Vermieter und Immobilienverkäufer müssen seit dem 1. Januar einen Energiepass vorweisen. Doch der lässt sich leicht manipulieren, sagen Kritiker.
Bad Oldesloe/Ahrensburg. Jeder Grundeigentümer muss seit Jahresbeginn einen haben, sofern er eine Immobilie verkaufen oder neu vermieten möchte: einen Energiepass. Der gibt Aufschluss über die Heizkosten des betreffenden Gebäudes, idealerweise auch über Wärmedämmung und Einsparpotenzial. Doch kaum, dass es Pflicht ist, mehren sich schon Stimmen, die den Aussagegehalt dieser Papiere anzweifeln.
Zu groß und zu unübersichtlich sei der Kreis der Berechtigten, die einen Energiepass ausfertigen dürfen, nichts wert der Informationsgehalt einiger Zertifikate, kritisiert etwa die Eigentümerschutz-Gemeinschaft Haus & Grund in Stormarn. Zu groß sei die Verlockung, einen Ausweis zu schönen, meint ein Handwerker. Und: "Keiner weiß, wie viele Ausweise ausgestellt worden sind", sagt Haus & Grund-Geschäftsführerin Cornelia Pareike.
"Wir wollen einen qualifizierten Ausweis", fordert der Haus & Grund-Vorsitzende Adolf Schrörs aus Bad Oldesloe. Der Verein bietet seinen Mitgliedern in Stormarn die Ausfertigung des Energiepasses durch Mitarbeiter der Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen an. "Aber damit sind wir gerade auf einem toten Gleis gelandet", sagt Schrörs' Stellvertreter Torsten Schmüser. "Die Nachfrage ist sehr gering."
Das mag bei anderen Anbietern anders aussehen. Der Chef von Haus & Grund: "Man muss sich mal anschauen, wer alles berechtigt ist, so einen Ausweis auszustellen. Der Gipfel war, dass man ihn sogar bei den Vereinigten Stadtwerken bekommen konnte. Ein Anruf, und fertig."
Das Angebot der Stadtwerke existiert inzwischen nicht mehr. Es galt nur während einer gesetzlichen Übergangszeit und richtete sich an "Eigentümer einer Immobilie, die ihrer gesetzlichen Verpflichtung nachkommen wollen." Ermittelt wurde der Energieverbrauch der vergangenen drei Jahre. Schrörs: "So etwas ist das Papier nicht wert, auf dem es gedruckt ist. Denn der Verbrauch richtet sich nur danach, wie ich meine Heizung eingestellt habe."
Ist der Energiepass also nur eine Lachnummer? Der verbrauchsorientierte Pass auf jeden Fall, meint Adolf Schrörs. Sinnvoller sei - das ist einhellige Expertenmeinung - der sogenannte bedarfsorientierte Energiepass. Er erfasst neben der Heizungsanlage auch Außenwände, Dach und Fenster eines Hauses, die je nach Beschaffenheit unterschiedlich viel Wärme abgeben. Vergleichbar mit den Schadstoffklassen eines Autos, wird dem Gebäude dann auf Basis der erhobenen Daten eine Schadstoffklasse zugewiesen. Käufer und Mieter können daran ablesen, welche Heizkosten auf sie zukommen - und wie sie sich senken ließen.
Dieses Angebot nehmen auch viele Hauseigner in Anspruch, die sich gar nicht von ihrem Haus trennen, sondern es lediglich energetisch optimieren wollen. Die Ahrensburger Architektin Anett Bendfeldt, die Energiepässe ausstellt, sagt: "Viele, die ihr Haus modernisieren wollen, beantragen vorher bei uns einen Energieausweis." Dachdämmung sei die häufigste Maßnahme, in die Eigentümer investieren. Aber auch neue Heizungen seien oft sinnvoll. "Allerdings sollte man sich von Anfang an einen Experten wenden", sagt Bendfeldt. Die Kombination mehrerer kleinerer Verbesserungen führe im Zweifel zu einem besseren Preis-Leistungs-Verhältnis als einzelne Veränderungen.
Hans-Jürgen Poeck von der Handwerkskammer Lübeck sagt: "Das Handwerk profitiert von dem Energiepass." Erst durch diesen Ausweis wüssten viele private Hausbesitzer, wie sie durch Modernisierung Geld sparen können. "Dadurch erhält das Handwerk zunehmend Aufträge", sagt Poeck.
Mitunter stellen die neuen Regelungen Handwerker aber auch vor Probleme. Der Sieker Zimmermeister Rainer Wittenhagen berichtet von einem besonders krassen Fall: Bei einer Familie aus Großhansdorf sollte er die Dachziegeln erneuern. Die novellierte Energiesparverordnung sieht aber vor, dass bei Baumaßnahmen, die mehr als zehn Prozent des Daches betreffen, das gesamt Dach gedämmt werden muss. Der Familie wären Mehrkosten von 30 000 Euro entstanden. Sie behält nun ein undichtes Dach, Wittenhagen hat einen Auftrag weniger. "Insbesondere für ältere Menschen lohnt es sich oftmals gar nicht, die durch die Verordnung entstandenen Forderungen an Renovierungen zu erfüllen", sagt er. Und zeichnet ein anderes Szenario. "Wenn ein Hausbesitzer sein Dach laut Energieausweis mit 20 Zentimeter Material dämmen soll, er aber nur Geld für zehn Zentimeter hat, macht er sich strafbar." Da liege es nahe, sich mit den Ausstellern des Energieausweises oder den Handwerkern abzusprechen. Rainer Wittenhagen hat schon von solchen Schönrechnungen gehört. Von Kontrollen noch nicht.
Auch Haus & Grund-Vize Schmüser hält Gefälligkeits-Energiepässe für denkbar - auch wenn er selbst noch von keinem Fall gehört habe. Thomas Hagen, Sprecher der Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein, sagt: "Wo kriminelle Energie im Spiel ist, sind Hopfen und Malz verloren." Die Verbraucherzentrale warnt vor Billig-Angeboten aus dem Internet. Dort gibt's bedarfsorientierte Energiepässe für 15 Euro. "Ohne Ortstermin kann keiner ausgestellt werden", sagt Hagen. Zum Vergleich: Seriöse Anbieter nehmen einige Hundert Euro.
Die Verbraucherschützer empfehlen auf ihrer Homepage, sich von einem Ausweis-Aussteller schriftlich bestätigen zu lassen, dass er berechtigt ist. Und sich vorsorglich gleich die Daten seiner Berufshaftpflichtversicherung geben zu lassen - falls sich Regressansprüche durch eine fehlerhafte Expertise ergeben.