Ahrensburg. 51-Jährige stiehlt Portemonnaie im Biomarkt und hebt 3500 Euro mit EC-Karten ab. Ihr krimineller Weg begann schon mit 14.

Jovanna B. (Name geändert) war 14 Jahre alt, als sie zum ersten Mal wegen Diebstahls geringwertiger Sachen bestraft wurde. Jetzt ist sie 51, und das Schöffengericht am Amtsgericht Ahrensburg hat gerade zweieinhalb Jahre Haft wegen gewerbsmäßigen Diebstahls und besonders schweren Computerbetrugs gegen sie verhängt. Die Frau mit den dunkelblonden langen Haaren nimmt das mit einem Kopfnicken zur Kenntnis. Warum etliche Gefängnisaufenthalte, fünf Kinder und eine schwere Krebserkrankung sie nicht von ihrem kriminellen Weg abbringen konnten, behält sie für sich. Jovanna B. möchte im Prozess nichts sagen. Einzig ihr Pflichtverteidiger Philipp Gerigk spricht.

Für Richter Ulf Thiele und seine beiden Schöffen steht am Ende der gut zweistündigen Verhandlung fest: Die Angeklagte hat am 29. Juni dieses Jahres aus einem Einkaufswagen im Bio-Supermarkt am Ahrensburger Rathausplatz ein Portemonnaie mit 500 bis 600 Euro sowie mehreren EC-Karten gestohlen.

Videokameras filmten Geschehen im Biomarkt und am Geldautomaten

Mit ihrer unbekannten Komplizin marschierte Jovanna B. an jenem Mittwoch schnurstracks ins nahe City-Center Ahrensburg (CCA). Am Geldautomaten in dem Einkaufszentrum hob sie innerhalb von drei Minuten von zwei Konten des Opfers erst 1000 Euro, dann 500 und dann noch mal 2000 Euro ab. Die PIN-Nummern hatten die Täterinnen offensichtlich in der Geldbörse entdeckt: Das Opfer – eine 71 Jahre alte Pensionärin aus einem Dorf bei Bad Oldesloe – hatte die Ziffern auf einem Zettel notiert.

Sowohl im Biomarkt als auch am Geldautomaten zeichneten Videokameras das Geschehen auf. „Das Gericht hat die Angeklagte auf den Bildern und Fotoserien sicher wiedererkannt“, sagte Richter Thiele. Haar- und Kleidungsgestaltung, aber auch die Stirn- und Augenpartie zeigten, dass B. mit ihrer Komplizin um 10.42 Uhr im Biomarkt und von 10.54 bis 10.57 Uhr am CCA-Geldautomaten gefilmt worden sei. „Für das Gericht bestehen keine Zweifel“, so Thiele. Die Konsequenz sei eine Verurteilung.

Polizist kannte die Angeklagte von früheren Diebstählen

Ein Ahrensburger Polizeihauptkommissar hatte die Seriendiebin, die einen Mundschutz trug, in den Videos erkannt. Bei einem vorherigen Fall hatte er Bilder von ihr in das landesweite interne Fahndungsportal hochgeladen. „Daraufhin meldete sich ein Kollege aus Neumünster und teilte die Personaldaten der Frau mit“, sagte der 47 Jahre alte Beamte als Zeuge. Die Komplizin, eine Frau mit blondem Pferdeschwanz, sei dagegen nicht bekannt.

Das 71 Jahre alte Opfer schilderte noch mal, wie es erst bei der Sparkasse Holstein Geld abgehoben und dann im Biomarkt eingekauft hatte. „An der Kasse war mein Portemonnaie weg“, sagte die Frau. Sie sei zurück zum Geldinstitut gelaufen und zum Parkplatz, habe ihre Börse aber nicht gefunden. „Dann bin ich wieder zur Sparkasse und habe die Konten sperren lassen“, sagte sie. Und auf Nachfrage des Richters, wie jemand an die PINs gelangen konnte: „Ich hatte einen klitzekleinen Zettel mit den Nummern seit Langem hinten im Portemonnaie.“

Es dauert lange, bis die Vorstrafen aufgezählt sind

Während die Zeugin sichtlich aufgeregt ist, scheint der Prozess für die in Serbien geborene Jovanna B. eher Routine zu sein. Dutzende Verhandlungen hat sie seit frühester Jugend miterlebt, viele Tage in Gerichten und Monate in Gefängnissen verbracht. Seit 21. September sitzt die Hamburgerin aktuell in U-Haft.

Es vergehen lange Minuten, als Richter Thiele („Ich überspringe die weniger relevanten Einträge“) aus dem Bundeszentralregister von B. zitiert. Mit 15 Jugendarrest, dann schon mal mehrfach im Jahr Bewährungs- und Haftstrafen. Immer wieder Diebstahl, immer wieder Computerbetrug. Die Gerichtsorte reichen von Bielefeld, Braunschweig, Lüneburg, Detmold, Göttingen und Hannover über Berlin bis nach Flensburg, Neumünster, Pinneberg, Tostedt, Lübeck – sowie Reinbek und Ahrensburg. Die Vollstreckung von Strafen addiert sich bereits bis Ende 2027.

Schöffengericht geht über Forderung des Staatsanwalts hinaus

„Ohne Freiheitsstrafe ist es kaum möglich, auf Sie einzuwirken“, sagte der Richter in der Urteilsbegründung zur Angeklagten. B. habe „leider“ auch nach ihrer 2015 diagnostizierten schweren Krebserkrankung nicht von ihren Taten abgelassen. Ihre fünf Kinder – drei sind inzwischen volljährig, zwei gerade aus dem Grundschulalter – hätten ebenfalls nichts verändert. Für das Schöffengericht sei eine deutliche Strafe erforderlich, „um zu zeigen, dass es keine Perspektive für Sie hat, in Freiheit diese Art von Geldbeschaffung fortzusetzen“. Zu den zweieinhalb Jahren Haft kommt noch die Auflage, 4000 Euro ans Opfer zurückzuzahlen.

Staatsanwalt Florian Büchmann hatte zwei Jahre plus Entschädigung gefordert. B. sei eindeutig auf den Bildern zu identifizieren. Auf der anderen Seite gebe es nichts, was sich strafmildernd für sie auswirken könnte. „Kein Geständnis, keine Reue oder Entschuldigung, keine Angaben zu ihrer Begleiterin“, so Büchmann. Hinzu komme das über Jahrzehnte gefüllte Vorstrafenregister.

Der Pflichtverteidiger plädiert auf Freispruch

Verteidiger Philipp Gerigk plädierte dagegen auf Freispruch. Für ihn war nicht bewiesen, dass die Frau auf dem Video tatsächlich seine Mandantin sei. Beispielsweise gebe es kein biometrisches Gutachten. „Der Schuldnachweis fehlt, deshalb: In dubio pro reo“, sagte Gerigk.

Schon vor dem Prozess war ein Verteidigerwechsel gescheitert. Wegen eines unwiederbringlich zerrütteten Vertrauensverhältnisses („Die Gründe sollen nicht näher ausgeführt werden“, so Gerigk) zwischen der Mandantin und ihm sollte ein Kollege den Fall übernehmen. Der hätte aber am Verhandlungstag keine Zeit gehabt. Richter Thiele, der ohnehin schon bis April terminiert sei, sah keinen Grund für den Wechsel und lehnte ab. „Es wird unter gewissem Protest notgedrungen an der Verhandlung teilgenommen“, meinte Gerigk dazu.

Für Jovanna B., die in Haft bleibt, steht am 19. Dezember in Lübeck der nächste Prozess auf dem Programm. Gegen das Ahrensburger Urteil kann sie innerhalb einer Woche Berufung oder Revision einlegen.