Die große Mehrheit der befragten Gastronomen sieht dem transparenten Prüfsystem gelassen entgegen
Stade/Harburg/Winsen. Was bringt die neue Ampel? Die grün-gelb-rote "Hygiene-Ampel" für die Gastronomie? Das fragen sich viele Gastronomen, Gäste, Verbandsvertreter und Behördenvertreter in der südlichen Metropolregion Hamburg. Der Grund: Die Verbraucherminister der Länder haben die Einführung einer "Hygiene-Ampel" für Gaststätten beschlossen. Die Ampel soll von 2012 an - gut sichtbar - an Eingängen von Lokalen hängen und die Ergebnisse der letzten Lebensmittelkontrolle anzeigen.
Grün heißt dann: In dieser Lokalität ist alles paletti - keine oder geringe Mängel. Gelb symbolisiert mittlere und Rot schwerwiegende Beanstandungen der Kontrolleure. Was sagen die Gastronomen zu diesem neuen Zertifikat?
Das Frühstücksbuffet im gemütlichen Café-Bistro Al Dente am Harburger Ring gegenüber der Arbeitsagentur Harburg ist an diesem Mittag mit 23 Gästen bestens besucht. Es gibt Lachs, Rührei, Kaffee und was das Herz begehrt für 6,90 Euro, und Inhaberin Hülya Karakurt, 43, hat alle Hände voll zu tun. "Eine Hygiene-Ampel sollen wir bekommen?", fragt die Harburgerin. "Null Problemo! Natürlich achten wir auf Hygiene, das ist das A und O in der Gastronomie. Wir haben seit der Übernahme im vergangenen Dezember alles auf den neuesten Stand gebracht. Der Mitarbeiter des Veterinäramtes hatte nichts zu beanstanden. Das zeigen wir dann auch gerne auf einer Ampel an der Scheibe."
Auch im Landkreis Harburg sieht die Verwaltung der "Hygiene-Ampel" gelassen entgegen. Vier Lebensmittelkontrolleure inspizieren rund 450 Gastronomiebetriebe. "Wir sind sehr zufrieden mit dem Zustand unserer Gastronomie", sagt Sprecher Bernhard Frosdorfer. "Bei 713 Kontrollen im vergangenen Jahr gab es nur 18 Beanstandungen."
Drei Betriebe bekamen ein Bußgeld und mussten kurzfristig schließen, ihre Mängel beseitigen und wurden nachgeprüft. Dann durften sie wieder öffnen. Mängel waren falsche Temperaturen bei der Kühlung und nach dem Haltbarkeitsdatum abgelaufene Nahrungsmittel. "Bei 15 mittelschweren Fällen mussten wir ein Bußgeld verhängen", sagt Bernhard Frosdorfer. "Hier wurde nicht ordnungsgemäß desinfiziert und gereinigt oder die Kühlbestimmungen für Nahrungsmittel wurden nicht eingehalten."
Ob der Landkreis mit Einführung der "Hygiene-Ampel" mehr kontrollieren muss, weiß der Sprecher nicht. "Wir kennen die gesetzlichen Auflagen des Bundesverbraucherschutzministeriums noch nicht."
Aber nicht überall stößt die Einführung der "Hygiene-Ampel" auf Zustimmung. Martin Zackariat, 50, ist Vorsitzender des Dehoga-Kreisverbandes Lüneburg und Miteigentümer des Restaurants Wassermühle in Heiligenthal. Er sagt: "Wir Lüneburger Gastwirte halten nichts von der Hygiene-Ampel. Das Ordnungsamt, das die Ampelfarben vergibt, kommt frühestens nach zwei Jahren wieder zur Kontrolle. Wenn einer Rot bekommt, hängt das also zwei Jahre bei ihm, egal ob der Laden inzwischen sauber ist. Und wenn man während der Ampelvergabe gerade nicht kontrolliert wird, hat man jahrelang gar nichts im Fenster hängen." Für den Verbraucher sei das nur "Augenwischerei", so Zackariat. Abgebildet werde eine "Momentaufnahme". Der Gast könne keinen Prüfbericht einsehen, um zu sehen, warum welche Farbe vergeben worden ist.
Der Harburger Gastronom Heiko Hornbacher (Der Goldene Engel, Veritas Beach Club) hält eine Ampel an seinem Fenster "im Prinzip für überflüssig". "Fünf verschiedene Prüfer achten auch auf fünf verschiedene Dinge. Jeder beurteilt anders und jeder guckt in eine andere Ecke, so dass der Gastronom möglicherweise keine grüne Ampel bekommt. Wir werden schon jetzt zwei- bis dreimal im Jahr kontrolliert." Problematisch sei es, wenn der Kontrolleur komme, wenn gerade für 100 Leute gekocht werde. "Dann kann man natürlich nicht sofort alles zurückstellen und sauber machen wie sonst."
Hossein Tabatabaei, 40, Inhaber des Restaurants Amadeus in Buxtehude, sieht der Ampel hingegen entspannt entgegen. "Bei uns ist immer alles sauber. Aber es gibt auch Tage, da hat man Pech, wenn der Prüfer kommt und es ist stressig und noch nicht aufgeräumt. Bei uns wird einmal in der Woche zusätzlich zum täglichen Reinigen alles komplett grundgereinigt."
Kritik an der geplanten "Hygiene-Ampel" kommt derweil vom Niedersächsischen Industrie- und Handelskammertag in Hannover. "Dass der Verbraucherschutz und die Lebensmittelhygiene einen hohen Stellenwert haben, steht für die Unternehmen außer Frage. Hier soll allerdings ein System auf die Schiene gesetzt werden, das dem Verbraucher nur wenig Transparenz bietet und den Unternehmen unter Umständen schweren Schaden zufügt. Gleichzeitig wird ein Aufwand betrieben, der durch das zu erwartende Ergebnis kaum zu rechtfertigen ist", sagt Sprecher Martin Exner.
Der Kammertag kritisiert, dass die Lebensmittelkontrollen eher zufällig und willkürlich erfolgen. Für einen ordnungsgemäßen Vollzug der Kontrollen würden bei den Landkreisen die notwendigen Lebensmittelkontrolleure fehlen. "Die gewünschte Transparenz für die Verbraucher lässt sich so nicht herstellen", sagt Exner. Gleichzeitig könne es für Unternehmen das Aus bedeuten, wenn nach Beanstandungen notwendige Nachkontrollen nicht zeitnah vorgenommen werden können. Es sei ein "Irrglaube", dass der geplante Aufwand zu einem verbesserten Verbraucherschutz führe. In Dänemark liege die Zahl der beanstandenden Betriebe konstant zwischen drei und vier Prozent - und das ein Jahrzehnt nach Einführung des dortigen Hygiene-Smileys!
Frank Wiechern, 43, Inhaber des Harburger Fisch-Restaurants Leuchtturm, ist hingegen für die neue "Hygiene-Ampel". "Das ist ein enormer Ansporn für alle Gastronomen, penibel auf die Hygieneanforderungen zu achten." Eine rote Ampel sei gleichbedeutend mit dem Ende der Existenz, das werde sich niemand erlauben. "Reinigung ist sehr kostenintensiv", sagt Frank Wiechern, "aber wir wischen bei uns nach Listen und einmal wöchentlich noch einmal extra alle Hygienebereiche."