Ahrensburg. Ab 26. März ist die Werkschau des Ahrensburger Künstlers Peter F. Piening „Tektonische Momente“ zu sehen

Ein Kritiker hat Peter F. Piening einmal als „Sägenden Philosophen des Unvollkommenen“ bezeichnet. Mit dieser Zuschreibung kann der Künstler aus Ahrensburg gut leben. „Ich hatte nie den Ehrgeiz, Vollkommenes zu schaffen. Eindeutigkeit zu vermeiden, finde ich viel reizvoller“, sagt er. Zumal der Alltag nun mal voller lustiger Kuriositäten sei. Denen habe er sich in den vergangenen Jahren verstärkt zugewandt und sie auf seine ganz eigene künstlerische Weise verarbeitet. Nicht bierernst, sondern unterhaltsam, mit hintergründigem Humor und einem ironischen Augenzwinkern.

Rekordverdächtige 181 Arbeiten auf sechs Stellwänden

„Tektonische Momente“, heißt die dritte Werkschau des gebürtigen Breklumers im Ahrensburger Marstall nach 2002 und 2012. Doch was nach gewaltigen Verschiebungen des Erdmantels klingt, kommt in der Galerie unweit des Schlosses eher als kleinteilige Beschreibung eines immerwährenden Veränderungsprozesses daher. Die 181 präsentierten Arbeiten auf sechs großen weißen, doppelwandig behängten Stellwänden dürften von ihrer schieren Anzahl her rekordverdächtig für Einzelausstellungen im Marstall sein, wie auch Katharina Schlüter, Geschäftsführerin der Sparkassen-Kulturstiftung in Stormarn, vermutet.

Feuerzeug aus dem Zyklus
Feuerzeug aus dem Zyklus "Sicherheitsnadel & Co." © HA | Lutz Kastendieck

Das Gros der Exponate sind Bildobjekte aus Sperrholz, gefasst in schlichten schwarzen Rahmen. Das verstärkt die Konzentration auf deren Inhalt, der in seiner Vielfalt und Farbigkeit zuweilen magnetisch anzieht. Dabei sind in den Werken aus den Zyklen „summasumarum“ und „Sicherheitsnadel & Co.“ aus den Jahren 2018 und 2019 zumeist ziemlich gewöhnliche Alltagsgegenstände zu sehen: ein Besen, eine Kaffeemaschine, ein Bügeleisen, eine Zahnbürste, ein Handschuh, Wäscheklammern, ein Feuerzeug, ein Kotelett und, na klar, auch ein Mobiltelefon.

Mit begehbaren Raumkapseln bekannt geworden

Ja, hat man alles schon mal gesehen. Aber – nicht so! Piening stellt sie in einen neuen Zusammenhang. Und präsentiert sie in einem Material, aus dem all diese Dinge normalerweise eher nicht sind: eben aus Holz. Diese Veränderung lässt die zuweilen profan anmutenden Gegenstände vollkommen anders erscheinen, gibt ihnen eine andere Bedeutung, eine andere Dimension.

Ein Bildobjekt aus dem Zyklus
Ein Bildobjekt aus dem Zyklus "ohnehin". © HA | Lutz Kastendieck

Bekannt geworden ist der inzwischen 80-Jährige mit begehbaren Raumkapseln, natürlich aus Holz und ausgestattet mit hölzernem Interieur, nicht selten bestehend aus mehr als 200 Einzelteilen. Mehr als 20 sind davon in den vergangenen 30 Jahren entstanden. Sie muteten mal wie Schiffskörper und mal wie Klangkörper an. Und immer wieder wie Kokons, als Inbegriff für die Sehnsucht des Menschen nach Schutz und Geborgenheit. Dennoch boten sie immer auch Ein- und Ausblicke. Als Ausdruck der untrennbaren Wechselbeziehung des Individuums mit der Welt (da draußen).

Welt materialisiert sich in gerahmten Miniaturen

Die „große Form“ hat Piening inzwischen hinter sich gelassen. Altersbedingt, wie er anmerkt. „Rücken und Hüfte sind halt nicht mehr so belastbar, dass ich fortwährend auf einer Leiter herumturnen könnte. Selbst längere Zeit knieend oder liegend zu arbeiten, ist einfach nicht mehr drin“, erzählt er und schwingt dabei seinen Gehstock.

Also sei er an die „Werkbank“ zurückgekehrt, wo sich sein Blick in die Welt in Form von gerahmten Miniaturen materialisiert. Dominierte in der Anfangszeit eine sehr gegenständliche Darstellungsweise, so ist er in den vergangenen drei Jahren wieder abstrakter geworden. „In der Serie ,ohnehin‘ habe ich Alltagsgegenstände mit Zeichen und Schriftfeldern kombiniert. In der Serie ,Miniaturen‘ finden sich viele Elemente wieder, pflanzliche ebenso wie architektonische und konstruktive“, erklärt Piening.

Gestaffelte, facettenreiche Bildfelder

Er wolle nun „nicht mehr so mit der Tür ins Haus fallen“, sondern hintergründiger sein und mehr Raum für individuelle Sichtweisen und Interpretationen lassen. Das ist in noch viel stärkerem Maße in den 27 Bildobjekten aus dem Zyklus „Tektonische Momente“ der Fall, die durchweg im vergangenen Jahr entstanden sind und der aktuellen Werkschau ihren Titel gaben.

Mit der Laubsäge hat Piening gestaffelte und facettenreiche Bildfelder entworfen, die dadurch umso plastischer wirken. So entstehen ineinander verschobene Schichten wie bei einem Relief. „Durch diese Tiefe entsteht der Eindruck einer Kraft, die sie nach oben gedrückt haben mag – eben wie tektonische Momente, wie sie in der Natur vorkommen“, befand Claudia Rasztar in ihrem Katalogbeitrag „Wunderkammer des Alltäglichen“.

Diese Bildobjekte stehen in einem spannenden Kontrast zu den 14 Zeichnungen aus den 80er-Jahren, die auf den Rückseiten der Stellwände ausgestellt sind. Sie haben eine enge räumliche Beziehung zur Galerie im Marstall. Denn inspiriert sind sie durch ein altes Gewächshaus auf dem heutigen Gelände des ehemaligen Park Hotels gleich nebenan.

Eine Zeichnung aus dem Zyklus
Eine Zeichnung aus dem Zyklus "Gewächshausscheiben", entstanden Anfang der 1980er-Jahre.. © HA | Lutz Kastendieck

„Durch die vielen eingeworfenen Scheiben und das wuchernde Eigenleben hat es mich tief berührt. Es war für mich zum Sinnbild für die Vergänglichkeit allen Seins geworden. Das wollte ich in meinen farbreduzierten Graphit-Zeichnungen auf Tonpapier festhalten“, sagt Peter F. Piening. Auch das ist ihm eindrucksvoll gelungen.

„Tektonische Momente“, Zeichnungen und Bildobjekte von Peter F. Piening. 26. März bis 30. April, Galerie im Marstall Ahrensburg (Lübecker Str. 8). Mi, Sa und So, jeweils von 11 bis 17 Uhr.