Ahrensburg. Ein Supermarkt und Wohnungen sowie ein Kino stehen in letzter Minute auf der Kippe. Die Politik stellt ihre Zustimmung wieder infrage.

Ein rund 100 Meter langer Erdwall mit Bäumen und Sträuchern kann zwei Ahrensburger Neubauprojekte in letzter Minute scheitern lassen. Wenige Tage vor dem endgültigen Beschluss für einen Supermarkt, rund 60 Wohnungen und Tiefgarage mit knapp 200 Plätzen auf der Alten Reitbahn sowie ein Kino und Wohnungen am Bahnhof stellen die Kommunalpolitiker ihre Zustimmung wegen eines Knicks infrage.

Auslöser ist eine Stellungnahme des Kreises Stormarn. Die zu erwartende intensive Nutzung des an den Knick angrenzenden Wanderwegs und vor allem der regelmäßige Aufenthalt von Menschen in unmittelbarer Nähe verhinderten von vornherein, dass sich in der erforderlichen relativen Ungestörtheit die für das Biotop Knick typische Fauna erhalten kann. „Der Knick verliert durch diese massiven und dauerhaften Störungen, auch wenn er optisch erhalten bleibt, seine funktionale Bedeutung für den Naturhaushalt“, heißt es. Der ein Meter breite Schutzstreifen vom Knickfuß zum Geh- und Radweg sowie die Abstände zum Gebäude (4,50 bis sechs Meter) seien viel zu klein.

Grüne haben Zustimmung an Erhalt des Knicks gebunden

Der Kreis erwartet, dass die zweigeschossige Tiefgarage eine weiträumige Absenkung des Grundwassers zur Folge hat. „Die Bäume verlieren an Vitalität, verdursten allmählich und sterben ab“, so der Ausblick. Das Fazit: „Es ist davon auszugehen, dass der Knick bei Umsetzung der vorliegenden Planung langfristig nicht erhalten werden kann.“ Sollte Ahrensburg trotzdem am Projekt festhalten, müsse ein Knickausgleich an anderer Stelle erfolgen.

Um den Knick (unten) entspinnen sich Diskussionen.
Um den Knick (unten) entspinnen sich Diskussionen. © HA Grafik, HA Infografik, F. Hasse | Frank Hasse

„Wir haben dem Projekt stets nur zugestimmt unter der Vorgabe, dass der Knick erhalten bleibt“, sagte Jasper Lauert (Grüne) im Umweltausschuss. „Warum sind wir nicht sofort über die Bedenken der Unteren Naturschutzbehörde informiert und warum ist nicht darauf eingegangen worden?“ Die Formulierungen seien „schon drastisch“.

CDU konstatiert ein „Bürokratieproblem“ und deckt Fehler auf

Bela Randschau (SPD) meinte, die „knallharte Aussage“ mache ihn ein „bisschen fassungslos“. Er sehe sich nicht in der Lage, vor einer Auflösung des Konfliktes zwischen städtischem Bauamt und Unterer Naturschutzbehörde (UNB) des Kreises einen Beschluss zu fassen.

Burkhart Bertram (CDU) konstatierte ein „Bürokratieproblem“. Für ihn ist die enge Auslegung der Vorschriften vom Kreis schwer nachvollziehbar. „Das mag gelten, wenn man an einen bisher nicht berührten Knick heranbaut. Aber bisher hat es niemanden gestört, dass die Autos wenige Zentimeter davor parken.“ Die UNB sage zudem nicht kategorisch Stopp. Uwe Gaumann (CDU) erkannte Fehler in der Argumentation des Kreises: Dieser schreibe, dass über die Feuerwehrzufahrt ein Befahren des öffentlichen Wanderweges mit Kfz möglich sei, was zu einer vielfach intensiveren Belastung führe. Auf Nachfrage erläuterte die Stadtverwaltung, dass Autos dort nicht hinkämen.

Ahrensburgs Bauamt widerspricht Kritik des Kreises Stormarn

Ohnehin widersprach das Ahrensburger Bauamt der Kritik des Kreises vehement. „Die Planung ist keine Beeinträchtigung, sondern sogar eine Verbesserung für den Knick, denn seit Jahrzehnten parken Autos direkt an dessen Rand“, sagte Bauamtsleiter Peter Kania. Zudem liege direkt davor eine Hauptwasserleitung mit 70 Zentimetern Durchmesser, die jede Wurzel blockiere. Das Rohr werde verlegt, der Abstand zur Tiefgarage sei viel größer. Bei der Kellerwand setze der Investor außerdem eine besondere Technik ein. Diese sei mit etwa drei Millionen Euro nicht nur doppelt so teuer wie eine gewöhnliche Spundwand, sondern verhindere auch die Absenkung des Wasserspiegels.

Stadtplanerin Stefanie Soltek zeigte sich „komplett überrascht und verärgert“ über die Rückmeldung vom Kreis. „Wir haben die Naturschutzbehörde von Anfang an in die Planung einbezogen und auf Nachfrage die telefonische Auskunft bekommen, dass wir die Anmerkungen nicht so kritisch sehen müssten“, so die Rathausmitarbeiterin. Rückblickend sei es ein Fehler gewesen, das nicht schriftlich fixiert zu haben. „Wir sehen die Funktionsbeeinträchtigung des Knicks nicht so, wie es die UNB formuliert hat“, sagte Soltek. Neben den vom Bauamtsleiter genannten Argumenten führte sie ein Gutachten zu den Großbäumen an: Demnach hat selbst die Tiefgaragen-Verankerung keinen Einfluss auf die Wurzeln.

Knickerlass spricht ausdrücklich von Empfehlungen

Bei den Abständen habe man sich an die Vorschriften gehalten. „Im sogenannten Knickerlass des Landes Schleswig-Holstein geht es für den Innenbereich ausdrücklich um Empfehlungen“, so Soltek. Dort steht, dass über den ausreichenden Abstand zwischen Knick und Bebauung „im Einzelfall“ zu entscheiden sei. „Es wird empfohlen, für bauliche Anlagen eine Höhe der baulichen Anlage Abstand, mindestens aber drei Meter ab Knickwallfuß einzuhalten“, heißt es im Erlass wörtlich.

Auf der Alten Reitbahn gibt es zwei Engstellen von fünf Metern, sonst beträgt die Entfernung zwischen sieben und zehn Meter. Der Neubau ist zwischen zehn und 13 Meter hoch.

Am 21. Februar stimmen die Stadtverordneten final ab

Der Umweltausschuss erwartet jetzt von der Verwaltung, dass sie bis zu den Fraktionssitzungen am Dienstag auflistet, ob und wie der Knick zu retten ist. Am Montag, 21. Februar, stimmen die Stadtverordneten final ab. Bisher gab’s eine Mehrheit aus CDU, Grünen und Wählergemeinschaft WAB für das Gesamtprojekt, das schätzungsweise mehr als 20 Millionen Euro kosten dürfte. Die Melchers-Gruppe aus Bremen will zunächst die Alte Reitbahn bebauen, damit der Edeka-Markt von der Bahnhofstraße umziehen kann. Dort entsteht im Anschluss ein Kino mit sechs Sälen.

Die Knick-Frage beantwortet auch der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland anders. Der Landesverband schreibt: „Besonders positiv wird der Erhalt des Knicks und der Bäume (bis auf einen Ahorn) gesehen und die geplante Dach- und Fassadenbegrünung.“