Sylt. Nach dem Abschied von der Sternegastronomie widmet sich Johannes King neuen Projekten. Wie der Portwein damit zusammenhängt.

Der Alte Bahnhof in Keitum auf Sylt ist die neue Wirkungsstätte von Johannes King, der Anfang des Jahres den Gourmettempel Söl’ring Hof in Rantum samt Luxushotel an seinen Nachfolger Jan-Philipp Berner übergeben hat. Das historische um 1880 errichtete Gebäude an der Munkmarscher Chaussee – hier haben einst die Züge zwischen Westerland und dem Fährhafen Munkmarsch gehalten – wurde in den 50er-Jahren um einige Bauteile erweitert.

Und dieses in die Jahre gekommene weiß angestrichene Häuschen hat der Spitzenkoch aus dem Dornröschenschlaf erweckt, mit viel Liebe zum Detail saniert und dort einen Pop-up-Store eröffnet. Der Hingucker in dem 35 Quadratmeter großen Raum mit den Holzbalken an der Decke und dem Dielenboden ist ein massiver langer Holztisch. Und wie in den Regalen und Kisten stehen auch auf diesem die Produkte der Begierde. Die Rede ist von Portwein oder kurz gesagt Port.

Sylt: „Port ist sexy und kein Altherrengetränk“

Das ist eine Leidenschaft des 59-Jährigen, und beim Ortstermin mit dem Abendblatt präsentiert King eine Flasche Vintage Port von Niepoort aus dem Jahre 1900. „Ich habe auch noch eine von 1912. Das ist ein Kracherjahrgang. Das ist eine absolute Rarität.“ Port sei vor allem ein Getränk, welches zu Herbst und Winter passen würde, und der Hausherr räumt mit einem Vorurteil auf. „Port ist sexy und kein Altherrengetränk.“

Dass King sich zu einem der profiliertesten Experten für den roten Süßwein aus Portugal, den es übrigens auch in Weiß gibt, entwickelte, hat er Heinz Imhof zu verdanken. Der Schokoladenfabrikant aus dem Rheinland war Stammgast in Franz Kellers Restaurant in Köln und ein großer Freund des Portweins. In diesem Gourmettempel kochte King Anfang der 80er-Jahre, „und dann habe ich von Heinz Imhof etwas abbekommen und war vom ersten Schluck an begeistert. Das war damals ein Port aus dem Jahre 1963. Ein Jahrhundertjahrgang.“

„Wir werden regelmäßig die Produkte ändern"

Bis Januar möchte der gebürtige Schwarzwälder jetzt „Ahnungslose“ mit dem Portvirus infizieren und Kennern eine „große Auswahl“ im Alten Bahnhof bieten. Es wird Tastings für Anfänger und Fortgeschrittene geben. Aber nicht nur das. „Wir werden regelmäßig die Produkte ändern, denn es ist ja ein Pop-up-Store.“ Im März ist die Berliner Porzellanmanufaktur Hering zu Gast. Im Juni widmet sich King französischem Kaviar, und die Flensburger Silbermanufaktur Robbe & Berking präsentiert hier ihre Erzeugnisse.

Praktisch ist, dass seine Sylter Manufaktur in einem typischen Friesenhaus nur ein paar hundert Meter entfernt liegt. In dem 2013 eröffneten Genuss-Shop mit angeschlossenem Bistro können die Kunden Essig und Öl, Aufstriche und Schokolade aus Kings eigener Produktlinie für zu Hause erwerben. „Wir wollen unseren Onlineshop noch ein wenig ausbauen.“

King wuchs auf einem Bauernhof auf

Johannes King ist einer der bekanntesten Köche in Deutschland. Den ersten Michelin-Stern erhielt er bereits im Alter von 30 Jahren als Küchenchef im legendären Berliner Restaurant Grand Slam, das in einem Tennisclub in Grunewald beheimatet war.

Aber der Reihe nach: Aufgewachsen ist er als jüngstes von zehn Geschwistern auf einem Bauernhof in Schramberg im Schwarzwald. „Wenn andere Fußball spielten, dann habe ich Heu eingefahren oder die Tiere versorgt.“ Kühe, Schweine und Hasen hatten die Kings und einen großen Obst- und Gemüsegarten. „Wir waren zu 100 Prozent Selbstversorger.“

„Ich hatte in Berlin auch mal im Interconti gearbeitet"

Eigentlich wollte King Glasbläser werden. „Aber die Lehrstelle war schon weg.“ Eine seiner Schwestern hatte einen Hotelier geheiratet, und „da schnupperte ich schon mal ein wenig in die Küche rein und machte schließlich eine Ausbildung zum Koch im Ringhotel Johannisbad in Rottweil im Schwarzwald.“

Und wie es das Schicksal wollte, ist Hyères in Südfrankreich die Partnerstadt von Rottweil. „Wir hatten einen Gastkoch aus Hyères, und der hat mich für die Haute Cuisine begeistert.“ Es folgten Stationen in Köln, Wien und Saulieu in Frankreich. 1989 wurde King Küchenchef im Grand Slam in Berlin, folgte 1998 dem Ruf nach Sylt. „Ich hatte in Berlin auch mal im Interconti gearbeitet. Der ehemalige Direktor war inzwischen Vorstand der Dorint-Hotelgruppe und fragte mich, ob ich den Söl’ring Hof machen möchte.“

„Ich habe nicht für die Sterne gekocht"

Eine enge Verbindung zu Sylt hatte er damals nicht. „Für mich war das immer nur die Insel, auf der die Leute die Nase so hochtragen, dass es reinregnet. Der Söl’ring Hof ist damals noch eine Bruchbude gewesen. Das Gebäude wurde abgerissen und neu aufgebaut. 2000 haben wir eröffnet.“

Johannes King machte das Haus unter Reet mit unverbaubarem Meerblick in Rantum zu einer der exklusivsten Adressen der Insel und zum Anlaufpunkt für Gourmets aus dem In- und Ausland. Es gab wieder einen Michelin-Stern, und 2004 folgte der zweite. Bis heute konnte der Söl’ring Hof diese Auszeichnung verteidigen. „Ich habe nicht für die Sterne gekocht. Für mich war das immer wie ein Bonus am Ende des Jahres.“ Ein dritter Stern sei ihm zu viel Stress gewesen, aber seinem Nachfolger traue er das durchaus zu.

King fuhr mit dem Fahrrad nach Paris

Der Starkoch war Gesellschafter des Söl’ring Hofs, hat seine Anteile an den heute 35-jährigen Berner übergeben. Seine vier Kinder im Alter von 17 bis 33 Jahren hatten – bislang – keine Ambitionen, in seine Fußstapfen zu treten.Warum hat er aufgehört? „Alles hat seine Zeit. Und das Beste ist loszulassen, weil man es kann, nicht weil man es muss. Ich wollte meine Schultern frei bekommen und mich anderen Aktivitäten widmen.“

Dazu gehört auch, sich für den guten Zweck zu engagieren. Im Juni ist er innerhalb von neun Tagen die rund 1200 Kilometer von Klanxbüll – dem ersten Bahnhalt auf dem Festland – mit dem Fahrrad nach Paris gefahren. Für drei Wohltätigkeitsorganisationen hat er 60.000 Euro an Spendengeld eingefahren. Bis zu 160 Kilometer hat der Hobbysportler mit seinem E-Bike am Tag zurückgelegt. Aber King ist auch gut im Training. Zu Hause in Archsum startet er mehrmals in der Woche morgens um halb sieben Uhr und radelt über die Insel. Das seien meist so um die 65 Kilometer.

Sylt: Johannes King steht nur selten am Herd

Der Gastrounternehmer wirkt mit sich im Reinen. Es geht ihm „hammermäßig gut.“ Am Herd steht Johannes King nur noch selten. „Aber das Schöne ist doch, wenn einer meiner Köche mal ausfällt, dann kann ich nahtlos übernehmen.“