Sylt. On-Demand-Service Syltride wird bislang wenig genutzt. Insulaner und Touristen wollen offenbar nicht aufs Autofahren verzichten.
Es ist eigentlich ganz einfach: Wer auf Sylt von A nach B möchte, der kann seit vergangenem Jahr den On-Demand-Fahrdienst Syltride nutzen. Mit der App Sylt Go gebucht, dauert es ein paar Klicks, bis das Sammeltaxi bestellt ist. Zwischen 5 und 20 Minuten müssen die Fahrgäste warten, bis sie abgeholt werden. Bis zu sechs Personen haben in dem Kleinbus Platz. Die Preise richten sich nach der Entfernung. Der Service ist etwas teurer als Bus fahren, aber günstiger als Taxi fahren. Bezahlt werden kann per Paypal oder Kreditkarte.
Als erste deutsche Insel führte die Sylter Verkehrsgesellschaft (SVG) seinerzeit einen solchen Service ein. Drei elektrisch betriebene Kleinbusse sind seitdem auf der Insel unterwegs. Sven Paulsen, Geschäftsführer der Sylter Verkehrsgesellschaft, wollte mit dem Projekt einen Beitrag zu einer klimafreundlichen Verkehrswende leisten.
Sylt: On-Demand-Fahrdienst bislang kaum genutzt
Doch: „Bislang ist die Nachfrage offen gesagt etwas zurückhaltend“, sagt Paulsen im Abendblatt-Gespräch. Mit durchschnittlich 1000 Nutzern pro Monat blieben die Zahlen hinter den Erwartungen zurück. „Ich hatte ehrlich gesagt schon gehofft, dass es mehr sein würden“, so Paulsen. Momentan ist das Projekt für die Verkehrsgesellschaft ein klares Minusgeschäft. Sollte sich das in Zukunft nicht ändern, steht der Service möglicherweise vor dem Aus. Das hängt unter anderem davon ab, ob die SVG Fördermittel vom Bund bekommt, für die sie sich beworben hat. Eine Entscheidung soll noch im Oktober fallen.
Doch Finn Blunck hofft trotz des schwerfälligen Starts, dass es nicht dazu kommt. Seit August ist er für die Sylter Verkehrsgesellschaft als Mobilitätsmanager tätig, kümmert sich um neue und klimafreundliche Möglichkeiten der Beförderung. Zuvor hat er in Ahrensburg den On-Demand-Shuttle-Service Ioki aufgebaut, kennt sich mit der Thematik aus. „Man sagt, dass es im Schnitt drei Jahre dauert, bis so ein Service sich etabliert hat“, so Blunck.
Sylt: VG möchte mit dem Fahrdienst die ganze Insel bedienen
Als nächsten Schritt möchte die SVG mit Syltride die gesamte Insel bedienen und das Angebot dadurch auch attraktiver machen. Im Herbst des vergangenen Jahres gestartet, war der Service zunächst auf Westerland, Keitum und Wenningstedt begrenzt. „Seit Frühjahr ist der Service bis Vogelkoje Kampen und Sansibar“ ausgedehnt, so Paulsen.
Warum die Nutzerzahlen so gering sind? „Die Sylter Urlauber sind meist nur für einen kurzen Zeitraum auf der Insel“, sagt Blunck. Das bedeute, dass die SVG ständig neues Marketing machen müsse, um die Gäste auf das Angebot zu stoßen. Die Erfahrungen aus anderen Städten mit On-Demand-Service zeige, dass der Dienst vor allem von Menschen mit hoher Affinität zum Öffentlichen Personennahverkehr genutzt werde. Sylter Touristen sind aber oft mit den Auto unterwegs.
Für ältere Urlauber ist es oft eine Herausforderung, eine App herunterzuladen
„Im Idealfall werden die Urlauber direkt bei der Ankunft auf das Angebot aufmerksam gemacht“, so Blunck. Wie das am besten geht, versucht die SVG derzeit auszuloten. Da wünscht Paulsen sich auch Unterstützung von Tourismusorganen auf der Insel: „Es wäre zum Beispiel schön, wenn Vermieter ihre Gäste auf das Angebot hinweisen würden.“ Ein Problem sei auch, dass viele Urlauber älter seien und es für sie schon eine Herausforderung sein könne, eine App herunterzuladen. In Großstädten wie Hamburg oder Berlin seien die Bedingungen anders.
Trotzdem: Bei den Menschen, die Syltride nutzen, komme der Service gut an. „Wir haben eine Bewertung von 4,8 von 5 Sternen“, sagt Blunck. Außerdem sind die Nutzer oft Stammgäste und Insulaner, die das Angebot kennen und gute Erfahrungen gemacht haben. „Sobald die Leute das einmal gemacht haben, ist die Wahrscheinlichkeit recht groß, dass sie es wieder tun“, so der Mobilitätsmanager.
Sylt: Partnerticket für kostenlosen ÖPNV ist ein riesiger Erfolg
Doch der SVG-Geschäftsführer macht auch klar: „Syltride ist nur ein kleiner Teil unseres neuen Mobilitätskonzepts auf der Insel.“ Die SVG geht viele Wege, um den ÖPNV attraktiver zu machen, Mobilität insgesamt umweltfreundlicher zu gestalten. Fünf neue Elektrobusse kommen künftig im Busverkehr auf der Insel zum Einsatz. In fünf bis sechs Jahren will die SVG ihre Flotte komplett auf elektrische Fahrzeuge umstellen, investiert dafür rund 4,5 Millionen Euro.
Ein großer Erfolg sei laut SVG-Geschäftsführer das Partnerticket, mit dem Gäste aus Hotels, Appartements und Ferienwohnungen kostenfrei den ÖPNV nutzen können. Auf Initiative des Tourismus-Service Wenningstedt-Braderup kooperiert die SVG mittlerweile mit zahlreichen Beherbergungsunternehmen mit insgesamt rund 3000 Betten. „Das wird von den Gästen super genutzt“, sagt Paulsen. Die sparen durch das kostenlose Angebot ja immerhin auch Geld, was viele gerne in Anspruch nehmen. In sozialen Netzwerken werde das Angebot gelobt und weiterempfohlen. Paulsen: „Da haben wir einen Volltreffer gelandet.“
Geschäftsführer wünscht sich Beschränkung des Autoverkehrs durch die Politik
Derzeit läuft ein Bewerbungsprozess der SVG für ein Modellprojekt ÖPNV. „Wenn wir ausgewählt werden, bekommen wir Fördermittel und können noch weitere Projekte umsetzen“, so Paulsen. Er und der Mobilitätsmanager haben bereits Ideen entwickelt, zum Beispiel eine Paketstation an Orten, wo Busse, Fahrräder und Co. sich treffen.
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Diese und weitere Überlegungen machen klar: Die Sylter Verkehrsgesellschaft setzt einiges in Bewegung, um Mobilität klimafreundlich in die Zukunft zu führen. Doch klar ist auch: Damit das gelingt, müssen die Menschen mitziehen und mitunter auch bereit sein, ihr Auto stehen zu lassen. „Das ist ein großes Thema, das wir nicht allein bewältigen können“, sagt Paulsen. „Da können wir einen Handstand machen, aber wir können die Leute nicht in die Busse hereinzaubern“, so der Geschäftsführer. In dieser Sache wünscht er sich auch Unterstützung von der Politik, um zum Beispiel den Autoverkehr auf der Insel einzuschränken. Paulsen: „Da müssen andere mithelfen.“