Stader Handwerk erwägt bereits, Auszubildenden den Führerschein zu bezahlen, um geeignete Jugendliche zu gewinnen
Stade/Buxtehude. Mit Blick auf den demografischen Wandel bereiten sich die Ausbildungsbetriebe im Landkreis Stade auf einen Wettbewerb um die Auszubildenden vor. Die Industrie- und Handelskammer (IHK) Stade spricht bereits von einem "Rennen", das sich die Betriebe künftig liefern werden. Die hiesigen Unternehmer kennen das Problem der sinkenden Bewerberzahlen schon jetzt und ergreifen die Initiative. Dabei steht vor allem der Kontakt mit den Jugendlichen an den Schulen und auf Ausbildungsmessen im Mittelpunkt der Bemühungen.
Darüber hinaus gibt es weitere Ideen, um die besten Schüler für die Betriebe zu gewinnen. "Wir wollen den Jugendlichen Anreize schaffen", sagt der Stader Malermeister Ralf Behrens, Obermeister der Innung der Maler und Lackierer. Im Handwerk werde mittlerweile darüber gesprochen, Auszubildenden den Führerschein zu finanzieren oder ihnen beispielsweise ein Mofa zur Verfügung zu stellen.
Einer der größten Ausbilder ist der weltweit tätige Chemiekonzern Dow, der in seinem Stader Werk derzeit 120 junge Menschen ausbildet. Jedes Jahr werden etwa 35 Auszubildende neu eingestellt. Die demografische Entwicklung sei ein Problem, dem sich ausbildende Betriebe und Unternehmen stellen müssten, sagen Andreas Kathen und Gerd von Borstel, beide Ausbildungsleiter bei der Dow.
Diesbezüglich sehen sie das Stader Werk des großen Konzerns als sehr gut aufgestellt. Die Dow sei schon immer offensiv auf die potenziellen Auszubildenden zugegangen und war präsent an den Schulen, mit denen das Unternehmen in vielen Bereichen auch eng zusammenarbeite, sagt Kathen. Dort würden nicht nur die Berufe, sondern auch das Unternehmen und dessen Philosophie vorgestellt, ergänzt von Borstel. Doch auch im Stader Werk setzt der Konzern auf Transparenz. Regelmäßig werden Schüler über das Werksgelände geführt und lernen das tägliche Arbeitsumfeld kennen. Einige Gruppen arbeiten auch in den Laboren oder Ausbildungswerkstätten der Dow.
Eine Umfrage der IHK Stade unter mehr als 600 Schülern hat gezeigt, dass ihnen in der Ausbildung Respekt und ein gutes Betriebsklima besonders wichtig seien. Vor allem wollen sie während der Ausbildung jedoch auch etwas lernen. Die Dow habe Leitlinien entwickelt, in denen die Vorstellungen der Jugendlichen größtenteils ohnehin widergespiegelt würden, sagt Ausbildungsleiter Kathen. Diese Leitlinien seien Respekt, Offenheit, Arbeitsplatzsicherheit und Perspektive.
Auch deshalb sei er für die Zukunft nicht in Sorge, auch wenn sich die Situation der Bewerber verschärft. "Wir haben gute Vorarbeit geleistet und einen guten Ruf", sagt Kathen. Wie wichtig dieser Ruf und die sich daraus ergebende Mundpropaganda ist, zeigt ein kurzes Gespräch mit den Auszubildenden. "Ich hatte mehrere Angebote, aber Freunde und Familie haben mir zur Dow geraten", sagt Leif Erik Wienberg, 18 Jahre, aus Bremervörde.
Doch die angehenden Auszubildenden blicken schon bei der Auswahl ihres Ausbildungsbetriebes auf ihre Abschlussprüfung. Dass die gute Prüfungsvorbereitung ein entscheidender Faktor für ihn gewesen sei, sagt Simon Brandt, 22. Ähnlich sieht es Stefan Bube. Der 17-jährige Auszubildende aus Bützfleth hatte zudem ein freiwilliges Praktikum bei der Dow absolviert. Im Stader Werk, wo seit 1978 laufend ausgebildet wird, werden jährlich zwischen 130 und 140 Praktikanten beschäftigt. Diese Orientierungszeit sei für beide Seiten sehr wichtig, sagt Ausbildungsleiter Kathen. Viele Bewerber würden über Praktika ausgewählt, ergänzt er.
Praktika sind auch für kleinere Ausbildungsbetriebe sehr wichtig. Im Betrieb vom Stader Malermeister Ralf Behrens gehört ein dreiwöchiges Praktikum vor der Ausbildung zu den Bedingungen. Behrens führt den Familienmalerbetrieb bereits in dritter Generation. Er beschäftigt zehn Mitarbeiter und zwei Auszubildende.
Gerade kleine Handwerksbetriebe wüssten um das Problem der sinkenden Bewerberzahlen. Stader Firmen seien deshalb sowohl auf den großen Ausbildungsmessen der Region als auch in den Schulen präsent. Behrens weiß, dass sich die kleinen Handwerksbetriebe künftig besonders bemühen müssen. Doch er weiß auch, dass die kleinen Ausbildungsbetriebe einen besonderen Vorteil haben. "Es wird intensiver ausgebildet, weil der Ausbilder immer dabei ist", sagt Behrens.
Dass auch in größeren Unternehmen sehr intensiv ausgebildet werde, sagt Imke Lohmann, Ausbildungsleiterin bei Mohr in Dollern. Dort werden derzeit zwölf junge Frauen und Männer ausgebildet. "Für uns ist es ganz wichtig, dass wir die Qualität der Ausbildung hoch halten", sagt Lohmann. Deshalb gebe es nicht nur interne Schulungen für die Auszubildenden, sondern auch viele Seminare und eine externe Prüfungsvorbereitung.
Dazu sei der Umgang in dem Familienunternehmen sehr menschlich, es gebe ein gutes Betriebsklima und der Chef sei immer selbst im Laden und kümmere sich, sagt Lohmann. Die Ausbildungsumfrage der IHK hat gezeigt, dass die Jugendlichen ein gutes Betriebsklima schätzen und wollen, dass man sich um sie kümmert.
Bei Mohr in Dollern funktioniert das so: Zunächst bekommt jeder vor seinem ersten Arbeitstag einen Brief von der Ausbildungsleiterin mit allen wichtigen Informationen. Außerdem erhält jeder Auszubildende einen Paten, wie es im Dollerner Modehaus genannt wird. Jedem Berufsanfänger wird ein erfahrener Mitarbeiter aus dem Haus zur Seite gestellt, der den Auszubildenden in den ersten Tagen betreut.
Die Bemühungen bei Mohr, bei der Dow und auch im Handwerk zeigen, dass die Betriebe das Problem erkannt haben und sich um Bewerber bemühen.