Ahrensburg. FDP-Chef kommt mit Gesundheitsminister Heiner Garg zum Wahlkampfendspurt. Er verteidigt Corona-Lockerungen und Sondervermögen.
Nur wenige Tage, nachdem Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) auf dem Ahrensburger Rathausplatz zu Gast war, hat am Donnerstag bereits das nächste Gesicht der Ampelkoalition die Schlossstadt besucht: Bundesfinanzminister Christian Lindner war zum Wahlkampfendspurt der FDP in den Alfred-Rust-Saal der Selma-Lagerlöf-Gemeinschaftsschule gekommen. Dabei ist der Platz am Kabinettstisch von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nicht die einzige Parallele zwischen den beiden Politikern: Wie schon bei der Außenministerin am Sonnabend waren auch beim FDP-Chef bemerkenswert viele junge Menschen unter den Zuhörern.
Viele Jugendliche kommen zu Auftritt von Christian Lindner in Ahrensburg
Als die Fahrzeugkolonne des Finanzministers gegen 19.20 Uhr, mit etwas Verspätung, auf das Gelände der Schule rollt und Lindner aus der schwarzen Limousine steigt, sind die 350 Plätze im Saal bis auf wenige Ausnahmen bereits besetzt. Auf einem guten Drittel davon sitzen Jugendliche oder junge Erwachsene. Das Bild passt zu der Erkenntnis von Wahlforschern nach der Bundestagswahl. Demnach schnitten Grüne und Liberale bei den Erstwählern von allen Parteien am besten ab. Etwa genausoviele Zuschauer verfolgen nach Angaben des FDP-Ortsverbands den Livestream der Veranstaltung im Internet.
Gegendemonstranten gibt es anders als beim Baerbock-Besuch, als Waffengegner lautstark versuchten, den Auftritt der Ministerin zu stören, diesmal keine. Inhaltlich dominieren zwei Themen den Abend: Die Corona-Pandemie und der Krieg in der Ukraine. Zunächst stellen sich die Stormarner Direktkandidaten der Liberalen für die Landtagswahl am 8. Mai, Anita Klahn (Stormarn-Nord) und Volker Dahms (Stormarn-Süd), vor.
Garg lobt hohe Quote bei Boosterimpfungen in Schleswig-Holstein
Der Dritte im Bunde, Schleswig-Holsteins Wirtschaftsminister Bernd Buchholz (Stormarn-Mitte), der auch Spitzenkandidat seiner Partei ist, sendet eine Videobotschaft und lässt sich entschuldigen. Er weilt für eine Debatte der Spitzenkandidaten in Kiel. Dann betritt Schleswig-Holsteins Gesundheits- und Sozialminister Heiner Garg die Bühne. Er dankt zunächst den Stormarner Jungen Liberalen für ihre Unterstützung im Haustürwahlkampf, bei dem er sie am Nachmittag begleitet hatte.
Anschließend hebt der Minister die Erfolge der Kieler Jamaika-Regierung im Kampf gegen das Coronavirus hervor. „Für uns alle waren es sehr herausfordernde 25 Monate“, sagt Garg rückblickend und verweist darauf, dass Schleswig-Holstein die überwiegende Zeit im Vergleich zu anderen Bundesländern sehr niedrige Inzidenzwerte verzeichnet habe. „Wir haben die mit Abstand höchste Booster-Impfquote“, so der Gesundheitsminister. In der Altersgruppe über 60 Jahre liege sie bei 93 Prozent.
Bundesgesundheitsminister Lauterbach kritisiert der Kieler Amtskollege scharf
Heftige Kritik übt er an Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). „Der Gesundheitsminister sollte Mut machen statt Angst“, sagt Garg mit Verweis auf Lauterbachs Warnungen vor einer neuen Welle im Herbst. „Niemand in diesem Land braucht eine Killer-Variante, auch nicht verbal“, so Garg. Kritik übt er auch an SPD-Spitzenkandidat Thomas Losse-Müller. Die von den Sozialdemokraten versprochene beitragsfreie Kita sei nicht finanzierbar „ohne die Qualitätsstandards in der Betreuung einzureißen“, so der Sozialminister.
Dann kommt Lindner auf die Bühne. Im Gegensatz zu Garg, der hin und wieder einen Blick auf eine Karteikarte in seiner Hand geworfen hat, spricht der Bundesfinanzminister mehr als 45 Minuten vollkommen frei. Beeindruckend ist Lindners rhetorische Wandelbarkeit. Mal spricht da der Finanzminister, der die Politik der Ampelkoalition preist, im nächsten Moment der FDP-Chef, der sich auch gegenüber den Koalitionspartnern angriffslustig zeigt.
Lindner verteidigt Lockerungskurs der FDP bei Corona-Regeln
Auch Linder steigt mit dem Thema Pandemie ein. Er verteidigt die Lockerungen der Corona-Regeln, die die FDP durchgesetzt hat. „Der Charakter der Pandemie hat sich verändert“, sagt er. Die Menschen müssten zuerst wieder selbst für ihre Gesundheit Sorge tragen. „Es darf nicht sein, dass Freiheiten präventiv eingeschränkt werden. Der Staat muss jeden Eingriff in die Freiheitsrechte rechtfertigen, nicht umgekehrt“, sagt der FDP-Chef.
Dann kommt Lindner auf den Krieg in der Ukraine zu sprechen. Vor allem geht es um das 100 Milliarden Euro schwere Sondervermögen für die Bundeswehr, das die Ampel auf den Weg bringen möchte. „Leben in Frieden und Freiheit setzt Wachsamkeit und Wehrhaftigkeit voraus“, sagt der Finanzminister. „Wir müssen kämpfen können, damit wir nicht kämpfen müssen.“
FDP-Chef will Schuldenbremse ab 2023 wieder einhalten
Die Staatsfinanzen blieben trotz der Milliardeninvestition stabil. „Ab dem kommenden Jahr halten wir die Schuldenbremse wieder ein“, versichert der Minister. Auch die Waffenlieferungen an die Ukraine verteidigt Lindner. „Wir müssen in diesem Moment solidarisch mit der Ukraine sein, weil ihre Soldaten im Wahrheit auch unsere Werte verteidigen“, sagt der FDP-Chef.
Er könne nicht nachvollziehen, warum manche noch immer die Realität ausblendeten, dass die Ukraine schwere Waffen dringend brauche. „Russland darf diesen Krieg auf keinen Fall gewinnen. Alles andere wäre das Ende des europäischen Friedens- und Freiheitsprojektes, das auf gemeinsamen Regeln und dem Recht basiert“, appelliert Lindner eindringlich.
Zahlreiche Zuschauer nutzen die Gelegenheit für ein Foto mit Lindner
Mit Blick auf die Abhängigkeit von russischen Energieimporten sagt er: „Wertepartner sollten unsere bevorzugten Handelspartner sein, damit wir nicht wieder erpressbar werden.“ Am Ende nimmt sich Lindner viel Zeit, um Fotos mit den zahlreichen jungen Zuschauern zu machen. Gegen 21 Uhr steigt er wieder in die schwarze Limousine und fährt davon.