Grosshansdorf. Beim offenen Impftermin bildete sich eine Schlange von gut 800 Menschen, die in der Kälte warteten – viele von ihnen über 70.

Der echte Norden impft. So lautet zumindest der Titel eines Videos, mit dem das Gesundheitsministerium in Schleswig-Holstein auf seiner Seite für die Corona-Impfung wirbt. Doch von diesem Anspruch war beim offenen Impftermin am Donnerstag im Gemeindehaus Großhansdorf nicht viel zu spüren, und das im Wortsinn. Denn dem Großteil der wartenden Impfwilligen blieb der kleine Piks versagt. Das einzige Impfteam vor Ort war mit dem Andrang völlig überfordert.

Corona-Booster: Chaos bei Impftermin in Schleswig-Holstein

Der Ammersbeker Sportfotograf Thorge Huter (48) war bereits um 8.30 Uhr vor Ort, um 9 Uhr sollte es losgehen. Er schildert die Situation so: „Als ich ankam, gab es bereits eine mehr als 200 Meter Meter lange Schlange bis zur Kreuzung Sieker Landstraße.“ Laut Huters Schätzung hatten sich innerhalb kurzer Zeit fast 500 Impfwillige versammelt. Darunter waren viele ältere Menschen, die ein Schreiben des Gesundheitsministeriums mit der Aufforderung zum Boostern erhalten hatten. So auch eine Dame von über 70 Jahren, die ihm den Brief gezeigt habe. Sie habe berichtet, dass ihr Hausarzt ihr erst einen Impftermin im Februar angeboten habe.

Auch Huter wollte sich seine Auffrischungsimpfung abholen, ebenso wie der 77-jährige Großhansdorfer Günter Vervoorts, der gemeinsam mit seiner Frau an etwa 80. Stelle wartete. Vervoorts berichtet, dass gegen 9.30 Uhr die Zahl der Impfwilligen auf schätzungsweise 700 bis 800 gestiegen sei.

Großhansdorf: 160 Corona-Impfungen in acht Stunden

Laut Huter sei die Warteschlange anfangs weiter aufgerückt, doch dann sei jemand herumgegangen und habe berichtet, dass das Impfteam pro Stunde 20 Impfungen schaffe, für die gesamte Aktion 160 Impfungen in acht Stunden.

Coronavirus: Hamburgs Impfstellen

„An der Stelle machten sich Fassungslosigkeit und ziemlicher Ärger in der Schlange breit“, so Huter. Entsprechend seien sehr viele wieder weggeschickt worden, da keine Chance auf Impfung mehr bestanden habe. So erging es auch den Vervoorts, die unverrichteter Dinge wieder den Heimweg antreten mussten. Günter Vervoorts sagt: „Gegen 10 Uhr hat der Pastor auf den Umstand hingewiesen und die Hälfte der Schlange löste sich dann auf.“ Zu dem Zeitpunkt sei abzusehen gewesen, dass sie mindestens bis 13 Uhr bei Kälte und Nieselregen hätten warten müssen. „Mit 77 Jahren ist das abenteuerlich.“

Corona: Viele Impfwillige wurden in Großhansdorf abgewiesen

Huter kritisiert, dass auf der einen Seite Werbung fürs Impfen und Boostern gemacht werde, Impfwillige dann aber abgewiesen würden, obwohl der Andrang voraussehbar gewesen sei. „Wir sind in Schleswig-Holstein gut mit den Impfungen dabei, da ist doch logisch, dass da Interesse am Boostern besteht“, sagt er. Es gehe nicht um Konzertkarten, für die man drei Stunden anstehe, sondern um die allgemeine Gesundheit. Auch habe sich keine Polizei blicken lassen, nicht auszudenken, „wenn da ein wütender Breitschultriger seinem Frust freien Lauf gelassen hätte“.

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Nach Auskunft des schleswig-holsteinischen Gesundheitsministeriums sind die offenen Impfaktionen eine Gemeinschaftsaktion mit der Kassenärztlichen Vereinigung (KV), die für die Organisation und die Impfstoffmenge zuständig sei. Huter: „Wenn die KV mit der Organisation überlastet ist, sollte sie Geld in die Hand nehmen und einen Logistiker der Veranstaltungsbranche damit beauftragen.“ Eine Nachfrage unserer Redaktion bei der KV ließ diese unbeantwortet.