Ahrensburg. Eckart Boege ist jetzt seit 100 Tagen als Ahrensburger Bürgermeister im Amt. Im Interview zieht der 44-Jährige eine erste Bilanz.

Im vergangenen September hat Eckart Boege (SPD) die Bürgermeisterwahl in Ahrensburg gewonnen und zum 1. Mai Michael Sarach nach zwölf Jahren an der Verwaltungsspitze abgelöst. Viel Zeit zum Eingewöhnen hatte der 44 Jahre alte Diplom-Mathematiker, der zuvor in führender Position für ein Hamburger Energieunternehmen tätig war, nicht. Die Nachwirkungen der Corona-Pandemie, die Unterbringung ukrainischer Geflüchteter und die Debatte um die Parkplätze in der Innenstadt forderten den neuen Bürgermeister von Beginn an. Inzwischen ist Boege 100 Tage im Amt. Im Interview mit dem Abendblatt spricht der Verwaltungschef aus diesem Anlass über seinen Start als Bürgermeister, erste Erfolge und die drängendsten Themen der kommenden Monate.

Hamburger Abendblatt: Hallo Herr Boege! Die wichtigste Frage zuerst: Bereuen Sie es bei der langen Liste an anstehenden Herausforderungen inzwischen, als Bürgermeister kandidiert zu haben?

Eckart Boege: Natürlich habe ich mich zu Beginn über ein paar Dinge gewundert, aber das ist, glaube ich, immer so, wenn man eine neue Stelle antritt. Ich habe nach den ersten Monaten das Gefühl, dass ich hier richtig bin und dass das wirklich gut werden kann in den kommenden sechs Jahren.

Haben Sie sich an die Anrede „Herr Bürgermeister schon gewöhnt?

Ja, tatsächlich erstaunlich schnell. Aber ich werde ja auch sehr häufig angesprochen, dadurch setzt ein gewisser Gewöhnungseffekt schnell ein.

Sie sind aus der Wirtschaft ins Amt gekommen, ohne Verwaltungserfahrung. Im öffentlichen Dienst läuft ja doch Einiges anders. Gibt es Dinge, die Sie besonders befremdlich fanden?

Ein großer Unterschied ist natürlich, dass wir als Verwaltung oder ich als deren Leiter viele Entscheidungen nicht einfach selbst treffen kann. Wir setzen als ausführendes Organ Beschlüsse um, die die Politiker in der Stadtverordnetenversammlung treffen. Das erfordert eine ganz andere Form des Arbeitens und der Abstimmung. Ein anderer Punkt ist der Handlungsspielraum im Personalbereich. Im öffentlichen Dienst gibt es viele enge Regeln, was Auswahl und Bezahlung angeht, die das Leben nicht unbedingt leichter machen. Davon abgesehen sind die Unterschiede gar nicht so groß. Es geht viel darum, Zusammenarbeit zu organisieren, um interne Kommunikation, wie das auch in einem Unternehmen der Fall ist.

Wie findet man sich als Fachfremder in eine solche Spitzenposition ein? Eine Übergangszeit gibt es nicht. Ist es eine Herausforderung, plötzlich mehr als 200 Mitarbeiter zu führen, die mehr Verwaltungserfahrung haben, als Sie selbst?

Als Neuer von außen eine Führungsposition anzutreten, ist immer eine Herausforderung. Aber ich werde von meinen Mitarbeitern hervorragend unterstützt. Ich bin dankbar, dass mir so erfahrene, engagierte Menschen zur Seite stehen. Bei vielen Themen habe ich auch nicht bei Null angefangen. Ich bin seit einigen Jahren in der Kommunalpolitik aktiv, dadurch kannte ich einige Themen schon ganz gut. Aber in meiner jetzigen Position bekomme ich natürlich ganz andere Einblicke.

In den vergangenen Monaten hatten Sie Zeit, sich einen Überblick über das aktuelle Geschehen im Rathaus zu verschaffen. Welche sind aus Ihrer Sicht kurzfristig die drängendsten Baustellen?

Ein großes Problem ist aktuell die Personalgewinnung. Wie bereits mehrfach berichtet wurde, fehlen vor allem im Bereich Straßenbau zurzeit Ingenieure. Sechs von acht Stellen sind unbesetzt. Insgesamt waren 40 Stellen nicht besetzt, als ich ins Amt kam. Eine gute Personalsituation ist aber die Grundlage für alles Weitere. Insofern habe ich, auch wenn ich viele Ideen habe, mit denen ich am liebsten gleich losgelegt hätte, entschieden, hier zuerst anzusetzen. Denn wenn ich jetzt zum Beispiel sage, ich möchte ein Sofortkonzept zur Radwegesanierung erstellen lassen, dann bringt das nichts, wenn keine Mitarbeiter da sind, denen ich diese Zusatzarbeit zumuten kann.

Wie wollen Sie die angesprochenen Personalprobleme kurzfristig lösen?

Zunächst einmal: Eine Zauberformel gibt es leider nicht. Alles, was der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst und das Beamtenbesoldungsrecht an finanziellen Anreizen zulassen, wurde bereits unter meinem Vorgänger vorbereitet und von der Politik beschlossen. Etwa die Möglichkeit, in bestimmten Bereichen mit besonderer Personalnot eine Gehaltszulage für Fachkräfte zu zahlen und die Öffnung von Stellenausschreibungen für Beamte. Neben der Problematik, geeignete Bewerber zu finden, gab es in den vergangenen Monaten aber noch ein zweites Problem: Die Personalabteilung selbst war nicht voll besetzt, was uns bei der Anzahl der möglichen Ausschreibungen zusätzlich eingeschränkt hat. Davon abgesehen versuchen wir, Bewerber auf neuen Wegen anzusprechen. Wir wollen nicht das Anforderungsprofil in den Mittelpunkt stellen, sondern aufzeigen, welche tollen Möglichkeiten es hier gibt, an wichtigen Projekten mitzuarbeiten und konkret etwas zu gestalten. Und es gelingt uns auch, Mitarbeiter zu finden. Zuletzt haben wir zwei Architekten, einen Techniker, eine Bibliothekarin und fünf Auszubildende eingestellt.

Ein Punkt, der Ihnen im Wahlkampf besonders wichtig war, ist die Erreichbarkeit der Verwaltung. Sie haben versprochen, für mehr Bürgernähe zu sorgen und den Dienstleistungsgedanken stärker in den Mittelpunkt zu stellen. Noch immer klagen Dutzende Bürger darüber, dass die Rathausmitarbeiter telefonisch und per E-Mail kaum erreichbar seien und sie auf Termine teilweise wochenlang warten müssten. Welche Schritte haben Sie unternommen, um Abhilfe zu schaffen?

Die Erreichbarkeit der Verwaltung ist nicht optimal, da möchte ich nichts schönreden. Die Wartezeiten auf Termine sind nach wie vor viel zu lang. Leider lässt sich daran kurzfristig wenig ändern, weil der Schlüssel in Fragen des Personals und der Organisation liegt. Wir arbeiten daran, mehrere seit Längerem geplante Maßnahmen umzusetzen. Zum Beispiel wollen wir den sehr großen Fachdienst Bürgerservice, der bisher auch für Feuerwehr- und Gewerbeangelegenheiten und viele weitere Aufgaben zuständig ist, aufteilen und das Einwohnermeldeamt und das Standesamt herauslösen. So hat dann die Führungskraft dieses Fachdienstes die Möglichkeit, mehr Fokus auf genau diese Leistungen zu legen.

Viele Bürger kritisieren, dass die Verwaltung seit der Corona-Pandemie einen Kurs der Abschottung verfolge, das Rathaus zu einer Wagenburg geworden sei. Die Terminpflicht im Einwohnermeldeamt, das hat ihr Sprecher jüngst gesagt, soll dauerhaft bleiben und auch der Sicherheitsdienst am Eingang auf absehbare Zeit weiter beschäftigt werden. Wie passt das zu dem Bild eines offenen Rathauses, das Sie vermitteln wollen?

Die Terminvergabe hat für Bürger auch Vorteile, etwa dass sie besser planen können, dass Wartezeiten wegfallen und gleich klar ist, welche Dokumente mitgebracht werden müssen. Hier kann man vielleicht auch mal erwähnen, dass wir bisher nur ein einziges Mal Termine absagen mussten, als aufgrund von Erkrankungen nur noch ein einziger Mitarbeiter im Bürgerservice im Dienst war. Weite Teile der Verwaltung sind außerdem wie früher weiterhin ohne Termin erreichbar und es ist jedem Bürger zu den Öffnungszeiten des Rathauses möglich, an die Infothek zu kommen und einen Termin zu vereinbaren. Es ist aber auch so, dass Ahrensburg in den vergangenen Jahren gewachsen ist und die Zahl der Aufgaben der Verwaltung zugenommen hat. Deshalb ist ein Vergleich zur Situation früher aus meiner Sicht schwierig. Bezogen auf den Sicherheitsdienst ist es so, dass wir uns durch die Sanierungsarbeiten noch immer in einer Ausnahmesituation befinden. Der Dienstleister hilft in dieser Phase, die Besucherströme zu koordinieren. Wie wir das gestalten, wenn die Sanierung abgeschlossen ist, werden wir noch überlegen.

Am 18. September stimmen die Ahrensburger bei einem Bürgerentscheid darüber ab, ob künftig in der Innenstadt noch Parkplätze abgebaut werden dürfen. Im Wahlkampf haben Sie sich für ein autoarmes Zentrum ausgesprochen. Wird der Bürgermeister im Vorfeld der Abstimmung für ein Nein werben?

Ich habe für mich entscheiden, dass ich keine Wahlempfehlung abgeben werde. Es ist zwar so, dass ein Ja zum Bürgerentscheid natürlich Auswirkungen auf bereits beschlossene Projekte wie die Hamburger Straße haben wird. Aber egal wie der Entscheid ausgehen wird, müssen wir mit dem Ergebnis umgehen und dann gute Lösungen finden.

Wäre ein Ja bei dem Bürgerentscheid für Ihre weitere Amtszeit als Bürgermeister eine Belastung?

Nein, das denke ich nicht. Unabhängig davon, wie das Votum ausfällt, wird die Parkplatz-Frage damit nicht endgültig vom Tisch sein. Es wird darauf ankommen, alle Akteure zusammenzubringen und gemeinsam eine dauerhafte Lösung zu finden. Auch die Händler sprechen sich für eine attraktive Innenstadt mit wenig Verkehr aus. Nur wie wir zu diesem Ziel kommen, darüber gehen die Vorstellungen auseinander. Ich bin überzeugt, dass es Schnittmengen gibt.

Sie klingen sehr optimistisch. Wird die Debatte um die Parkplätze am Ende Ihrer ersten Amtszeit in sechs Jahren endgültig befriedet sein?

Darauf werde ich hinarbeiten.

Im Wahlkampf haben Sie eine testweise Sperrung der Innenstadt für den Autoverkehr an einigen Wochenenden vorgeschlagen. Ist diese Idee mit dem Bürgerentscheid vom Tisch?

Nein, aber zunächst möchte ich das Ergebnis des Bürgerentscheids abwarten. Ob ein solches Vorgehen sinnvoll ist, würde ich im Anschluss gern mit allen Beteiligten diskutieren.

Ein weiteres großes Thema, das viele Ahrensburger bewegt und welches in diesem Herbst aktuell wird, ist das Planfeststellungsverfahren für die S 4, in dem auch Ahrensburg als Träger öffentlicher Belange gehört werden wird. Wie wollen Sie sicherstellen, dass die Sorgen der Stadt in den weiteren Planungen Gehör finden?

Wie ich in den letzten Monaten gelernt habe, gab es auf Arbeitsebene bereits viele Gespräche mit der Deutschen Bahn. Vor kurzem habe ich mich persönlich mit der Projektleitung getroffen, um sich kennenzulernen. Ich halte es für wichtig, direkt mit der Bahn im Gespräch zu sein. Davon abgesehen planen wir zurzeit, auch ohne die Teilnahme von Daniel Günther und Peter Tschentscher, die von der Politik beschlossene Dialogveranstaltung, die voraussichtlich im Oktober stattfinden wird.

Auf Ahrensburg kommen mittelfristig zahlreiche teure Investitionsprojekte zu, aber schon in der Vergangenheit hat der Landesrechnungshof wiederholt beanstandet, dass die Umsetzungsquote bei den beschlossenen Projekten viel zu niedrig sei. Sie haben bei Ihrer Vereidigung gesagt, es komme darauf an, Prioritäten zu setzen. Werden Sie jetzt eine Streichliste vorlegen?

Das Wort Streichliste halte ich nicht für passend. Wir erstellen zurzeit eine Übersicht mit allen Investitionsprojekten, die beschlossen oder angedacht sind. Wir werden einen Vorschlag machen, was eine Priorisierung angeht. Die Entscheidung liegt letztlich bei der Politik. Ein Entwurf wird voraussichtlich im vierten Quartal vorliegen. Zur Wahrheit gehört, dass neben dem Großprojekt Heimgarten-Schulzentrum mit einem Volumen von mehr als 75 Millionen Euro absehbar nicht viele weitere Dinge möglich sein werden.