Nach einer brutaler Schlägerei zwischen politisch verfeindeten Gruppen in Bargteheide ermittelt die Kripo. Mehrere Menschen wurden verletzt.
Bargteheide. Die Gewalt zwischen linken und rechten Gruppen hat in Stormarn eine neue Dimension erreicht. Bei einem brutalen Angriff waren am Wochenende vier Menschen im Alter zwischen 18 und 21 Jahren am Rande des Stadtfestes zum Teil schwer verletzt worden. Die Polizei geht nach bisherigem Ermittlungsstand davon aus, dass eine Gruppe Jugendlicher, die dem rechten Spektrum zugeordnet wird, gezielt von linksorientierten Jugendlichen angegriffen wurde. Dabei wurden Baseballschläger, Schlagstöcke, Reizgas und vermutlich Messer eingesetzt. Die Ermittlungen hat gestern das Lübecker Polizeikommissariat für politisch motivierte Straftaten übernommen. Politiker aller Bargteheider Parteien sowie der Bürgermeister zeigten sich am Montag entsetzt über die Vorgänge. Sie hatten erst aus der Regionalausgabe Stormarn des Hamburger Abendblattes von der Gewalttat erfahren. Henning Görtz: "Ich verurteile die Gewalt aufs Schärfste. Ich werde mich mit der Polizei sowie Vertretern des Jugend- und des Ordnungsamtes besprechen."
Dass die Gewalt zu eskalieren droht, zeigt ein Gasteintrag auf der Internetseite des autonomen Jugendhauses Bargteheide (AJH), in dem die linke Szene Bargteheides verkehrt. Dort heißt es: "Diesmal seid ihr zu weit gegangen, verschönern wir das AJH..." Eine Kampfansage rechter Gruppen gegen die linke Szene Bargteheides? Das lässt zumindest der Absender "ANS" vermuten. Das Kürzel steht für Autonome Nationalisten Stormarn auf deren Internetseite.
Die Mitglieder des Jugendhauses weisen jeden Verdacht von sich, mit dem brutalen Angriff am Rande des Stadtfestes zu tun zu haben. Jean-Philipp Almstedt, 18, Sprecher des Antirassistischen Bündnisses Stormarn, sagt: "Wir distanzieren uns von dieser Tat. Ich kann mir aber gut vorstellen, dass die Rechten jetzt einen Angriff auf uns planen. Durch den Vorfall vom Sonnabend dreht sich die Gewaltspirale weiter." Solche Befürchtungen teilen auch die Ermittler. Jan-Hendrik Wulff, Sprecher der Lübecker Polizei: "Eine Retourkutsche ist möglich. Opfer und Zeugen schweigen. Das ist in dieser Szene so üblich."
Entsetzen auch bei Politiker aller Parteien in Bargteheide. "Ich dachte, wir hätten genau hingeguckt und alles Nötige getan", sagt der SPD-Fraktionschef Jürgen Weingärtner und spielt auf das Bündnis gegen Nazis an. Es hatte sich Ende 2009 gegründet, nachdem das Autonome Jugendhaus zweimal Zielscheibe von Angriffen mit neonazistischem Hintergrund geworden war. "Auch die Kooperation zwischen Polizei und Verwaltung sollte intensiviert werden. Aber dieser Vorfall erschüttert mich. Er bestärkt mich, den neuen Bargteheider Polizeichef zu uns in die Fraktionssitzung einzuladen."
Thema des zuvor geplanten Treffens soll "Jugend und Alkohol" sein. "Das hat natürlich nichts mit Körperverletzung zu tun. Alkoholkonsum kann zwar die Gewaltbereitschaft erhöhen, aber man darf das nicht miteinander vermengen", sagt der SPD-Chef, der jetzt vor allem nähere Informationen über den brutalen Überfall haben möchte, damit die Politik reagieren könne. Was war passiert? Eine Gruppe junger Menschen war am Sonnabend gegen 22.45 Uhr auf dem Marktplatz von bis zu 20 dunkel gekleideten und Vermummten angegriffen worden. "Es ging alles ganz schnell", sagt Polizeisprecher Wulff. "Die Angreifer versprühten Reizgas und schlugen auf ihre Kontrahenten mit Flaschen und Schlagstöcken ein. Genauso schnell wie sie gekommen waren, verschwanden die Täter wieder." Nach dem Blitzangriff sollen die Täter Richtung Stadtpark geflüchtet sein. Dort hätten zu diesem Zeitpunkt linke Jugendliche ein Fest gefeiert.
Bei dem Angriff wurden vier Menschen verletzt. Ein 18-Jähriger aus Bargfeld-Stegen erlitt Platz- und Schnittwunden an Kopf und Rücken. Ein 21-Jähriger aus Elmenhorst wurde an Hinterkopf und Knie verletzt. Beide wurden in ein Krankenhaus gebracht. Verletzt wurde auch ein 20-Jähriger aus Bargfeld-Stegen im Gesicht und eine 19-Jährige aus Bargteheide am Fuß.
Auch CDU-Fraktionschef Claus Christian Claussen fordert Aufklärung: "Die Polizei muss genau ermitteln, die nötigen Schritte tun und mit der Verwaltung eng zusammenarbeiten, damit sie die Informationen an die Politik weitergeben kann." Ein solcher Überfall sei inakzeptabel und schlicht kriminell. "Dabei ist es egal, ob er von links oder rechts kommt. Ich habe diesbezüglich keine Erkenntnisse", so Claussen.
Umso wichtiger sei es, den Sachverhalt aufzuklären. Lieber jeden Ansatz verfolgen, als etwas Wichtiges auszulassen: Darüber herrsche in der Politik Einigkeit. In Aktionismus dürfe das nicht ausarten. Claussen: "Sonst sehen diejenigen, was sie für ein Aufsehen mit einer solchen Aktion verursachen und fühlen sich vielleicht sogar noch bestärkt." Ob die gewaltbereiten Jugendlichen aus Bargteheide kommen, sei fraglich. Claussen: "Die Stadt hat eine sehr gute Jugendarbeit und in dieser Hinsicht keine Versäumnisse." Auch die Jugendbildungsreferentin Ute Sauerwein-Weber ist schockiert. "Ich bin entsetzt und total überrascht", sagt die Leiterin des Jugendarbeitsteams der Stadt. Auch sie nimmt Bezug auf das Bündnis gegen Nazis. "Es trifft sich alle vier Wochen, sieht aber bisher keinen Handlungsbedarf. Es arbeitet ausschließlich präventiv", sagt Sauerwein-Weber und fügt hinzu: "Linke und rechte Ströme gibt es auch in anderen Orten. Ich müsste lügen, wenn ich sagen würde, dass wir in Bargteheide ein akutes Problem hätten." Auch sie frage sich, ob die gewaltbereiten Jugendlichen aus Bargteheide kommen.
Renate Mascher von der Wählergemeinschaft WfB kennt das Problem aus Hamburg: "Ich habe an der Fachhochschule für Sozialpädagogik in Altona gearbeitet. Bei Festen kamen immer ungeladene Gäste, auch aus der linken Szene." In Bargteheide komme die Gefahr eher von rechts. Letztlich sei das von außen aber nur schwer zu unterscheiden. Und Gewaltbereitschaft gebe es auf beiden Seiten. Wichtiger sei es, konsequent zu sagen: So geht das nicht weiter. "Wir müssen uns mit diesem Thema intensiver befassen als bisher. Auch für die Bürger geht eine Gefahr aus." Sie möchte so schnell wie möglich eine interfraktionelle Sitzung mit dem Jugendarbeitsteam einberufen.