Großhansdorfer behandeln jedes Jahr 13 000 Patienten. Die meisten haben sich mit Zigaretten krank gemacht. Professor fordert bessere Aufklärung für junge Menschen.
Großhansdorf. Mit einem eindringlichen Appell wendet sich Professor Helgo Magnussen, der ärztliche Direktor des Krankenhauses Großhansdorf, an die Raucher. Der erste Schritt, um von der Zigarette loszukommen, sei, sich die Nikotinsucht einzugestehen. Magnussen: "Rauchen ist eine Krankheit, die der Therapie bedarf." Der Mediziner weiß, wovon er spricht. Das Krankenhaus ist eine der größten und führenden Kliniken für die Behandlung von Lungen- und Atemwegserkrankungen in Deutschland. 2008 wurden dort 13 000 Patienten stationär und ambulant behandelt. Die meisten von ihnen sind Raucher. Viele leiden an Lungenkrebs, sind unheilbar krank. Immer öfter sind junge Frauen krebskrank. Krankenhauspastor Claus Rupprecht berichtet: "Es ist keine Seltenheit mehr, dass Frauen um die 40 - mit drei, vier Jahre alten Kindern - hier wegen Lungenkrebs behandelt werden."
Am häufigsten sind Atemwegserkrankungen. Neben Lungenkrebs, der rasch zum Tode führen kann, werden durch das Rauchen schwere Herz- und Gefäßkrankheiten ausgelöst. Selbst Magen- und Blasenkrebs werden verursacht. "Der Rauch wird über die Lunge aufgenommen, wo er den größten Schaden anrichtet. Über die Blutbahn gelangen die krank machenden Stoffe im Rauch in jedes Organ", erklärt Professor Magnussen.
Erschütternd ist, dass selbst frisch operierte Patienten offenkundig nicht von der Zigarette loskommen. Weil das Rauchen im Klinikbereich verboten ist, gehen die Kranken nach draußen und qualmen heimlich vor der Tür. "Wir bemühen uns, die Patienten dazu zu bringen, nicht mehr zu rauchen", sagt der Professor. Dennoch gebe es immer noch Menschen, die trotz einer Krebserkrankung weiterrauchen. Helgo Magnussen: "Es gibt Patienten, die ein Sauerstoffgerät mit sich herumtragen müssen und trotzdem rauchen. Das zeigt, dass Rauchen eine Sucht ist."
Menschen, die mit dem Rauchen aufhören wollen, bekommen in der Klinik Nikotinpflaster. Magnussen: "Damit entfällt der Japs auf die Zigarette. Nach vier Wochen kann man versuchen, ohne Pflaster auszukommen." Der zweite Weg, um von der Sucht loszukommen, sei das Medikament Champix. "Damit lassen sich derzeit die größten medizinischen Erfolge im Raucherentzug erzielen. Immerhin 25 Prozent derjenigen, die das relativ neue Medikament einnehmen, haben auch nach einem Jahr nicht wieder begonnen, zu rauchen", sagt Magnussen.
Der beste Schutz vor Rauchen sei indes, gar nicht erst damit anzufangen. Deshalb setzt die Klinik auf Aufklärung - vor allem bei jungen Menschen an den Schulen. "40 Prozent aller Todesfälle würden später eintreten, wenn es die Zigarette nicht gäbe. Mehr als die Hälfte der Stents, die infolge eines Herzinfarkts gesetzt werden, haben ihre Ursache im Rauchen", sagt der Professor.
Regelmäßig kommen Stormarner Schüler der zehnten und elften Klassen, die am EU-Projekt "Rauchfreie Schule" teilnehmen, in die Klinik und werden von den Medizinern über die Gefahren des Rauchens aufgeklärt. Nach einer einstündigen Einführung zum Thema Zigarettenkonsum geht es zur Sache. Magnussen: "Zwei Raucher erzählen den Schülern ihre Geschichte. Der eine ist frisch operiert, der andere braucht ein Sauerstoffgerät. Dann fließen die Tränen. Aber nicht etwa bei den Schülern - bei den Kranken." Viele Patienten wissen, dass ihre Lebenszeit abläuft, sich die Uhr nicht mehr zurückdrehen lässt. Immer wieder fällt der Satz: "Fangt bloß nicht mit dem Rauchen an!"
Die Behandlung eines Patienten mit Chemotherapie kann über 100 000 Euro kosten. "Wenn man diesen Betrag in die Aufklärung junger Menschen stecken würde, würde man sicherlich mehr Leben retten können", meint der Professor.
Im Forschungsbereich der Klinik arbeiten 60 Menschen. Sie entwickeln die Grundlagen für neue Therapien von Atemwegserkrankungen und Tumorerkrankungen. Für viele Schwerkranke ist die Großhansdorfer Klinik die letzte Hoffnung und der letzte Versuch. "Sie wissen, dass sie bei uns nach den modernsten medizinischen Erkenntnissen versorgt werden. Die Patienten kommen aus ganz Norddeutschland, viele sogar aus anderen Bundesländern", sagt der Krankenhausseelsorger Rupprecht.
Gut 3000 Patienten, die auf künstliche Beatmung angewiesen sind, werden von der Klinik ständig betreut. "Es ist ein neues Verfahren. Die Patienten bekommen von uns ein mobiles Beatmungsgerät mit einer Maske, mit dem sie nicht an die Klinik gefesselt sind. Sie können nach Hause gehen, sind mobil und haben dadurch eine höherer Lebensqualität", sagt der Professor.
Obwohl sich Professor Magnussen vehement für das Nichtrauchen einsetzt, zeigt er Verständnis für die Raucher. "Ich habe selbst angefangen, als ich längst hätte wissen müssen, wie schädlich es ist. Mit 20 habe ich mit der ersten Zigarette begonnen und mit 35 Jahren aufgehört. Das war sehr, sehr schwierig. Deshalb lässt man am besten von Vornherein die Finger von den Zigaretten."