Amrum. Paula Modersohn-Becker, Emil Nolde oder Max Pechstein kamen zum Malen nach Amrum. Nun betont die Insel ihr künstlerisches Erbe.
Im Schatten von Sylt und Föhr lässt es sich wunderbar leben – die großen Touristenströme sind an Amrum vorbeigezogen, die nordfriesische Insel ist die ursprünglichste ihrer Art. Manchmal aber ist es schwierig, wenn man im Schatten bleibt. Etwa dann, wenn sich Amrum als Insel der Künste ins rechte Licht rücken will. Nun hat es sich der Heimatverein zum Ziel gesetzt, das Erbe als Künstlerdorf in Szene zu setzen.
Viele Künstler hat es auf das Eiland mit dem schönsten Strand der deutschen Nordseeküste verschlagen. „Mit Paula Modersohn-Becker, Emil Nolde oder Max Pechstein kamen bekannte Künstler zum Malen nach Amrum, als die Insel vom Tourismus noch wenig berührt war“, erzählt Undine Bischof, die langjährige Leiterin des Inselkinos in Norddorf. „Amrum steht nicht so im Blickpunkt wie Föhr oder Sylt. Wer kulturell interessiert ist, geht vielleicht nicht auf eine so abgelegene Nordseeinsel“, sagt sie.
Nordsee: Föhr und Sylt haben der Insel Amrum etwas voraus
Föhr hat mit dem Museum Kunst der Westküste sich längst als Ort der Kunst etabliert: Das großzügige Haus hat der Unternehmer Frederik Paulsen gestiftet, dessen Familie aus Alkersum/Föhr stammt. Frederik Paulsen floh vor den Nazis, gründete 1950 ein Pharmaunternehmen in Schweden, das es später in Verbundenheit zu seiner Heimat „Ferring“ taufte.
Damit wurde er zum Milliardär und spendierte der Insel im Dorf Alkersum ein Museum und ein Café – dort, wo sich schon im 19. Jahrhundert in „Grethjens Gasthof“ Künstler aus Deutschland und Dänemark trafen. Sylt wiederum lebt auch von seinen Galerien, Kunsthäusern und Ausstellungen.
Amrum zeigt große Ausstellung zu Hans Jaenisch
Nun zieht Amrum nach: Am 27. August eröffnet die große retrospektive Ausstellung „Vergessene Moderne: Hans Jaenisch auf Amrum“. Bis zum 31. Oktober wird die Schau zu sehen sein, die der Öömrang Ferian in Zusammenarbeit mit dem Fritz-Winter-Haus aus Ahlen/Westfalen organisiert.
Das Ziel: Jaenischs Werk soll nicht in Vergessenheit geraten. Weil die große Infrastruktur fehlt, wird improvisiert: Die Gemeinde Wittdün stellt für die Ausstellung ihren neuen Mehrzwecksaal im Nationalpark-Haus NaTour-Düne zur Verfügung, die Insulanerin Gabi Paulsen einen großen privaten Raum ihrer Bilderhalle in Süddorf. Um die Ausstellung zu finanzieren, bittet der Kultur- und Naturschutzverein Öömrang Ferian um Spenden.
„Vor 70 Jahren kam Hans Jaenisch durch den Künstler Willy Robert Huth zum ersten Mal auf die Insel, im selben Jahr wie Max Pechstein“, erzählt Astrid Thomas-Niemann, die die Ausstellung organisiert. „Die Nebeler Künstlerkolonie hat viel zur Inselkultur beigetragen.“ Eine lange Tradition haben die jährlichen Sommerausstellungen für den Erhalt der Amrumer Mühle, die seit 1963 das Heimatmuseum der Insel ist. „Eine so große Retrospektive wie diese Jaenisch-Ausstellung mit über 80 Werken aus dem Nachlass im Fritz-Winter-Haus kann der Mühlenverein aber nicht beherbergen, und ein Kunstmuseum haben wir nicht auf Amrum.“ Deshalb hat der Öömrang Ferian die Schirmherrschaft für die Ausstellung übernommen.
Hans Jaenisch zählt zur „Vergessenen Generation“ der Moderne
Hans Jaenisch gehört zu den Malern, die in den 1950er-Jahren die abstrakte Malerei in Deutschland etablieren halfen, heute aber zur „Vergessenen Generation“ der Moderne zählen. Lange lehrte er als Professor an der Hochschule für Bildende Künste in West-Berlin. Die Sommer verbrachte er seit 1953, damals war er 46 Jahre alt, regelmäßig auf Amrum. Hier richtete er sich ein Atelier ein und lebte nach seiner Emeritierung fast das ganze Jahr auf der Insel, wo er 1989 verstarb. Sein überwiegend abstraktes Werk ist ab 1953 zunehmend von Amrum geprägt.
Auch andere Künstler verliebten sich in die Insel, die erst spät den Tourismus entdeckte. Vor dem Ersten Weltkrieg war Amrum „Inspirationsquelle für Maler wie Otto Modersohn und Paula Modersohn-Becker, Carl Vinnen, Robert Sterl, Josef Wopfner, den jungen Max Beckmann und Emil Nolde“, erzählt Astrid Thomas-Niemann. Nach dem Krieg kamen gerade aus West-Berlin viele Künstler, wie Max Kaus, Ernst Böhm oder Ernst Schumacher. Max Pechstein besuchte die Insel 1953 und 1954 – sein letztes Gemälde „Am Strand“ entstand auf Amrum.
Amrum: Das Ekke Nekkepenn war das Promilokal der Insel
„Hans Jaenisch gehörte auch zu einem Freundeskreis mit Hans-Jörg Felmy und Fee Rückert, Peer Schmidt, Helga Schlack, Hermann Prey und anderen, die sich gern im Ekke Nekkepenn in Nebel trafen, das in den Sechziger- und Siebzigerjahren als Promilokal galt“, sagt Thomas-Niemann.
„Diese Ausstellung mithilfe des Fritz-Winter-Hauses und der Fritz-Winter-Galerie nach Amrum zu holen, für zwei Monate ohne eigenes Kunstmuseum an zwei verschiedenen Orten der Insel zu zeigen und einen eigenen 60-seitigen Katalog dazu herauszubringen, ist ein Riesenprojekt“, sagt Thomas-Niemann. „So was schafft man natürlich nicht jedes Jahr, aber es ist ein Grundstein gelegt für weitere Kunstprojekte und Kooperationen.“
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Für Amrum ist die Schau ein großer Schritt: „Das ist ein Aufbruch, denn bisher hat Amrum nicht an seine berühmten Künstlerinnen und Künstler erinnert und Jaenischs Grabstein sogar geschreddert“, sagt die Initiatorin. Das, so hofft Astrid Thomas-Niemann könnte sich nach dieser Ausstellung ändern. Die spendenfinanzierte und ehrenamtlich organisierte Ausstellung stößt auf große Resonanz und Unterstützung auf der Insel. „Und so mancher Jaenisch, Huth oder Kaus in dem einen oder anderen Amrumer Haus findet plötzlich neue Beachtung.“