Einzelne Tiere sind auf Wanderschaft, um sich neue Reviere zu suchen. Sie werden derzeit auch bei uns im Landkreis Stade erwartet.
Stade/Buxtehude. Der Wolf steht vor den Toren des Landkreises Stade. Im März dieses Jahres wurde ein Tier in Maschen im Landkreis Harburg fotografiert. Auch in der Lüneburger Heide wurden bereits mehrfach Wölfe gesichtet. Da der Wolf in kurzer Zeit längere Strecken zurücklegen kann, geht Peter Heinsohn, Vorsitzender der Stader Jägerschaft, davon aus, dass das Tier in naher Zukunft auch in den Landkreis Stade kommen wird. Gleichzeitig warnt er jedoch vor Panik.
Zum bundesweiten Gesprächsthema sei der Wolf seit dem Mauerfall geworden, sagt Heinsohn. Zuvor hätte es lediglich Wölfe an der Grenze zu Polen gegeben. Im Jahr 1990 wurde der Wolf deutschlandweit unter Schutz gestellt. "Der Wolf genießt einen hohen Schutz. So unterliegt er zum Beispiel nicht dem Jagdrecht, sondern dem Naturschutzrecht", sagt der Vorsitzende der Stader Jägerschaft. Mittlerweile hat sich der Wolf in Deutschland wieder angesiedelt, 2000 wurden in der Lausitz die ersten Wolfswelpen geboren.
Geschlechtsreife Jungtiere müssen sich vom Rudel entfernen
In Sachsen und Südbrandenburg leben derzeit sechs Rudel und zwei welpenlose Paare, ein weiteres Rudel lebt in Sachsen-Anhalt. Zu einem Rudel, der Wolfsfamilie, gehören ein fortpflanzungsfähiges Paar, der Rüde und die Fähe sowie deren Nachwuchs von ein bis zwei Generationen. Doch wenn die Jungtiere geschlechtsreif sind, spätestens mit zwei Jahren, müssen sie das Rudel verlassen. "Im Alter von 22 bis 24 Monaten werden sie vom Rudel abgebissen", erklärt Heinsohn.
Dann begeben sich die jungen Tiere allein auf die Suche nach einem eigenen Territorium und einem Paarungspartner. Auf Wanderschaft legen die Wölfe zwischen 50 und 70 Kilometer pro Tag zurück. Deshalb sind in den vergangenen Jahren auch Wölfe in Niedersachsen aufgetaucht. Die ersten Hinweise gab es bereits im Jahr 2006. Endgültige Beweise folgten ein Jahr später.
Im Bereich Unterlüß, Landkreis Celle, wurde ein Wolf fotografiert. Im Jahr 2008 wurde ein Wolf im Solling im Weserbergland fotografiert, im selben Jahr riss ein Wolf bei Uslar, Landkreis Northeim, mehrere Schafe. Im März dieses Jahres wurde dann ein Wolf bei Maschen im Landkreis Harburg fotografiert. Der Versuch der natürlichen Ausbreitung werde den Wolf auch in den Landkreis Stade führen, sagt Jäger Heinsohn. "Das geht seinen Weg, das können wir gar nicht ändern", sagt er. Allerdings sehe er den Landkreis Stade eher als Durchzugsregion. "Dass sich der Wolf hier etabliert, glaube ich nicht", sagt Heinsohn. Das liege vor alle an den vergleichsweise geringen Waldflächen in der Region.
Wenn sich das Tier dennoch durchsetzen würde, dann würde Heinsohn diese Ansiedlung begrüßen. Schließlich fordere die Natur dann ihr Recht, sagt der Jäger. Ausreichend Nahrung würde der Wolf auch im Landkreis Stade finden. Wild hätten wir genug, sagt Heinsohn. Wölfe ernähren sich hauptsächlich von Rehen, Schwarzwild und Rotwild. Sollte es einen Wolf in den Landkreis Stade ziehen, müssten die Jäger ihre Jagdstrecken teilen und ihre Abschusspläne ändern. Eine Jagd auf Wölfe wird es jedoch nicht geben.
"Wenn ein Jäger einen Wolf erschießt, verliert er seinen Jagdschein", sagt Heinsohn. Selbst ein sogenannter Fangschuss bei einem schwer verwundeten Tier sei nicht erlaubt. Dennoch räumt der Kreisvorsitzende der Stader Jägerschaft ein, dass ein Wolf in Konkurrenz zum Jäger stehen würde.
Eine solche Konkurrenzsituation habe allerdings dazu geführt, dass der Wolf in den Köpfen vieler Menschen zu einem Feindbild geworden ist. "Der Wolf war früher Hauptnahrungskonkurrent des Menschen", sagt Heinsohn. Zudem gilt der Wolf bei Vielen noch immer als Sinnbild des Bösen. Das liegt unter anderem an bekannten und beliebten Märchen. Dem düsteren, mit den Zähnen fletschenden Raubtier wurde in vielen Geschichten die Rolle des bösen Buben zugeschoben. Dieses Bild sei noch immer verbreitet.
"Es gehört auch zu den Aufgaben der Jäger, dieses Bild gerade zu rücken", sagt Heinsohn. In der Regel gehe ein Wolf den Menschen aus dem Weg. Angriffe auf Menschen seien äußerst selten. "Ein Wolf wehrt sich wie jedes Tier, wenn er in Bedrängnis ist", sagt Heinsohn. Dass ein hungriger Wolf auch mal ein Schaf reißt oder in einen Hühnerstall eindringt, schließt der Jäger jedoch nicht aus. Allerdings sei festgelegt, dass jeder Schaden mit öffentlichen Mitteln ersetzt wird.
Drochterser Schafhalter macht sich wegen des Wolfes noch keine Sorgen
Siegfried Fick, Schafhalter aus Drochtersen habe sich gedanklich noch nicht mit dem Wolfauseinander gesetzt. "Man macht sich meistens erst Gedanken, wenn etwas passiert", sagt Fick. Seine Schafe weiden ohnehin hinter einem Zaun sehr nah am Haus. Kreislandwirt Johann Knabbe sieht Wölfe im Landkreis Stade nicht als große Bedrohung an.
Zum einen glaube er, wie Jäger Heinsohn, nicht, dass sich Wölfe im Landkreis Stade ansiedeln. "Der Landkreis Stade ist ein Küstengebiet, die zusammenhängenden Waldflächen sind überschaubar", sagt Knabbe. Sollte dennoch ein einzelner Wolf in den Landkreis Stade kommen, vergleicht Knabbe diesen mit einem streunenden Hund. Das Problem, dass Rinder oder Kühe belästigt, aufgeschreckt und von der Weide getrieben werden, sei im Landkreis bereits bekannt.