Kiel. Bundesland reagiert auf israelfeindliche Hetze und Gewaltaufrufe. Wie besonders Kinder und Jugendliche geschützt werden sollen.

Schleswig-Holstein verschärft den Kampf gegen Antisemitismus und Judenfeindlichkeit. Damit reagiert das Land nach dem Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober auf die deutliche Zunahme antisemitischer Straftaten oder Vorfälle auch im nördlichsten Bundesland.

So registriert das Innenministerium seither Delikte in einem „oberen zweistelligen Bereich“. Das sind vor allem Sachbeschädigungen, Diebstähle und sogenannte Verletzungen von Hoheitszeichen. So wurden Flaggen von Fahnenmasten gerissen. Verstärkt ermitteln Polizei und Staatsanwaltschaft auch gegen Menschen aus dem Norden, die „Kennzeichen verfassungswidriger oder terroristischer Organisationen“ verwenden.

Schleswig-Holstein: Antisemitismus nimmt nach Hamas-Angriff zu – wie das Land reagiert

Neben den Polizeibehörden registriert auch die „landesweite Informations- und Dokumentationsstelle Antisemitismus“ eine deutliche Steigerung antisemitischer Vorfälle. Israelhass und Antisemitismus werden im Alltag zunehmend offen ausgelebt – von Linksextremisten und Islamisten, von Zugewanderten und hier Geborenen, von eher älteren bis hin zu wirklich jungen Menschen in Schleswig-Holstein, beobachten die Behörden im Norden.

Mit einer Bildungsinitiative gegen Antisemitismus regiert der Landtag darauf, dass in Schleswig-Holstein Kinder und Jugendliche mit juden- und Israelfeindlicher Hetze aufwachsen müssten.

Nach Straftaten in Norddeutschland: Antisemitismus wird zum Bildungsziel

Die Landtagsfraktionen haben jetzt einstimmig einen „Zehn-Punkte-Plan für jüdisches Leben“ beschlossen. Damit wird der Einsatz gegen Antisemitismus und Rassismus dauerhaft als Bildungs- und Erziehungsziel an den Schulen verankert und im Schulgesetz festgeschrieben. Das Land verpflichtet die Schulen, Präventionskonzepte zu entwickeln. Der Plan sieht vor, das „Wissen über die Geschichte des Staates Israel und den Nahostkonflikt“ im Unterricht zu verankern und zudem zu prüfen, wie das „Wissen über die Shoa und eine damit verbundene Empathiebildung im Schulkontext besser umgesetzt werden können“. Die Gedenkstättenarbeit soll professionalisiert, sodass jede Schülerin und jeder Schüler mindestens einen Erinnerungsort wie das ehemalige Konzentrationslager Auschwitz besucht. Schulen, so sieht es der Zehn-Punkte-Plan auch vor, sollen verstärkt Projekte zur Pogromnacht am 9. November und zum Jahrestag der Befreiung von Auschwitz am 27. Januar anbieten.

Ziel der Maßnahmen ist unter anderem, die Schüler zu bilden und zu sensibilisieren. „Bildung spielt eine herausgehobene Rolle. Nur wenn Menschen lernen, antisemitische Narrative zu erkennen, kann eine Verbreitung von Antisemitismus gestoppt werden“, sind sich die fünf Parteien im Landtag einig.

Sorge vor Gleichgültigkeit in der Bevölkerung

„Wissen ist der Feind der Vorurteile. Also muss jede Schülerin und jeder Schüler die Verbrechen gegenüber den Jüdinnen und Juden sowie die besondere Verantwortung Deutschlands kennen und verstehen“, sagt beispielsweise der CDU-Politiker Martin Balasus mit Blick auf die Schüler. Lehrer wiederum sollten ermutigt und fortgebildet werden, schnell und konsequent einzuschreiten, wenn sie von antisemitischen Äußerungen erführen, sagt Martin Habersaat von der SPD. Christopher Vogt von der FDP fordert, im Fach Geschichte den Unterricht zu Nahostkonflikt und Holocaust zu verbessern.

Bildungsministerin Karin Prien (CDU) nimmt eine verbreitete Gleichgültigkeit gegenüber den Gräueltaten der Hamas wahr. „Diese Gleichgültigkeit in der Gesellschaft macht mir Angst. Die Ignoranz. Der Mangel an Humanität. Die schweigende Masse. Gleichgültigkeit, das ist die Abwesenheit von Haltung – verursacht durch den Mangel an Empathie und Wissen“, sagt Prien. Darauf müssten Staat und Gesellschaft Antworten finden, Fakten und Empathie vermitteln.

Was Schleswig-Holstein gegen Antisemitismus tut

Schon vor dem Angriff der Hamas auf Israel hatte Schleswig-Holstein den Kampf gegen Antisemitismus verstärkt. So erarbeitet ein Ministerien übergreifendes Team seit Sommer einen Landesaktionsplan gegen Antisemitismus; ebenfalls seit Sommer arbeitet die landesweite Informations- und Beratungsstelle Antisemitismus; seit dem Frühjahr gibt es den Runden Tisch „Shalom&Moin“ für jüdisches Leben und gegen Antisemitismus; der Generalstaatsanwalt hat eine Oberstaatsanwältin als Antisemitismusbeauftragte eingesetzt; für das Land arbeitet der ehemalige Bischof Gerhard Ulrich als Beauftragter für jüdisches Leben und gegen Antisemitismus.

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Unmittelbar nach dem Überfall der Terrorkommandos der Hamas auf Israel hatte die Polizei in Schleswig-Holstein den Schutz jüdischer Einrichtungen und Organisationen im Norden deutlich verstärkt. Dass die Gefährdungslage weiter hoch ist, zeigen auch Zahlen des Bundeskriminalamtes. So ist die Zahl antisemitischer Straftaten ist seit dem 7. Oktober auch bundesweit stark gestiegen. So spricht das BKA von 680 entsprechenden Fällen. Diese Zahl nannte dessen Präsident Holger Münch jetzt bei der Herbsttagung des BKA. Die Ereignisse im Nahen Osten hätten unmittelbaren Einfluss auf die Radikalisierung in Deutschland, das Eskalationspotenzial sei hoch, warnte Münch.