil der Ausstellung zum Jubiläum der Umgestaltung des Ahrensburger Schlosses. Die hat Graf Schimmelmann vor 250 Jahren beschlossen. Die Ausstellung dauert noch bis Ende der Woche.

Die Stadt kann Schimmelmann nicht vergessen, er und seine Nachfahren haben Ahrensburg über Jahrhunderte geprägt. Aber sie kann Schimmelmann auch nicht ehren, denn der Schlossherr machte sein Geld mit Krieg, mit Sklaven und Leibeigenen. Im 18. Jahrhundert war das normal, nach heutigem Empfinden nicht.

Das Rondeel: geschaffen vom Grafen. Das Schloss, wie es heute aussieht: sein Werk. Der Marstall: gebaut mit dem Geld der Familie. Im Jubiläumsjahr beschäftigt sich Ahrensburg intensiv mit Schimmelmann. Es gab schon Bildvorträge, eine Stadtführung und Busfahrten zu anderen Schimmelmannschen Herrenhäusern. Für den 24. November ist noch eine abschließende Podiumsdiskussion geplant.

Zu den Veranstaltern zählt Angela Behrens, Stadtarchivarin. Behrens ist eines wichtig: "Wir ehren Schimmelmann nicht." Auf einem Thesenblatt hat sie aufgeschrieben, dass "weder sie noch die Stadtverwaltung" der Meinung seien, "dass Sklavenhandel, Sklavenhaltung oder Sklavenarbeit in irgendeiner Weise ethisch oder moralisch akzeptabel ist."

Es gebe Menschen, sagt Behrens, die wollten von Schimmelmann nichts wissen. Sie hielten ihn für einen Verbrecher und fänden, dass man seiner nicht gedenken sollte. Auch nicht kritisch und distanziert, wie es Behrens möchte.

Wer ist Heinrich Carl Schimmelmann? Der Bürgersohn aus Demmin in Pommern arbeitete sich schnell hoch, kaufte Friedrich dem Großen alles Meissener Porzellan ab, weil der Geld für sein Heer brauchte. Schimmelmann verschiffte das Porzellan auf der Elbe von Dresden nach Hamburg und versteigerte es für ein Vermögen.

Da hatte seine Karriere gerade erst begonnen. Das Porzellan-Geld investierte er fortan in den transatlantischen Dreieckshandel zwischen Europa, Afrika und Nordamerika. Im 18. Jahrhundert war diese Route hochprofitabel: Schnaps und Waffen an die westafrikanische Küste, Sklaven von dort in die Karibik, Zuckerrohr und Baumwolle zurück nach Europa.

Alles war in einer Hand. Die Waffen stammten aus Schimmelmanns Fabriken, die Sklaven arbeiteten auf seinen eigenen Plantagen in Dänisch Ost-Indien, den heutigen Virgin Islands. Rund 1000 Sklaven schufteten dort. Mit dem Handel verdiente sich Schimmelmann zum reichsten Mann Europas. Der Tycoon des 18. Jahrhunderts.

Schimmelmann zog von Dresden nach Hamburg, in ein Palais in bester Lage am Michel. Weil ihm die Bürgerschaft die Bürgerrechte verweigerte, musste er das Palais über einen Mittelsmann erwerben. Schimmelmanns Lebensstil, seine opulenten Feste - den Hanseaten war das suspekt. 1759 kaufte er sich schließlich das Gut Ahrensburg samt Schloss, 420 Untertanen und Adelstitel. Von nun an hieß er Graf. Jetzt erst hatte er volle Achtung, denn in der strengen preußischen Adelsgesellschaft zählte der Titel mehr als das Geld. Dass Schimmelmann sein Geld mit Sklaven machte, störte niemanden. Er holte sich einen Schwarzen nach Ahrensburg. Einen Kammermohren, wie es damals hieß.

Angela Behrens sagt, "selbst Pastoren hatten kein Problem damit, bei Schimmelmann Aktien zu kaufen". Immerhin machte er sich als Herrscher nicht schlecht: Er entwarf die Struktur der späteren Stadt Ahrensburg, finanzierte Waisenhäuser, ließ die Kinder dort kostenlos lernen. Für die Zeit, in der er lebte, hatte Schimmelmann erstaunlichen Weitblick. Trotzdem bleibt am Ende ein Wort hängen: Sklaven.

Auch seine Kinder und Enkel hatten kein Problem damit, Sklaven zu halten. Erst als der Sklavenhandel international verboten wurde, ließen sie davon ab. Und erst als Dänemark offiziell auch die Sklavenhaltung abschaffte, ließen sie ihre Sklaven frei. Sie besaßen ihre Plantagen in der Karibik bis weit ins 19. Jahrhundert hinein. Die Arbeiter wohnten in "Negerhütten", so hießen die Behausungen.

Zur Podiumsdiskussion am 24. November kommen unter anderem die Professoren Franklin Kopitzsch von der Universität Hamburg und Martin Krieger von der Universität Kiel. Archivarin Angela Behrens sagt, das Podium sei vor allem dazu da, "die kritische Perspektive zu diskutieren". Die Diskussion beginnt um 19.30 Uhr im Marstall. In dem Gebäude, das die Nachfahren Schimmelmanns finanziert haben. Mit Sklavengeld.