Die Bewohner der Ammersbeker Siedlung Daheim fühlen sich benachteiligt. Die Gemeinde erlaubt Biogas-Anlagen vor allem in ihrer Nähe.
Ammersbek. Wenn Renata Biendarra aus dem Fenster ihres Hauses blickt, sieht sie ein Problem. Es ist etwa so groß wie ein Einfamilienhaus, hat eine Kuppel und erzeugt Gas und Gestank. Es handelt sich um eine Biogasanlage, die in etwa 700 Metern Entfernung auf dem Feld des benachbarten Bauern steht, in der Nähe der Ammersbeker Siedlung Daheim, in der Renata Biendarra wohnt.
Die Biogasanlage existiert in der Realität nicht, sie ist auch nicht geplant. Es ist die theoretische Möglichkeit ihres Baus, die Renata Biendarra und viele ihrer Nachbarn umtreibt. Möglich wäre die Anlage nach einem neuen Flächennutzungsplan, den die Gemeindevertreter voraussichtlich am 17. April beschließen. Renata Biendarra hat sich mit Nachbarn zur Bürgerinitiative Daheim zusammengeschlossen, um gegen diesen Flächennutzungsplan vorzugehen.
Zur Sitzung des Umweltausschusses am Montag kamen rund 60 Anwohner, um ihr Problem zu schildern. "Wir sind schon jetzt durch die Schweinemastanlage in unserer Nähe beeinträchtigt, können keine Wäsche mehr heraushängen. Wenn eine Biogasanlage hinzukommt, würde das noch schlimmer werden", sagte Dieter Lendzian, der an der Straße Am Golfplatz wohnt.
Die Kommunalpolitiker sehen das Problem, das die Bürgerinitiative hat, dagegen mehrheitlich nicht. Mit dem neuen Flächennutzungsplan wollten sie die Möglichkeit des Baus von Biogasanlagen so weit einschränken, wie es nur gehe. Das sieht auch Bürgermeister Horst Ansén so: "Wir nutzen mit dem Plan unsere Möglichkeit zu steuern. Ganz verhindern können wir diese Anlagen nicht."
Es sind die Details, auf die Politik und Verwaltung immer wieder pochen: So dürfen Landwirte und auch Gärtnereien nach der derzeitigen Rechtslage sogenannte privilegierte Anlagen, die bis zu 500 Kilowatt Leistung haben, ohne Genehmigung bauen. Das sieht ein Bundesgesetz vor. In Ammersbek wären demnach etwa 15 dieser Anlagen möglich.
Die Fraktionen von SPD und Grünen hatten vor zwei Jahren beschlossen, die einzige Einschränkungsmöglichkeit zu nutzen. Diese besteht darin, in einem Flächennutzungsplan sogenannte Konzentrationsflächen für Biogasanlagen auszuweisen. Der Ammersbeker Entwurf mit sechs solcher Gebiete, in denen sieben Biogasanlagen gebaut werden könnten, ist jetzt beschlussreif.
+++ April 2011: Ammersbeker sagen Nein zu Biogasanlagen +++
Die Bürgerinitiative Daheim kritisiert, dass sich gleich drei dieser Konzentrationsflächen in der Nähe ihres Wohngebiets befinden. Nach wie vor könnten dort Biogasanlagen entstehen - in anderen Ortsteilen wie etwa Hoisbüttel künftig aber nicht mehr. Die Mitglieder der Initiative, die schon im Vorjahr 120 Unterschriften gegen den Flächennutzungsplan gesammelt haben, empfinden das als Ungerechtigkeit. "Wir verstehen nicht, warum bei uns etwas gebaut werden kann, was woanders abgelehnt wird", sagt Biendarra. Mit der Schweinemastanlage, die seit rund zwei Jahren stehe, seien die Menschen in der Siedlung schon genug belastet.
Petra Ludwig-Sidow (SPD) wies im Umweltausschuss immer wieder auf den eingeschränkten Handlungsrahmen der Gemeinde hin: "Wenn wir nichts machen, könnten auch woanders Biogasanlagen entstehen. Mit dem Flächennutzungsplan können wir immerhin festlegen, dass sie 300 Meter Abstand zu Wohnbebauung haben müssen." Sie betonte, dass der Einsatz von Biogasanlagen eher dazu führe, dass es weniger nach Gülle stinke. Andere Konzentrationsflächen als die bei Bünningstedt und der Siedlung Daheim habe man nicht ausweisen können, weil Ortsteile wie Hoisbüttel dichter besiedelt seien oder in der Nähe von Naturschutzgebieten lägen. Argumente, die kaum zu den anwesenden Bürgern durchdrangen.
Letztlich stimmten SPD und Grüne mit ihrer Mehrheit von sieben Stimmen im Umweltausschuss für die Änderung des Flächennutzungsplans. Die drei CDU-Vertreter, unter ihnen der Vorsitzende Dinant Steenhagen, votierten dagegen. Auf ihre Hilfe kann die Initiative aus Daheim allerdings nicht zählen. "Wir sind im Prinzip für Biogasanlagen. Denn wenn man die Energiewende will, muss der Strom auch irgendwo herkommen", sagte Steenhagen. Man habe nicht gegen den Plan gestimmt, weil er Anlagen zulasse - sondern im Gegenteil, weil er überhaupt welche verhindern wolle. Ähnlich sieht es Gabriela Späte, einzige FDP-Gemeindevertreterin: "Meiner Meinung nach ist das eine Verhinderungsplanung. Ich werde deshalb im April dagegen stimmen."
Die letzte Hoffnung der Daheim-Initiative ist nun ein Bürgerbegehren zum Flächennutzungsplan. Um das auf den Weg zu bringen, müssten aber bis zum 17. April 450 Unterschriften zusammenkommen. Renata Biendarra ist skeptisch, dass das Vorhaben in so kurzer Zeit noch gelingen kann. Ohnehin könnte es nur bewirken, dass sich der Gemeinderat noch einmal mit dem Thema beschäftigt.
Auch Holger Spanehl, Sprecher der nicht im Gemeinderat vertretenen Unabhängigen Wählergemeinschaft Ammersbek (UWA), die im Prinzip für mehr Bürgerbeteiligung eintritt, sagt: "Die Initiative hat aus meiner Sicht zu viel Zeit verstreichen lassen. Den Beschluss wird sie nicht mehr beeinflussen können." Einen Rat an die Bürger aus der Siedlung Daheim hat er dennoch: "Sie können noch aktiv werden, wenn tatsächlich ein Bauantrag gestellt wird, und dann die Einspruchsmöglichkeiten nutzen oder ein Bürgerbegehren anstrengen." So wird das Thema Biogasanlagen die Gemeinde wohl weiterhin beschäftigen.