Kiel. Der Bau der Batteriezellenfabrik in Heide wackelt. Der Landtag fordert stärkere Hilfe von der Bundesregierung.
Die schleswig-holsteinische Landesregierung kämpft gemeinsam mit der Opposition um die Ansiedlung der Batteriezellenfabrik des schwedischen Herstellers Northvolt in Heide – und erhöht den Druck auf die Bundesregierung. Um die Investition von vier Milliarden Euro noch zu ermöglichen, fordert das Land von der Ampelregierung in Berlin eine deutliche Senkung des Strompreises für Industriekunden auf rund drei Cent pro Kilowattstunde. Das wären, ganz grob, fünf Prozent des Preises, den Haushalte im kommenden Jahr zahlen sollen.
Zudem fordert der Landtag die Bundesregierung auf, „auf europäischer Ebene für eine bessere Förderung innovativer Unternehmen und Technologien“ zu kämpfen. Das gibt es schon im Bereich der Chip-Technologie-Herstellung, nicht aber für den Bau von Batteriezellenwerken. Die klare Botschaft des Landtags vom Donnerstag lautet: „Schleswig-Holstein will Northvolt und wird um die Ansiedlung kämpfen.“
Northvolt wollte Tausende Arbeitsplätze schaffen
Der Hintergrund: Das skandinavische Unternehmen wollte eigentlich vier Milliarden Euro in Dithmarschen investieren und dort damit 3000 Jobs direkt schaffen. Weitere 3000 Arbeitsplätze, so die Kalkulation, sollten in Zuliefererbetrieben entstehen. Um den Schweden die Ansiedlung schmackhaft zu machen, hatten Bund und Land rund 150 Millionen Euro an Subventionen zugesagt. Nur: Nach einem ersten vorsichtigen Ja der Schweden zum Standort in Schleswig-Holstein lockt jetzt die Biden-Regierung Northvolt, erst einmal eine Batteriefabrik in den USA zu bauen.
Das schwer zu schlagende Argument der Amerikaner: Sie zahlen in etwa zehnmal so hohe Subventionen wie Northvolt sie in Norddeutschland bekommen würde. Die US-Regierung investiert mit dem „Inflation Reduction Act“ insgesamt rund 500 Milliarden Dollar für den Umbau der amerikanischen Industrie. CDU-Wirtschaftsexperte Lucas Kilian nennt das einen „Handelskrieg“. Er forderte ein neues Freihandelsabkommen zwischen den westlichen Demokratien.
Im Norden wird absehbar mehr Strom produziert als verbraucht wird
In Schleswig-Holstein geht der Ausbau der regenerativen Energie schneller voran als der Ausbau des Stromnetzes. Es wird also absehbar mehr Strom erzeugt als verbraucht wird oder abfließen kann. Schon im vergangenen Jahr sind 1,856 Terrawattstunden regenerativen Stroms nicht benötigt und deshalb abgeriegelt worden.
Heißt: Die Windräder wurden abgeschaltet statt Strom zu produzieren. Eine Batteriezellenproduktion ist sehr energieaufwendig. Northvolt kalkuliert mit einem Verbrauch von zwei Terrawattstunden im Jahr. Das bedeutet: Die 2021 nicht abgeflossene Menge Strom würde nahezu reichen, um Northvolt mit Energie zu versorgen.
Doch der Strompreis wäre noch viel zu hoch. Und so fordert der schleswig-holsteinische Landtag vom Bund eine Reform der Netzentgelte, um so einen „wettbewerbsfähigen Strompreis“ anbieten zu können. „Wir müssen, um eine Deindustrialisierung Deutschlands zu verhindern, der Industrie besonders günstigen Strom anbieten. Dafür ist unser Überschussstrom besonders gut geeignet“, sagte CDU-Fraktionschef Tobias Koch.
Europäisches Förderprogramm für die Batteriezellenproduktion
Auf Initiative von CDU und Grünen fordert der schleswig-holsteinische Landtag zudem ein europäisches Förderprogramm für die Batteriezellenproduktion (für E-Autos) analog zum „Chip-Act“ der EU. Insgesamt 43 Milliarden Euro Fördermittel stünden hier für Investitionen in Halbleitertechnologien zur Verfügung. Die Bundesregierung soll sich für ein solches Förderprogramm auch für die Batteriezellenproduktion stark machen, heißt es aus dem Norden.
Aus Sicht des SSW könnten Schweden oder Dänemark ein Vorbild für Deutschland sein. In Schweden gibt es sieben verschiedene Strompreiszonen. So ist im Norden des Landes durch Wasserkraft erzeugter Strom deutlich günstiger als dort, wo man ihn erst aufwendig hintransportieren muss.
FDP: „Sie erledigen Ihre Arbeit nicht“
Deshalb hat Northvolt seine schwedische Batteriezellenfabrik auch ganz im Norden des Landes aufgebaut. „Unsere Landesregierung sollte sich bei der Bundesregierung für ein ähnliches Modell stark machen“, sagte SSW-Sprecherin Sybilla Nitsch. Aktuell ist der aus Windkraft in Norddeutschland erzeugte Strom der teuerste in Deutschland. Aus Sicht der Grünen bringt Schleswig-Holstein die Energiewende maßgeblich voran – und wird dafür mit hohen Netzentgelten bestraft. „Am Ende zahlen wir darauf“, sagte Ulrike Täck.
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Für die FDP war das eine Steilvorlage. Seit einem Jahr warte man auf eine entsprechende Gesetzesinitiative des grünen Bundeswirtschaftsministers Robert Habeck, kritisierte Bernd Buchholz. Zudem schiebe die Landesregierung die Verantwortung für die Ansiedlung nur auf andere ab. „Sie erledigen Ihre Arbeit nicht“, sagte Buchholz in der munteren Debatte.
Wirtschaftsminister Claus Rhe Madsen (parteilos) pflegt ganz offensichtlich ein leicht anderes Politikverständnis. Der Däne: „Warum streiten wir hier so viel. Northvolt erwartet von uns maximale Rückendeckung und nicht maximale Diskussion.“ Gegenseitige Kritik führe nicht weiter, appellierte Madsen an die Geschlossenheit des Parlaments in der Frage.
Northvolt in Schleswig-Holstein: Auch Bahnanbindung soll ausgebaut werden
Für die SPD würde die Ansiedlung von Northvolt zeigen, dass „die Verheißung einer neuen grünen Wirtschaft kein leeres Versprechen ist. Und dass Klimaschutz wirklich moderne Arbeitsplätze schafft“, sagte Fraktionschef Thomas Losse-Müller. Er forderte die Landesregierung auf, die „Schuld nicht immer nur bei anderen zu suchen. Erledigen Sie Ihre Aufgaben“, sagte Losse-Müller und forderte von Schwarz-Grün „die Nutzung der Windenergie zu verstärken, den Ausbau der A20, der Schiene und von Gewerbeflächen voranzutreiben.“
Der Landtag will auch, dass die Bahnanbindung von Hamburg nach Heide ausbaut wird und verspricht eine ordentliche Straßenführung zum Batteriewerk, wenn es denn kommt. Immerhin kalkuliert Northvolt mit 860 Lkw-Fahrten täglich – 430 zum Werk und 430 wieder weg.