Jamal Said bringt Medikamente im Wert von 50 000 Euro mit und bildet Klinikmitarbeiter in Pharmazie aus.

Stade/Kabul. Er hat ein leicht mulmiges Gefühl im Bauch. Am 25. Dezember, dem 1. Weihnachtstag, verabschiedet sich Jamal Said von seiner Familie. Das Flugzeug bringt ihn dann dorthin, wo wohl nur die wenigsten freiwillig ihr Weihnachtsfest verbringen wollen: Afghanistan. Trotz des flauen Gefühls wird Jamal Said fliegen - weil es ihm wichtig ist und weil er es für richtig hält.

Jamal Said ist Apotheker. Der in Stade lebende und in Hamburg-Wilhelmsburg arbeitende gebürtige Afghane wird nicht allein nach Kabul fliegen. Mit ihm an Bord: Arzneimittel und medizinisches Gerät im Wert von rund 50 000 Euro. Der 54-Jährige, der in Hamburg Pharmazie studiert hat, will die 23 528 Infusionslösungen, die Messgeräte und die vielen Medikamentenpackungen im Auftrag der Hamburger Stiftung "Robin Aid" in das "French Medical Institute für Children" bringen. In diesem modernen, aus Spenden finanzierten Krankenhaus erhalten schwerstkranke und lebensgefährlich verletzte Kinder Hilfe, die von den ständigen Kriegen im Land leiden.

"Es ist einfach nur schlimm, dass ausgerechnet kleine Kinder derart unter den Zuständen im Land leiden müssen", sagt Said. Aus seiner Stimme klingt Bestürzung. Im Juli war er zuletzt in Afghanistan. Die ausgemergelten Körper, die großen, dunklen, unschuldigen Augen der zwei- und dreijährigen Kinder, die einfach am Straßenrand saßen, ohne Perspektive auf ein besseres Leben, das hat ihn nicht mehr in Ruhe gelassen und zum Handeln bewegt.

"Es war nicht leicht, meiner Frau zu erklären, dass ich weder zu Weihnachten, noch an ihrem Geburtstag und zu Neujahr bei meiner Familie sein werde, sondern nach Kabul fliege", sagt Said. Schließlich hat seine Frau, die seit rund 20 Jahren in Deutschland lebt, die schlimmsten Momente der jüngeren afghanischen Geschichte erlebt. Den Bürgerkrieg, das Elend, die Unterdrückung. Sie habe Angst um ihn - Angst, dass Jamal Said nicht aus Afghanistan zurückkehren könnte. Das verwundert den Apotheker nicht. Die Verhältnisse, die den Stader vor Ort erwarten, sind katastrophal. Korruption und Entführungen sind an der Tagesordnung, ganze Straßenzüge sind wegen der Lebensgefahr als "No-go-Areas" gekennzeichnet.

Katastrophal ist auch die medizinische Situation. Fast alle nach westlichem Standard ausgebildeten Ärzte hatten nach dem 25 Jahre dauernden Krieg mit der Sowjetunion das Land verlassen. Andere Ärzte waren später nachgerückt, darunter offenbar etliche Kurpfuscher. Die fachliche Kompetenz fehlte häufig, die Folgen für die Patienten waren schlimm, nicht selten drohte der Tod im vermeintlich rettenden Krankenhaus.

"Auch wenn sich in Kabul und Umgebung einiges inzwischen bessert, die Infektionsrate in den Krankenhäusern ist weiterhin sehr hoch. Es fehlt an den einfachsten Dingen wie Einweghandschuhen oder Desinfektionsmitteln", sagt Jamal Said.

Seinen zehntägigen Aufenthalt in Kabul will der Stader auch für Schulungen nutzen. "Ich werde Krankenhausapotheker und Ärzte fortbilden und sie in die Bereiche der klinischen Pharmazie einführen", sagt er. Auch die Wirkung von Arzneimitteln stehe auf dem Lernprogramm, denn die richtige Verabreichung von Medikamenten sei ein Dauerproblem. Viele Medikamente stammen vom Schwarzmarkt, die Zusammensetzung der Arzneimittel entspricht nicht den Originalen. Die Nebenwirkungen können fatal sein.

Dass er seinen Landsleuten in Afghanistan helfen kann, freut Jamal Said zutiefst. Doch das geht nur, weil seine Kollegen in der Wilhelmsburger Apotheke ihn bei der Arbeit für die Robin-Aid-Stiftung konsequent unterstützen. "Ihnen gebührt mein besonderer Dank", sagt Said. "denn wenn sie mir nicht den Rücken frei halten würden, könnte ich meine Mission nicht erfüllen".

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