Landkreis Stade. Anwohner fühlen sich von Umweltminister Olaf Lies im Stich gelassen. Landart Seefried fordert Antworten auch vom Betreiber.

Mitten in der Nacht vom 27. auf den 28. Mai dieses Jahres trat im Landkreis Stade die Lühe über die Ufer. Das Hochwasser überraschte die Anwohner und überflutete Keller, Höfe und einen Campingplatz (das Abendblatt berichtete). Grund für die Überflutung war das trotz eines leichten Elbhochwassers geöffnete Sperrwerk an der Lühemündung. Glücklicherweise kamen seinerzeit keine Menschen zu Schaden, doch es entstand hoher Sachschaden, und der Vorfall hinterließ bei den Anwohnern ein Gefühl der Wut und der Unsicherheit.

Umweltminister sagte bereits im Sommer Entschädigungen zu

Monate später warten die Betroffenen noch immer auf eine Entschädigung, die ihnen von Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies (SPD) bereits im Sommer zugesagt worden war. Stades Landrat Kai Seefried (CDU) erinnert den Minister jetzt an sein Versprechen, den Anwohnern unbürokratisch zu helfen: „Ich baue auf das Wort des Ministers“, so Seefried. Der Schaden, der durch vollgelaufene Keller und überflutete Grundstücke entstanden ist, beträgt nach Angaben des Umweltministeriums insgesamt rund eine Million Euro.

Der Landrat zeigt kein Verständnis für die Verzögerungen: Nach Aussagen der Betroffenen seien alle Nachweise gegenüber dem zuständigen Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) erbracht worden. Allerdings bleibe die Regulierung bisher aus, ärgert sich Seefried. Und das, obwohl das Ereignis schon mehr als vier Monate zurückliege. „Für mich als Landrat der betroffenen Gebiete ist das zutiefst unbefriedigend.“ Er sei fest davon ausgegangen, dass die Angelegenheit längst abgeschlossen sei: „So wie es die eindeutigen Zusagen von Lies erwarten ließen.“

Ministerium lässt diese Kritik des Stader Landrats nicht gelten

Das Ministerium indes lässt diese Kritik des Stader Landrats nicht gelten. „Es ist gar nicht die Frage, ob wir entschädigen, sondern wie“, sagt Matthias Eichler, Sprecher des Umweltministeriums auf Abendblatt-Nachfrage. „Aber es ist ja wohl klar, dass die rechtlichen Rahmenbedingungen vorher geprüft werden müssen.“

Das Land Niedersachsen war nach einer juristischen Prüfung zu dem Ergebnis gekommen, dass die Geschädigten des Lühe-Hochwassers Ende Mai keinen Anspruch auf Schadensersatz haben. Deshalb strebt Umweltminister Olaf Lies eine sogenannte Billigkeitslösung an, darunter versteht man eine freiwillige Zahlung ohne rechtlichen Anspruch. Diese müsse zwischen dem Umwelt- und Finanzministerium ausgehandelt werden.

Umweltminister strebt freiwillige Zahlung, eine Billigkeitslösung, an

„Wäre das Sperrwerk, so wie in hunderten Fällen zuvor, ordnungsgemäß geschlossen worden, wären den Anwohnerinnen und Anwohnern diese Schäden nicht entstanden. Die Rechtslage ist sicherlich kompliziert und es mag keinen Anspruch auf Schadenersatz geben. Und für alle Beteiligten ist es absolut unbefriedigend, dass es noch immer kein Ergebnis gibt, das Aufschluss über die Ursachen gibt“, so der Umweltminister zum Abendblatt. Das dürfe aber keine Rolle spielen bei der Frage eines entsprechenden Ausgleichs der Schäden durch das Land.

In der Nacht auf den 28. Mai trat die Lühe über die Ufer, überflutete mehrere Keller und richtete erhebliche Sachschäden an. 
In der Nacht auf den 28. Mai trat die Lühe über die Ufer, überflutete mehrere Keller und richtete erhebliche Sachschäden an.  © JOTO | Joto

„Dieser Fall ist atypisch, und wir haben dafür auch keine Blaupausen in der Schublade. Aber wir haben hier als Land eine entsprechende Verpflichtung. Alles andere ist den Betroffenen doch gar nicht zu erklären und widerspräche auch meinem Verständnis von Gerechtigkeit“, sagt Lies. „Da stehe ich uneingeschränkt zu meinem Wort. Aus meiner Sicht muss es entsprechende Zahlungen geben. Wir als Land haben jetzt die Aufgabe, das Ganze entsprechend abzuwickeln. Und dieser Aufgabe werden wir nachkommen“, bekräftigt der Umweltminister.

„Mehr als enttäuschend, wie das Umweltministerium mit Betroffenen umgeht“

„Die Aussagen des Ministers, dass es keinen Rechtsanspruch auf eine Entschädigung gebe und erst jetzt, mehr als vier Monate nach den Überflutungen, Gespräche zwischen Umwelt- und Finanzministerium aufgenommen würden, um nach einer Lösung zu suchen, kommen mehr als überraschend“, meint Kai Seefried. „Ich halte es – vorsichtig formuliert – für mehr als enttäuschend, wie das Umweltministerium mit den Betroffenen umgeht“, sagt der Landrat. Die Sach- und Rechtslage sei doch schließlich seit Monaten bekannt.

„Das Hochwasser und die entstandenen Schäden wären bei einem ordnungsgemäßen Betrieb des Sperrwerkes vermeidbar gewesen.“ Das Land dürfe die Menschen an der Lühe jetzt nicht im Regen stehen lassen: „Ich erwarte, dass die Schadensregulierung endlich kurzfristig erfolgt“, sagt Seefried.

Eine vollständige Aufklärung der Schadensursache steht noch aus

Der Chef der Kreisverwaltung hat sich erneut per Brief an den NLWKN sowie an Umweltminister Olaf Lies persönlich gewandt. Bereits im September habe sich die Kreisverwaltung abermals nach dem Sachstand erkundigt, heißt es aus dem Kreishaus. „Eine schriftliche Antwort aus dem Landesbetrieb gab es bislang nicht“, so ein Sprecher.

Seefried erneuert zudem seine Forderung nach einer vollständigen Aufklärung der Schadensursache: „Bisher gab es dazu noch keine abschließende Aussage des NLWKN als Betreiber des Sperrwerkes. Obwohl Einigkeit darüber besteht, dass sich so ein Fehler nicht wiederholen darf, hat es seitens des NLWKN bislang keine weiteren Aussagen dazu gegeben, was unternommen wird, damit sich ein solches Szenario nicht wiederholt“, so Seefried.

Einladung an NLWKN-Direktorin zur Kreistagssitzung im Dezember

Der Hochwasserschutz sei für die Anwohner im Alten Land von existenzieller Bedeutung. „Die Menschen müssen darauf vertrauen können, dass die Schutzmechanismen auch funktionieren“, betont der Landrat. Er lud die NLWKN-Direktorin Anne Rickmeyer zur nächsten Kreistagssitzung im Dezember ein, um die Kreispolitik und die Öffentlichkeit über die Konsequenzen zu informieren, die der Landesbetrieb aus dem Vorfall zieht.